Timing in volatilen Märkten
In der aktuell volatile Marktphase rückt Timing wieder mehr in den Vordergrund: Wann ist der tiefste Einstiegszeitpunkt für ein Investment in Aktien auf der einen Seite und wie erkenne ich andererseits den Höchststand für den rechtzeitigen Ausstieg?
Um diese Fragen kreisen derzeit verstärkt die Interessen institutioneller und privater Anleger, schreiben Sieglinde Klapsch und Alexander Eberan, Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking.
Orakel von Delphi
Erfolgreiches Markttiming würde nicht nur die richtige Vorhersage im Sinne eines „Orakels“ brauchen, sondern auch das optimale Treffen zweier Entscheidungen in Kombination: Erstens den richtigen Kaufzeitpunkt voraus zusehen – also zu tiefen Kursen zu kaufen, um zweitens nach dem Anstieg die zweite Entscheidung richtig zu fällen und zu hohen Kursen wieder zu verkaufen. Oft gelingt es, eine der beiden Entscheidungen richtig zu treffen, kaum aber beide in Folge.
Beispiele für Fehleinschätzungen lieferten einige Fondsmanager, als sie unmittelbar nach Ausbruch der Covid-Pandemie die Aktienquote reduziert oder sogar auf null setzten. Die zweite Entscheidung, nämlich die des rechtzeitigen Einstieges, wurde aber in der Folge nur zögerlich angegangen. Auch die große Finanzkrise 2008/2009 zeigte die Schwäche des Markttimings auf: Viele Fondmanager, die kurz nach der Lehmann Pleite rechtzeitig aus dem Aktienmarkt ausstiegen, waren in den Folgejahren, als die Aktienmärkte entgegen aller Voraussicht wieder stiegen, nicht in der Lage, ihre Risikobudgets – sprich Aktienquoten – auf Vorkrisenniveaus zu erhöhen und haben somit viel an Performance versäumt.
Schwieriges Timing
Den theoretischen Mehrwert eines perfekten Markttimings liefert eine Studie von Terry Smith, CEO der britischen Fondsgesellschaft Fundsmith: Er verglich zwei unterschiedliche Investment-Strategien anhand des Dow Jones von 1970 – 2020. Strategie 1 investierte jeden Handelstag einen gleichen Betrag unabhängig davon, ob der Index stieg oder fiel. Strategie 2 investierte jeden Handelstag ebenfalls den gleichen Betrag, stoppte aber die Zahlung, sobald der Markt fiel und sparte das Geld während der Periode des Rückganges.
Der angesparte Betrag wurde erst investiert, sobald in der Periode ein absolutes Tief – gemessen zwischen den beiden Höchstständen im Verlauf – erzielt wurde. Diese Methode erfordert, dass das Orakel immer richtig liegt, also die perfekte Vorhersicht herrscht, wann das absolute Tief zwischen den letzten beiden Höchstständen erreicht wird.
Ruhige Hand
Über einen Zeitraum von 50 Jahren erbrachte Strategie 2 im Vergleich zu Strategie 1 einen kumulierten Mehrertrag von 22 Prozent oder 0,4% Prozent pro Jahr. Selbst das Orakel, das genau den richtigen Zeitraum des Wiedereinstieges prophezeien konnte, kommt somit nur zu einem marginalen Mehrertrag gegenüber der Strategie 1. In der Praxis wäre es also fatal, Strategie 2 zu versuchen, da die geeigneten Zeitpunkte des richtigen Aus- und Wiedereinstieges in der Praxis nicht gefunden werden können.
Fazit: Eine ruhige Hand und Geduld versprechen eine solidere Performance als das bemühte Ringen um den richtigen Ein- und Ausstieg an den Märkten.
Steiermärkischen Sparkasse Private Banking/HK