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27. Juli 2023

Künstliche Intelligenz ist kein Allheilmittel

Künstliche Intelligenz (KI) ist gegenwärtig in aller Munde. Der Fortschritt im Bereich der generativen künstlichen Intelligenz, ausgelöst durch den Launch von ChatGPT, hat ein Level erreicht, das viele vorher nicht erwartet haben. Aber wie sieht dies bei der Geldveranlagung aus? Hält KI auch Einzug in die Vermögensverwaltung bzw. das Portfoliomanagement? Wird KI dadurch eine Bedrohung für das Berufsbild des klassischen Fondsmanagers?

Gastautor: Leo Willert, Gründer und Head of Trading bei ARTS Asset Management

Leo Willert, Gründer und Head of Trading bei ARTS Asset Management
Leo Willert, Gründer und Head of Trading bei ARTS Asset Management

Die automatisierte Anlage mittels Algorithmen ist in der Investment-Welt schon seit vielen Jahrzehnten ein fixer Bestandteil. Im quantitativen Asset Management werden mathematische Gesetzmäßigkeiten in Algorithmen übersetzt, die das Anlegen nach systematischen Regeln ohne menschlichen Einfluss ermöglichen. Auch bei der generativen künstlichen Intelligenz kommen Algorithmen zum Einsatz. Jedoch handelt es sich hier um ein selbstlernendes System, das versucht, den Output mit zunehmender Datenbasis zu optimieren und an die jeweils aktuelle Marktsituation anzupassen. Hier besteht jedoch das große Risiko einer Überoptimierung: Kapitalmarktregeln, wie ein konsequentes Risikomanagement, werden über Bord geworfen werden, da KI-Systeme zu sensibel auf Veränderungen reagieren und oftmals nur die tagesaktuelle Performance-Optimierung im Fokus haben. Doch viel wichtiger als die taggenaue Anpassung an den gestrigen Tag, ist es eine Handels-Systematik zu schaffen, die sich in möglichst vielen unterschiedlichen „zukünftigen“ Zeitfenstern zurechtfindet. Denn eines ist fix: Den morgigen Tag an den Börsen kennt niemand, weder das KI-System noch der klassische Fondsmanager.

Außerdem wird durch den laufenden Anpassungs- bzw. Optimierungsprozess der Nutzer im Unklaren gelassen, auf welcher Basis aktuelle Entscheidungen tatsächlich getroffen werden. Man vertraut in Wahrheit auf eine Blackbox, deren Entscheidungsgrundlage nicht oder nicht mehr zwingend bekannt ist. Das an sich stellt schon ein gewisses unkalkulierbares Risiko dar.

KI schützt auch nicht vor einem unerwarteten Unfall

Vergleichbar mit einem Navigationssystem, das den Autofahrer auf Basis von Auswertungen der aktuellen Verkehrsdaten auf dem schnellsten Weg durch den Straßenverkehr lotst, kann eine KI die „Verkehrslage“ an den Märkten in Sekundenschnelle auswerten. Aber wenn es auf dem optimalen Weg zu einem Unfall kommen sollte, in dem man selbst verwickelt ist, bietet das Navigationssystem keinerlei Schutz vor einem Totalschaden. Den Schaden beim Eintreffen eines unerwarteten Events, dem Unfall, können aber ein Sicherheitsgurt, ABS-Bremssysteme, ein Airbag, Seitenaufprallschutz und Kopfstützen mindern. Übertragen auf die Märkte bedeutet das, dass es zusätzlich anderer Absicherungsinstrumente bedarf, denn eine auf Performance getrimmte KI allein, kann das Portfolio nicht ausreichend vor Verlusten schützen. Sogenannte „schwarze Schwäne“, wie wir sie in den vergangenen Jahren mit der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg erlebt haben, kündigen sich weder an, noch ist klar, in welcher Gestalt sie den Finanzmarkt heimsuchen. Den Airbag für das Portfolio müssen somit andere Methoden gewährleisten.

Es bedarf eines stringenten Risikomanagements

Ein konsequentes Risikomanagement soll genau davor bewahren, dass bei Börsenturbulenzen große Verluste erlitten werden. Ein quantitativer Ansatz, der bei Überschreiten einer bestimmten Volatilität das Risiko des Portfolios automatisch zurücknimmt und beispielhaft die Aktienquote reduziert, kann hier sehr hilfreich sein. Außerdem können volatilitätsabhängige Stop-Loss-Limite dazu beitragen, das Risiko pro Einzelposition abzusichern. Oftmals sind solche regelbasierten Absicherungsmechanismen gegenüber subjektiven, menschlichen Einschätzungen von Vorteil. Aber unabhängig, wie oder wer das Risiko kontrolliert, sollte auf keinem Fall aufgrund von Performance-Optimierungs-Überlegungen auf eine stringente Risikokontrolle verzichtet werden.

Eine Investmentstrategie auf Basis von generativer KI ist also noch lange kein Selbstläufer. Künstliche Intelligenz kann Unmengen von Daten in Sekundenschnelle verarbeiten, kennt aber auch die Zukunft nicht und ist vor allem nicht krisenerprobt und zumeist nicht auf Absicherung programmiert. Hier steckt die KI sozusagen noch in den Kinderschuhen. Ob sie dann in unerwarteten Situationen tatsächlich das Richtige tut, sollte vorher gut getestet sein. Sonst kommt es vielleicht doch zu einem Totalschaden.

www.arts.co.at

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