Inflation: Sozialer Sprengstoff
2022 erreichte die weltweite Inflationsrate einen Höchststand seit der Ölkrise 1974. Diese Entwicklung wurde zunächst durch Engpässe an Produkten infolge der pandemiebedingten Lieferkettenprobleme getrieben. Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine verschärfte sich die Lage weiter.
Karl Freidl und Alexander Eberan, Experten des Steiermärkische Sparkasse Private Banking, analysieren die Situation: „Die Geldentwertung hat langfristige Auswirkungen auf das wirtschaftliche und gesellschaftliche Gefüge und bietet somit gewissermaßen auch sozialen Sprengstoff, da sie das Wachstum hemmt.“
Das Zeitalter der Inflation
„In Österreich stieg die Inflation besonders stark an. Sie kletterte von 5% im Januar auf ein Zwischenhoch von 11% im Oktober, bevor sie bis Dezember 2022 leicht auf 10,2% sank. Ungeachtet dieser jüngsten Entwicklungen ist die Geldentwertung in den meisten westlichen Länder seit mehr als 50 Jahren vorhanden. Nach Zahlen des United States Bureau of Labor Statistics hatte 1 US-Dollar im August 1971 die gleiche Kaufkraft wie 7,66 US-Dollar im März 2024. Umgekehrt entspricht die Kaufkraft eines US-Dollars heute der von 13 Cent im Jahr 1971, als die Aufrechterhaltung der Golddeckung des US-Dollars innerhalb des Bretton-Woods-Systems massiv zu bröckeln begann.
Wie in den USA ist auch in Europa die Inflation ein immerwährendes Thema. Seit der buchmäßigen Einführung des Euro im Jahr 1999 liegt die durchschnittliche Verbraucherpreisinflation in der Eurozone bei rund 2% pro Jahr. Das entspricht im Durchschnitt den erklärten geldpolitischen Zielen der EZB, die dem Grundsatz folgt, dass eine leichte Teuerungsrate das Wachstum fördert. Gleichzeitig stiegen aber die Preise für Immobilien und die Aktienkurse über den gesamten Zeitraum wesentlich stärker, was in der offiziellen Inflationsstatistik keinen Niederschlag findet. Die Immobilienpreise haben sich in Frankreich in den letzten 25 Jahren fast verdreifacht und in Deutschland mehr als verdoppelt. Von einem „Zeitalter der Inflation“ zu sprechen, ist deshalb durchaus gerechtfertigt.“
Negativspirale dreht sich
„Zinssenkungen und die Ausweitung der Geldmenge erhöhen das Kredit-, Investitions- und Konsumvolumen, was sich in der Regel günstig auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkt. Eine langfristig anhaltende und zu hohe Inflation führt jedoch zu Veränderungen in der zugrunde liegenden Wirtschaftsstruktur, eine Negativspirale mit sozialen Folgen kommt in Gang. Ganz allgemein gesprochen führt ein starker Preisanstieg zu Unsicherheit in der Bevölkerung und bei Unternehmen und destabilisiert somit die Wirtschaft und die Gesellschaft.
Für Anleger:innen stellt die Inflation eine „heimliche“ Bedrohung dar, da sie die realen Ersparnisse und Renditen schmälert. Eine einfache Rechnung erklärt dies: In einem Umfeld von 3% Teuerungsrate erzielt man mit einer Rendite von 2% einen negativen Ertrag von 1%. Die wachsende Nachfrage nach langfristigen Vermögenswerten, die vor Inflation schützen, kann als eine Art Selbstverteidigungsmechanismus angesehen werden. In einem Umfeld, in dem die Inflation noch immer nicht das in den Augen vieler Ökonomen „gesunde“ Niveau von 2% erreicht hat, sollten Anleger:innen das Kernprinzip des Investierens im Auge behalten. Dazu gehört ein gut diversifiziertes Portfolio mit einer breiten Streuung über Branchen und Märkte, eine regelmäßige Überprüfung der Anleger:innenziele sowie eine langfristige Perspektive.“
Steiermärkische Sparkasse/HK