Ukraine-Krieg: Game-Changer der Energiewende?
Die dominante Stellung Russlands als Erdöl- und Erdgaslieferant könnte durch den Konflikt in der Ukraine ins Wanken geraten, wenn dieser Anlass die Umstellung auf Erneuerbare Energien vorantreibt.
Russland zählt weltweit zu den größten Lieferanten fossiler Energien. 70 Prozent der russischen Gasexporte gehen nach Europa. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine fällt in eine entscheidende Phase im Kampf gegen den Klimawandel. Im jüngsten IPCC-Bericht steht, dass die CO2-Emissionen spätestens im Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben müssen, um die Pariser Klimaziele von 1,5 Grad zu erreichen. Regierungen und Unternehmen müssten jetzt radikal handeln und Dekarbonisierungs-Maßnahmen forcieren, um dieses ambitionierte Ziel noch zu erreichen.
Weshalb wird die Krise mit Russland nicht als Anlass genommen, so rasch wie möglich auf Erneuerbare Energien umzustellen? Könnte man dann nicht die Umsetzung der Pariser Klimaziele zeitnäher erreichen?
Wenn es um die Dekarbonisierung geht, tobt eine hochpolitische Debatte, denn am Ende steht immer die Frage nach der Finanzierbarkeit. Die Regierungen müssen einerseits stringent die Klimaziele verfolgen, stehen jedoch auch in der Verantwortung, die Energieversorgung zu erschwinglichen Preisen zu sichern. Einige Länder überlegen nun, russische fossile Brennstoffe durch Äquivalente aus anderen Ländern zu ersetzen. Sogar die Wiederaufnahme von alten Kohlekraftwerken oder Fracking wird in jüngster Zeit wieder diskutiert: aus Umweltsicht ein herber Rückschlag.
Aber gesetzt den Fall, die EU würde sofort einheitlich und geschlossen alle fossilen Brennstoffe abschaffen, wäre das im Hinblick auf die Klimaziele bereits ausreichend?
Die EU ist nur für zehn Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich – Tendenz fallend. Ob der Krieg einen signifikanten Einfluss auf die globale Energiewende hat, hängt von der Reaktion der weltweit größten Verursacher von Emissionen, den USA, China und Indien ab. Hier erhalten wir sehr unterschiedliche Botschaften. Sowohl China als auch Indien sind sogar bestrebt, ihre Energiebeziehungen zu Russland weiter auszubauen. Der Krieg hat leider nichts an unserer langfristigen Einschätzung geändert, dass die Welt die Temperaturziele des Pariser Abkommens höchstwahrscheinlich immer noch überschreiten wird.
Welche europäischen Länder sind vorrangig auf Russlands Energielieferungen angewiesen?
Die Abhängigkeit der einzelnen Länder Europas von russischem Gas ist sehr heterogen. Das liegt unter anderem am jeweils vorherrschenden Energiemix.
Spanien und Portugal beziehen gar kein Erdgas aus Russland. UK nur etwa fünf Prozent. Auch Frankreich, Holland oder Belgien sind mit jeweils unter zehn Prozent relativ wenig abhängig. Wo wir wieder beim Energiemix wären. In Frankreich stammen aber auch 70 Prozent der Stromerzeugung aus Atomkraft und viele Franzosen heizen auch mit Strom. Die von russischem Gas abhängigsten Länder sind Bulgarien (100 %), Polen (80 %), Ungarn, Slowenien, Slowakei und Österreich (jeweils ca. 60 %) und Deutschland (50 %).
Was bedeutet das für die Anleger und welche Investmentmöglichkeiten gibt es?
Nachhaltig orientierte Anleger, die neben einer attraktiven Rendite einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft erzielen möchten, sollten sich die sogenannten Artikel-9-Fonds gemäß der Offenlegungsverordnung (SFDR) näher anschauen. Das sind Fonds, die sich zu einem konkreten, nachhaltigkeitsbezogenen Anlageziel verpflichtet haben. Bei abrdn bieten wir Ihnen dazu je nach persönlicher Präferenz diverse Strategien aus den Bereichen Klima, Umwelt und Impact (SDGs) an.
ExpertsTalk . Pascale-Céline Cadix, abrdn Investments Deutschland AG