Klimawandel: Soziale Konflikte drohen
Es ist unumstritten, dass der Klimawandel vehement bekämpft werden muss. Verdrängt wird allerdings, dass diese Bemühungen einkommensschwache Bürger finanziell besonders stark treffen könnten. Es drohen neue soziale Bruchlinien.
Die Eindämmung des Klimawandels „birgt durchaus auch sozialen Sprengstoff“. Mit dieser Aussage ließ Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria, im Gespräch mit dem GELD-Magazin aufhorchen (Ausgabe 02/2022).
Soziales Pulverfass
Denn die Klima-Maßnahmen (CO2-Bepreisung usw.) werden zu noch höheren Energiekosten führen, die reale Einkommensverlust für alle zur Folge haben. Allerdings werden darunter vor allem einkommensschwächere Schichten leiden, denn sie geben überproportional viel für Heizen, Transport, Lebensmitteln etc. aus. Bruckbauer: „Es handelt sich also um ein starkes sozialpolitisches Thema, dass eine gewisse Umverteilung nach unten umfasst.“
Der Ökonom spielt damit natürlich auf die aktuell heiß diskutierte Spaltung der Gesellschaft im Zuge der Corona-Krise an. Könnte jetzt die Erderwärmung nicht nur den Planeten sondern auch die aggressive Stimmung noch weiter aufheizen? Droht gar das „soziale Pulverfass“ zu explodieren?
Klimabonus und mehr
Claudia Kettner-Marx, Senior Economist am Wifo, möchte die Befürchtung, dass die Bekämpfung des Klimawandels „sozialen Sprengstoff“ berge, nicht teilen: „Das halte ich doch für stark zugespitzt. Unbestritten ist aber, dass uns die Erderwärmung vor enorme Herausforderungen stellt. So will Österreich bis 2040 Co2-neutral werden, um die Ziele von Paris zu erfüllen. Dabei sind Abgaben auf Treibhausgas-Emissionen natürlich wichtig und richtig. Wobei ebenfalls klar ist, dass niedrigere Einkommensbezieher von einer höheren CO2-Bepreisung stärker getroffen werden als Besserverdiener. Deshalb ist eine Kompensation für weniger Wohlhabende wichtig, der in der Steuerreform vorgesehene Klimabonus ist dabei ein Baustein.“
Konflikte rund um Jobs
Joel Tölgyes, Ökonom am Momentum Institut, fügt zum nachhaltigen Umbau der Wirtschaft hinzu: „In vielen Sektoren werden Jobs verloren gehen, in anderen Sektoren werden neue entstehen. Auch unser Konsumverhalten wird sich ändern müssen. All diese Vorgänge beinhalten verteilungspolitisches Konfliktpotenzial.“
Ob dieses Potenzial schlussendlich tatsächlich in Konflikten mündet, hängt laut dem Ökonomen davon ab, welche staatlichen Maßnahmen gesetzt werden: „Im Bereich des Arbeitsmarktes wird es etwa darauf ankommen, Umschulungsmaßnahmen anzubieten und aktive Arbeitsmarktpolitik, etwa in Form von Jobgarantien in klimafreundlichen Wirtschaftssektoren, zu betreiben.“
Akzeptanz für Klimawandel
Abschließend nochmals Bruckbauer: „So wie die Globalisierung ist auch die Energiewende grundsätzlich gut, will man aber breite Akzeptanz, so muss man die am stärksten negativ betroffenen Gruppen wohl unterstützen, sonst wird es populistische Gegenbewegungen geben, wie wir es in den letzten zehn Jahren erlebt haben.“
Fotocredit: Claudia Kettner-Marx (c)AlexanderMueller, Stefan Bruckbauer beigestellt