Globale Wirtschaft: Unter Druck
Die globale Wirtschaftsentwicklung verläuft zunehmend unterschiedlich: Während sich die USA trotz leichter Abschwächung weiterhin robust zeigen, verliert der Euroraum deutlich an Schwung – besonders die deutsche Wirtschaft steht unter Druck.
Das zeigt der aktuelle Marktausblick von Vanguard. Als Reaktion auf diese Entwicklungen erwartet Shaan Raithatha, Senior Economist bei Vanguard Europe, weitere moderate Zinssenkungen der Fed, EZB und Bank of England.
USA: Besser als erwartet
„Jüngste Konjunkturdaten deuten darauf hin, dass die US-Wirtschaft besser abschneidet als ursprünglich angenommen“, kommentiert Raithatha. Diese positive Entwicklung wird durch die aktuellen Arbeitsmarktdaten bestätigt: Mit 254.000 neugeschaffenen Arbeitsplätzen außerhalb der Landwirtschaft wurde der Konsens im September um 100.000 Arbeitsplätze übertroffen. Die Arbeitslosenquote fiel im selben Monat von 4,2 Prozent auf 4,1 Prozent. „Unserer Ansicht nach waren die Diskussionen über eine Abkühlung des Arbeitsmarktes in den vergangenen Monaten übertrieben, denn der Anstieg der Arbeitslosenquote in diesem Jahr war nicht auf Arbeitsplatzverluste zurückzuführen, sondern auf einen Zuwachs bei der Erwerbsbevölkerung. So dürfte die Arbeitslosenquote zum Ende des Jahres knapp über dem derzeitigen Niveau liegen“, so Raithatha.
Die positive Entwicklung im Arbeitsmarkt spiegelt sich auch in der Inflation wider: Auch die Zwölf-Monate-Gesamtinflation entwickelte sich positiv und sank von 2,5 Prozent im August auf 2,4 Prozent im September. Raithatha: „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die offiziellen BIP-Daten des dritten Quartals unter der jüngsten Fed-Schätzung von 3,2 Prozent liegen werden. Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Wachstum von über zwei Prozent.“ Gleichzeitig erwartet Raithatha zwei weitere Zinssenkungen der Fed um jeweils 25 Basispunkte (BP) in diesem Jahr, im November und Dezember.
Europa: Situation spitzt sich zu
Im Euroraum hat sich die Wirtschaftsdynamik verlangsamt, insbesondere in Deutschland. „Der Weg zur Zielinflationsrate der EZB bleibt herausfordernd“, erklärt Raithatha. Diese Einschätzung wird zudem von der hohen Dienstleistungsinflation bestätigt. Vor diesem Hintergrund kristallisiert sich für die EZB, die sowohl im Juni als auch im September die Leitzinsen um 25 BP gesenkt hat, ein neues Risikoprofil heraus. Denn nun belastet die restriktive Geld- und Finanzpolitik die Wirtschaftsleistung, während gleichzeitig der Preisdruck schneller nachlässt als erwartet.
Nach den jüngsten Senkungen hat die EZB im Oktober eine weitere Senkung um 25 BP angekündigt. Im Hinblick auf die weitere Zinsentwicklung erklärt Raithatha: „Eine weitere Anpassung im Dezember würde den Leitzins bei drei Prozent festsetzen. Bis Mitte nächsten Jahres rechnen wir mit weiteren Kürzungen auf zwei bis 2,5 Prozent“. Raithatha schränkt diese Prognose jedoch ein und merkt an: „Allerdings würden ein resilienterer US-Arbeitsmarkt und die Aussichten auf signifikante Konjunkturprogramme in China mit möglicherweise positiven Auswirkungen auf die europäische Exportwirtschaft, die für das erste Halbjahr 2025 erwartete, recht aggressive Zinssenkungsphase vor Probleme stellen“.
Großbritannien: Kurswechsel
In Großbritannien rechnet der Experte auf den nächsten zwei BoE-Sitzungen im November und Dezember mit einer Zinssenkung von jeweils 25 BP. Damit würde der Leitzins bis zum Jahresende von derzeit fünf Prozent auf 4,5 Prozent zurückgehen. An unserer Prognose einer weiteren Lockerung der Zinsschraube (-100 BP) im kommenden Jahr halten wir fest.“
Vanguard/HK