Österreichische Post AG | MZ 03Z035262 M | 4profit Verlag GmbH, Rotenturmstraße 19/1/29 B, 1010 Wien | Ausgabe Nr. 1/2025 | 6,90 Euro DAS MAGAZIN FÜR WIRTSCHAFT, POLITIK & INVESTMENTPRODUKTE Finanzpolitik + Volkswirtschaft + Länder- und Branchenanalysen + Banking + Investmentfonds + Aktien + Immobilien + Rohstoffe + Blockchain + Alternative Investments + Versicherungen Alternative Investments Award 2025 Alle Gewinner ab Seite 60. World Economic Forum Wie Spitzenpolitiker und Ökonomen die nahe und ferne Zukunft einschätzen. Experten-Umfrage Profis verraten, wie es an den Anleihen- und Aktienmärkten weitergehen wird. Great again? Donald Trump regiert via Erlässen wie ein Autokrat. Er wirbelt Politik und Wirtschaft durcheinander. Kann das gutgehen? IM MACHTRAUSCH
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Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 3 US-Präsident Donald Trump sorgt wie erwartet für Unbehagen. Abgesehen von seinen innenpolitisch umstrittenen Entscheidungen, halten seine Zoll-Dekrete die Welt in Atem. Erst beschloss er, sofort 25 Prozent auf alle Einfuhren aus Kanada und Mexiko einzuheben, um deren Wirksamkeit zwei Tage später wieder um einen Monat aufzuschieben. Zehn Prozent auf alle Einfuhren aus China diktierte Trump mit dem nächsten Federstrich. Und nun 25 Prozent auf alle Einfuhren von Stahl und Aluminium, die ab 12. März eingehoben werden sollen. Das könnte Europa empfindlich treffen, Gegenzölle sind bereits in petto. Aufgrund dieser inflationstreibenden Zoll-Politik und der starken US-Wirtschaft kündigte Jerome Powell, Chef der US-Notenbank, im Rahmen seiner Anhörung vor dem US-Senat an, vorerst auf weitere Zinssenkungen zu verzichten (siehe auch unseren Leitartikel ab Seite 8). Die EZB signalisierte zuletzt, aufgrund der schwachen Wirtschaft in Europa ihren Zinssenkungspfad weiter verfolgen zu wollen. Über die Einschätzung der Lage und daraus folgende Forderungen der weltweit wichtigsten Politiker und Ökonomen lesen Sie im Artikel über das World Economic Forum ab Seite 14. Die wechselnden Erwartungen und Spekulationen spielen derzeit eine große Rolle. Anleger wechseln teilweise in sog. Krisen-Assets, wie in den US-Dollar und in Gold, die beide im Kurs kräftig zulegten. Etwas unterschätzt dürfte die Auswirkung auf die Inflation in Europa werden. Abgesehen von weiteren möglichen Zöllen, schlägt der höhere Dollar und die gestoppte Lieferung von Gas aus Russland auf die Teuerung durch. Der Gaspreis hat sich in Europa in Jahresfrist bereits wieder auf 58 Euro verdoppelt, was für die Entwicklung des Strompreises ein schlechtes Omen ist (Stichwort Merit-Order). Denn dieser wird bereits durch Wegfall der Strompreisbremse und eine Erhöhung der Netzgebühren deutlich teurer. Aber des einen Leid ist des anderen Freud. Anleger, die auf Gold setzten, jubeln. Rohstoffinvestments und Aktien steigen im Wert. Und nicht zuletzt sollten Sie Alternative Investments in Betracht ziehen, die zum Teil marktunabhängige Renditen liefern. Die besten finden Sie in unserer Auswertung für den Alternative Investment Award 2025 des GELD-Magazins ab Seite 60. Mario Franzin, Chefredakteur GELD-Magazin Unübersichtlich editorial impressum MEDIENEIGENTÜMER UND HERAUSGEBER 4profit Verlag GmbH · MEDIENEIGENTÜMER-, HERAUSGEBER- UND REDAKTIONSADRESSE Rotenturmstraße 19/1/29B, 1010 Wien · T: +43/676/570 95 10 · E: [email protected] · GESCHÄFTSFÜHRUNG Snezana Jovic, Mario Franzin · CHEFREDAKTEUR Mario Franzin REDAKTION Mario Franzin, Mag. Harald Kolerus, Michael Kordovsky, Wolfgang Regner, Moritz Schuh MSc, Mag. Christian Sec · LEKTORAT Mag. Rudolf Preyer · GRAFISCHE LEITUNG Noura El-Kordy · COVERFOTO pixabay/gregroose · DATENANBIETER Lipper Thomson Reuters*, Morningstar · VERLAGSLEITUNG Snezana Jovic · BACKOFFICE & ONLINE REDAKTION Ivana Jovic · MARKETING & ANZEIGENVERKAUF Dr. Anatol Eschelmüller · IT-MANAGEMENT Oliver Uhlir · DRUCK Berger Druck, 3580 Horn, Wiener Str. 80 · VERTRIEB PGV Austria, 5412 Puch, Urstein Süd 13. www.geld-magazin.at ABO-HOTLINE: +43/699/1922 0326 · [email protected] * Weder Lipper noch andere Mitglieder der Reuters-Gruppe oder ihre Datenanbieter haften für Fehler, die den Inhalt betreffen. Performance-Ranglisten verwenden die zur Zeit der Kalkulation verfügbaren Daten. Die Beistellung der Performance-Daten stellt kein Angebot zum Kauf von Anteilen der genannten Fonds dar, noch gilt sie als Kaufempfehlung für Investmentfonds. Für Investoren gilt es zu beachten, dass die vergangenen Performancewerte keine Garantie für zukünftige Ergebnisse darstellen. FOTO: ivanashoots.com
BRENNPUNKT 06 Kurzmeldungen China: Willkommen im Jahr der Schlange + Zölle: Zahlen bitte + DeepSeek: Schock! 08 Interview M. Schratzenstaller Sparzwang bei gleichzeitig schwacher Konjunktur: Die WIFO-Expertin sieht die heimische Wirtschaftspolitik im Spagat. 10 USA Heißer gekocht als gegessen? Wahrscheinlich nicht, denn der neue-alte Präsident erteilt Rundumschläge. Welche Konsequenzen aus der Politik Donald Trumps wirklich drohen. 14 Weltwirtschaftsforum In Davos wurde die Zukunft unserer Welt diskutiert, das Fazit fällt leider düster aus. WIRTSCHAFT 18 Kurzmeldungen Deutschland: Ende der Talfahrt? + Österreich: Industrie mit Hoffnungsschimmer. BANKING 20 Kurzmeldungen EZB: Zinsen im Sinkflug + Smarte Geldbörse: Neue Zahlungsmöglichkeiten legen zu. 22 Seniorenkredite Eine Gesetzesnovelle bringt Vorteile für ältere Menschen: Der Zugang zu Wohnbaukrediten wird erleichtert. MÄRKTE & FONDS 24 Kurzmeldungen Europa: Potenzial für Erholung + Asset Allocation: Weiter positiv für Aktien. 26 Interview Uli Krämer Der Fonds-Profi bei Kepler sieht das Glas für Investoren als „halbvoll“ an. 28 Experten-Umfrage Investment-Profis blicken auf 2025 und darüber hinaus: Diversifikation ist angesagt. 32 Aktive ETFs Eine neue Produktgattung strömt die Märkte – was aktive ETFs wirklich können. 36 Dividenden-Fonds Laufende Auszahlungen von Unternehmensgewinnen sorgen für stabile Renditen. 40 Wasserstoff Hydrogen-Aktien wurden „ausgebombt“, jetzt könnte sich ein Einstieg lohnen. Ausgabe Nr. 1/2025 inhalt Offenlegung gemäß §25 Med.G. GELD-Magazin erscheint 6x jährlich Medieneigentümer: 4profit Verlag GmbH, 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/29 B T: 0043/699/1922 0326, E: [email protected]; www.geld-magazin.at Eigentümer der Gesellschaft: Mario Franzin, Snezana Jovic; Geschäftsführer: Mario Franzin, Snezana Jovic Chefredakteur: Mario Franzin Verlagspostamt: A-1010 Wien, Fleischmarkt 19 Unternehmensgegenstand: a) Die Herausgabe von periodischen Druckwerken, insbesondere von Publikumszeitschriften im Themenbereich „Finanzmarkt“, deren Produktion als Medieninhaber und Verleger, der Verlag von Druckwerken und Büchern sowie die vertragliche Erbringung von Verlagsfunktionen gegenüber Dritten einschließlich der Gestaltung von Medien und anderen Druckwerken, deren Anzeigenverwaltung und Anzeigenakquisition, des Drucks und des Vertriebs. b) Der Buch-, Kunst- und Musikalienhandel sowie die Verwertung von Urheberrechten, Ausführungsrechten und verwandten Schutzrechten. c) Die Ausstellungsgestaltung und -verwertung, die Organisation von Veranstaltungen, die Verwertung von Verlagsrechten und jedweden Lizenzrechten, die geeignet sind, dem Geschäftsgegenstand dienlich zu sein. d) Die Beteiligung an Unternehmen jedweder Art, die geeignet sind, dem Geschäftsgegenstand dienlich zu sein, insbesondere an Verlagen und Medienunternehmen. Erklärung über die grundlegende Richtung: Unabhängige Wirtschaftszeitschrift zur Information der Leser speziell im Themenbereich „Geldanlage“. Das Copyright der Artikel liegt beim 4profit Verlag. Namentlich gezeichnete Beiträge müssen sich nicht mit der Meinung der Redaktion decken. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder kann keine Haftung übernommen werden bzw. es entfallen sämtliche Honoraransprüche. Rücksendungen erfolgen nur gegen beiliegendes Rückporto. Titel und Leads stammen in der Regel von der Redaktion. Credits: gguy/stock.adobe.com; pixabay; Archiv/beigestellt Kepler-Fondsexperte Uli Krämer sieht bei Anleihen sehr gute Chancen. Seite 26 4 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025
42 Rohstoff-Radar Erdöl: Politischer Spielball + Gold: Rücksetzer möglich + Silber: Starke Performance AKTIEN 44 Kurzmeldungen Kontron: Erwartungen getoppt + SBO: Kauf-Empfehlung + AT&S: Starke Verluste. 46 Börse Wien Trotz schwieriger Wirtschaftslage machen einige heimische Unternehmen kräftig Kohle. IMMOBILIEN 50 Kurzmeldungen CBRE: Markterholung erwartet + Park Hyatt Wien: Verkauf vorbereitet. 52 Defensive Investments Anlegerwohnungen, Bauherrenmodelle und offene Immobilienfonds im Vergleich. VERSICHERUNG & VORSORGE 54 Kurzmeldungen Unwetter: Rekordschäden + Urlaub: Die richtige Versicherung. 55 FLV-Listing Der monatliche Überblick zu fondsgebundenen Lebensversicherungen. 56 Riskante Vorsorge Wer auf lange Zeit für seine Pension anspart, sollte ein höheres Risiko in Kauf nehmen. BLOCKCHAIN 58 Kurzmeldungen Trump: Der Präsidenten-Bitcoin + USA: Umstrittene Bilanz-Regelung fällt. 74 Buchtipps Peter Seilern: Die besten Aktien der Welt + Richard Overy: Warum Krieg? ALTERNATIVE INVESTMENTS AWARD 2025 60 Die Klassenbesten Alternative Investments weisen zumeist eine geringe Korrelation zu Aktien und Anleihen auf. Als Renditebringer und zur Portfolio-Diversifikation sind solche Anlagestrategien einen Blick wert. Das GELD-Magazin zeichnet in langer Tradition auch 2025 wie jedes Jahr die besten Fonds aus. COVERSTORY Rückkehr zur Macht Donald Trump befindet sich im Machtrausch, zerbricht viel Porzellan und verärgert Verbündete. Was droht als nächstes? Seite 10 EXPERTEN-UMFRAGE Welche Investments machen 2025 das Rennen? Seite 28 Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 5
6 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 BRENNPUNKT . Kurzmeldungen Credits: beigestellt/Archiv; PNPImages & stockyme/stock.adobe.com Horoskop. In China wurde das Jahr der Schlange eingeläutet, sie symbolisiert vor allem Anpassungs- und Widerstandsfähigkeit. Und genau das kann China brauchen. Jasmine Kang, Portfoliomanagerin bei Comgest: „Das Reich der Mitte ist 2025 mit komplexen geopolitischen Spannungen mit den USA konfrontiert und richtet gleichzeitig seine Wirtschaft auf Industrialisierung und einen wieder steigenden Konsum aus.“ Die Unternehmen und die politischen Entscheidungsträger Chinas stehen dabei vor zahlreichen Herausforderungen, aber die jüngsten Nachrichten über das chinesische Tech-Start-up DeepSeek zeigen auch die Widerstandsfähigkeit des Landes und sind ein Beweis für seine Fähigkeit, Handelsschranken zu umgehen. Kang: „Wir setzen 2025 weiterhin auf vielfältige qualitativ hochwertige Wachstumschancen auf dem chinesischen Aktienmarkt.“ Genannt werden in diesem Zusammenhang einheimische Champions mit starkem Markenwert wie Anta Sports, Moutai, Midea und Li Auto. Spannend sind auch Meituan mit seinen 30-Minuten-Lieferdiensten im digitalen Handel oder Tencent Music, Chinas führende Musikstreaming-Plattform. China: Im Jahr der Schlange Ukraine - Russland. Das Wachstum in den meisten Volkswirtschaften in Mittel-, Ost- und Südosteuropa dürfte 2025 an Fahrt gewinnen. Das zeigt die neue Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Für 2025 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedern der Region ein Wachstum von durchschnittlich 2,8 Prozent. Die Aussichten für die kriegsgeplagte Ukraine trüben sich hingegen etwas ein. Für 2025 wird ein Wachstum von drei Prozent erwartet – eine Revision nach unten um 0,3 Prozentpunkte, wobei natürlich sehr viel von der Ukraine-Politik Trumps abhängen wird. Bisher habe die Ukraine eine erstaunliche ökonomische Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt. Bei Aggressor Russland dürfte sich das starke Wachstum im vergangenen Jahr (3,8 %) auf heuer nur noch 1,8 Prozent halbieren. Selbiges gilt für das autokratisch regierte Belarus unter Präsident Alexander Lukaschenko, das eng mit der russischen Kriegswirtschaft verflochten ist und 2025 nur noch um zwei Prozent zulegen dürfte, nach einem Anstieg von vier Prozent im vergangenen Jahr. Schaden für alle. Bei Donald Trump weiß man nie genau, was wirklich kommt. So hegte man mancherorts die Hoffnung, dass der „Zoll-Hammer“ doch nicht niedersausen würde. Vergebens. Scharf geschossen wird bereits gegen Mexiko und Kanada – zwei wichtige Handelspartner der USA. Das Problem, vor allem für Mexiko: dieses Land ist von der US-Wirtschaft viel stärker abhängig als umgekehrt. Die Schieflage wurde in einem anderen Fall überdeutlich: Kolumbien ist mit Zollandrohungen von 25 Prozent dazu gezwungen worden, aus den USA abgeschobene „Illegale“ anzunehmen. Nun setzt Trump mit Zöllen in Höhe von 25 Prozent auf Stahl und Aluminium nach, davon ist auch die EU betroffen. Hier will man mit Gegenzöllen auf US-Klassiker wie Jeans, Motorräder, Erdnussbutter oder Whiskey reagieren. Den Katzenjammer hat aber die ganze Welt: Durch den Konflikt wird der Welthandel negativ beeinträchtigt und die Inflation steigt. Zölle: Bitte zahlen Chancen für Value. Nach dem Auftauchen der chinesischen KI-Innovation DeepSeek könnte die Dominanz der sogenannten „Magnificent Seven“ schwinden und die Marktbreite wieder zunehmen. In einer solchen Transformations-Phase würden Value-Aktien überdurchschnittliche Erträge abwerfen, meint John Goetz, Global CIO bei Pzena: „Eines lässt sich jetzt schon festhalten: Die größten Aktien am Markt müssen gar nicht unbedingt an Gewicht verlieren – das Gewicht darf nur nicht weiter steigen. Sobald die Marktkonzentration kaum mehr zunimmt, haben Value-Strategien in der Vergangenheit den breiten Markt um 460 Basispunkte und teure Aktien um 370 Basispunkte übertroffen.“ DeepSeek: Nach dem Schock John Goetz, Global Chief Investment Officer bei Pzena DIE ZAHL DES MONATS 3 Prozent
Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 7 Geschäftsoptimismus Im Korrekturmodus Zurückhaltend. Der Geschäftsoptimismus ist auf Korrekturkurs, so der Global Business Optimism Index von Dun & Bradstreet. Die Benchmark ist in allen 32 untersuchten Ländern gesunken. In 26 davon sind die Exportaufträge zurückgegangen. Hauptgründe für den verringerten Optimismus sind wachsende Bedenken über eine schwächelnde Wirtschaft, steigende geopolitische Spannungen und Unsicherheiten in der Handelspolitik. Die Unternehmen zeigen sich skeptischer gegenüber der Lieferkettenstabilität und halten sich bei Investitionen zurück. Die angekündigten politischen Änderungen der neuen US-Administration verstärken diese Zurückhaltung. Der Trend deutet jedoch eher auf eine Korrektur des zuvor erhöhten Optimismus hin als auf eine Verschlechterung der Aussichten. Hürden. 2024 war nicht das beste Jahr für ESG-Investments. Regulatorischer Frust ging einher mit zunehmenden geopolitischen Spannungen. Ophélie Mortier von DPAM hält es angesichts widersprüchlicher Konjunktursignale für schwierig, die Entwicklung nachhaltiger Fonds vorherzusagen: „In Europa erwarten wir einen Wendepunkt in der Umwelt- und Sozialpolitik, bei dem Wettbewerb, Vereinfachung und grünes Wachstum Vorrang haben werden. Die USA kehren zurück zur Klimaskepsis und mehr Ölförderung. Für Schwellenländer bleibt die Nachhaltigkeitsagenda jedoch wichtig. In diesem besonders unsicheren und volatilen Umfeld wird es wichtiger denn je, sich auf die Wesentlichkeit von ESG-Themen zu konzentrieren und weiterhin eine nachhaltige Performance anzustreben.“ Nachhaltigkeit: Gewisser Gegenwind Ophélie Mortier, Chief Sustainable Investment Officer von DPAM Durchstarter? Bald entscheide sich, ob die Mobilitätsrevolution gelingt oder nicht, glaubt Adrian Daniel, Portfoliomanager bei MainFirst. Denn einige Durchbrüche beim autonomen Fahren seien beeindruckend, doch die Umsetzung in den Alltag stehe laut dem Anlageexperten sowohl technisch als auch gesellschaftlich und politisch noch vor einigen Hürden. Nicht alle Entwicklungen verlaufen nach Plan, so hat jüngst General Motors angekündigt, sich mit der Tochterfirma Cruise aus der Entwicklung von Robotaxis zurückzuziehen. Wobei die Anbieter unterschiedliche Strategien verfolgen: Tesla setzt beim autonomen Fahren ausschließlich auf kamerabasierte Systeme. Anders ist das bei Zoox, einem Tochterunternehmen von Amazon. Zoox verwendet eine Kombination aus Sensorik und Künstlicher Intelligenz, um eine bidirektionale Bewegung und maximale Flexibilität in urbanen Gebieten zu ermöglichen. Waymo nutzt eine Kombination aus Kameras, LaserSensorik (Light Detection and Ranging, LiDAR) und Radar für eine umfassende und redundante Wahrnehmung der Umgebung. Auch andere Konzerne setzen auf kombinierte Techniken: So integriert Volkswagen sowohl LiDAR- als auch kamerabasierte Systeme in seine autonomen Fahrzeuge. Welche Wege wann zum Ziel führen, muss sich erst erweisen. Autonomes Fahren: Rück- und Fortschritte Aufwärtsdruck. Die Konjunktur in den USA, aber auch in Europa, wird derzeit noch durch hohe Staatsausgaben und starke Konsumentennachfrage getrieben. Die weltweite Liquidität und die heftig steigende Staatsverschuldung geben laut Beat Thoma, Chief Investment Officer bei Fisch Asset Management, Anlass zur Sorge. Er meint, dass für die Notenbanken das Umfeld deutlich schwieriger werde: „Der Aufwärtsdruck bei den langfristigen Renditen und der Inflation müsste mit einer restriktiveren Geldpolitik bekämpft werden. Dies würde aber die Konjunktur abwürgen. Andererseits würden Staatsanleihenkäufe (QE; Quantitative Easing) zur Dämpfung der langfristigen Zinsen die Inflation weiter anheizen. Der aktuell noch intakte Aufwärtstrend der Aktienmärkte wirkt zusätzlich inflations- und zinstreibend.“ Deshalb fährt Fisch Asset Management in den Portfolios aktuell eine neutrale Bandbreite in der Duration. Inflation: Gefürchtetes Comeback Beat Thoma, CIO bei Fisch Asset Management
Österreich im Spagat Zumindest kurzfristig sollte neben Sparmaßnahmen auf der Ausgabenseite auch auf die Einnahmen geachtet werden, es komme auf die Ausgewogenheit des „Pakets“ an, meint die renommierte Ökonomin des WIFO. Die Erbschaftssteuer ist für sie kein Tabu. Wie sehen die WIFO-Prognosen für 2025 für Österreich aus – bezogen auf die BIPEntwicklung und das intensiv debattierte staatliche Defizit? Das WIFO erwartet für 2025 ein nur leichtes Wachstum des BIP um gut ein halbes Prozent, nachdem in den beiden Vorjahren die Wirtschaftsleistung jeweils um etwa ein Prozent zurückgegangen ist. Das Budgetdefizit dürfte heuer ebenso wie im kommenden Jahr über vier Prozent liegen: Das gilt, wenn keine Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen werden. Österreich hatte bekanntlich mit einer Rezession zu kämpfen, wie sinnvoll sind in dieser Situation Sparmaßnahmen? Österreich muss einen Spagat bewältigen: Einerseits ist die Ausgangslage für eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in dieser Situation schwierig, weil die Gefahr besteht, die schwächelnde Konjunktur weiter zu belasten. Umgekehrt sind Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich, um die europäischen Fiskalregeln, die eine Rückführung der Staatsverschuldung vorgeben, einhalten zu können. Zudem könnte ein weiterer Anstieg der Schulden mit höheren Zinsen für die Staatsschuld einhergehen. Besteht nicht die Gefahr, dass die ohnehin schwächelnde heimische Konjunktur durch einen zu rigiden Sparkurs abgewürgt wird? Wenn das Budgetdefizit 2025 auf unter drei Prozent des BIP gesenkt wird, um ein Defizitverfahren zu vermeiden, würde das die schwache Konjunkturerholung bremsen. Statt eines mäßigen Wachstums könnte Österreich dann im dritten Jahr eine Rezession erfahren. Wie sehr die geplante BudgetDie Situation ist nicht einfach: Einerseits muss das Budget konsolidiert werden, andererseits zeigt sich die Konjunktur schwach. Hier ist es wichtig, die Balance zu halten, sagt Margit Schratzenstaller. HARALD KOLERUS Credit: beigestellt/Archiv Schratzenstaller hält neben der Budgetkonsolidierung auch ein „Offensivpaket“ für notwendig. 8 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 INTERVIEW . Margit Schratzenstaller, WIFO
ZUR PERSON Dr. Margit Schratzenstaller ist Ökonomin (Senior Economist) und arbeitet seit 2003 in der Forschungsgruppe „Makroökonomie und öffentliche Finanzen“ des WIFO. Sie war Stellvertretende Leiterin 2006/2008 sowie 2015/2019. Schratzenstaller ist Mitglied im Österreichischen Fiskalrat, Vorstandsmitglied der ÖGfE (Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik), Mitglied des Advisory Boards Wissenschaft (ABW) des Wiener Klimarates und des KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung). Sie untersucht unter anderem die Themen Steuer- und Budgetpolitik, Steuerwettbewerb, Fiskalföderalismus, Familienpolitik und Gender Budgeting. konsolidierung die Konjunktur belastet, hängt erstens von den konkreten Maßnahmen ab: Breite Kürzungen von Sozialleistungen oder die Erhöhung von Massensteuern, die wie etwa die Lohnsteuer, die Umsatzsteuer oder Sozialbeiträge untere und mittlere Einkommen relativ stark belasten, würden sich besonders negativ auf die Konjunktur auswirken. Zweitens sollten die Konsolidierungsmaßnahmen in ein Offensivpaket eingebettet werden, das Investitionen und Beschäftigung stärkt. Wie sehen Ihre Vorschläge für eine ausgewogene Budgetkonsolidierung aus? Viele Ökonomen meinen, dass sie rein ausgabenseitig nicht funktionieren wird. Kurzfristig sollte ein ausgewogenes ausgaben- und einnahmenseitiges Paket geschnürt werden. Um zu vermeiden, dass die zarte Konjunkturerholung durch umfangreiche Ausgabenkürzungen stark gedämpft wird, und um die Akzeptanz des Gesamtpakets zu erhöhen, sind ergänzende Steuererhöhungen angeraten. Sie sollten auch strukturell sinnvoll sein – beispielsweise Abbau klimaschädlicher Steuerausnahmen – und nur vorübergehend sein: Nach erfolgter Konsolidierung sollte die Abgabenquote wieder gesenkt werden, indem Abgaben auf Arbeit reduziert werden. Vermögenssteuern sind politisch heiß umstritten – in welchem Ausmaß und in welchen Bereichen wären sie hierzulande sinnvoll? In Österreich sollte erstens die Grundsteuer gestärkt werden. Da die Einheitswerte, auf deren Basis die Steuer berechnet wird, seit Jahrzehnten nicht mehr angepasst worden sind, wird die Kluft zwischen tatsächlichen und Einheitswerten laufend größer. Würde die Grundsteuer erhöht, würde dies die finanzielle Autonomie der Gemeinden stärken. Je nach Ausgestaltung einer Grundsteuerreform könnte eine höhere Grundsteuer auch zu einer Eindämmung des hohen Bodenverbrauchs beitragen. Zweitens könnte im Rahmen einer Gesamtabgabenreform die Erbschaftssteuer wieder eingeführt werden, die in der Mehrheit der EULänder erhoben wird. Vermögensbezogene Steuern sollten aber aufkommensneutral erhöht werden, mit den zusätzlichen Einnahmen sollten also die hohen Abgaben auf Arbeit gesenkt werden. Wenn wir nicht nur auf die nächsten paar Jahre blicken, welche Strukturreformen wären in Österreich notwendig? Gleichzeitig mit den kurzfristigen Konsolidierungsmaßnahmen müssen Strukturreformen im öffentlichen Sektor eingeleitet werden: Eine Föderalismusreform, die Reform von Fördersystem und Gesundheitswesen, sowie eine Pensionsreform. Diese Maßnahmen sind dringend notwendig, um die hohe Verschuldung zurückzuführen und um die langfristig steigenden demografiebedingten Ausgaben bewältigen zu können. Abschließend: Was halten Sie von der Meinung, dass das „Maastricht-Korsett“ zu eng gestrickt und ziemlich willkürlich festgesetzt sei? Regeln zur Begrenzung der Verschuldung in den EU-Ländern sind grundsätzlich sinnvoll. Mit der Reform 2024 wurden die Fiskalregeln flexibler gemacht. Länderspezifische Umstände werden besser berücksichtigt – und Länder, die Investitionen und Reformen umsetzen, bekommen mehr Zeit für die Konsolidierung. Aber natürlich muss bei der Umsetzung der Regeln nun darauf geachtet werden, dass die Konjunktur und die dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen, etwa in den Klimaschutz, möglichst wenig beeinträchtigt werden. www.wifo.ac.at Im Rahmen einer Gesamtabgabenreform könnte die Erbschaftssteuer wieder eingeführt werden. Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 9
Bereits ältere Zitate von Donald Trump sind verstörend genug. Zu einem skurrilen Klassiker hat sich etwa folgendes entwickelt: „Ich könnte jemanden mitten auf der 5th Avenue in New York erschießen und die Leute würden mich trotzdem wählen.“ Ermordet hat der frischgebackene Präsident niemanden – wiedergewählt wurde er jedenfalls. Dafür schießt er jetzt politisch wild drauf los, getroffen werden Freund und Feind. Kanada, Panama: wunderbar Kanada würde sich eigentlich gut als 51ter Staat der USA machen, meint Trump verschmitzt. Die Kanadier sehen das anders: Laut einer Umfrage des Instituts Angus Reid lehnen 90 Prozent der Bevölkerung dieses Ansinnen ab. Eine weitere – sehr ernst gemeinte – Idee Trumps sorgt bei den Betroffenen für Schockstarre. Der Panama-Kanal sollte wieder in US-amerikanische Hände gelegt werden, denn die Durchfahrtsgebühren dort seien „unfair und lächerlich hoch“. Da spielt es keine Rolle, dass die (tatsächlich von den USA 1914 fertiggestellte) 82 Kilometer lange Wasserstraße im Jahr 1999 an den Staat Panama übergeben wurde. Die Verträge dazu hatte übrigens bereits 1977 der mittlerweile verstorbene Jimmy Carter ausgehandelt. Make Grönland Great Again Aber der frischgebackene Präsident streckt seine „langen und schönen Finger“ (Copyright Donald Trump) noch viel weiter – bis nach Grönland. Denn es gäbe keine Nachweise, dass das autonome Gebiet zu Dänemark gehöre – und wenn doch, seien diese irgendwie unwahr. Hier schlägt wieder einmal die Trump-Logik zu – was nicht ins Konzept passt, ist ein Fake. Wobei er weiters behauptet, die Grönländer seien „nicht glücklich mit Dänemark“ und würden lieber ein Teil der USA sein. Die Realität sieht anders aus: 85 Prozent wären mit einem Beitritt zu den Vereinigten Staaten nicht einverstanden, das ergab eine repräsentative Umfrage der Zeitschriften „Berlingske“ (Dänemark) und „Sermitsiaq“ (Grönland). Ein weiteres – diesmal völkerrechtliches – Faktum: Die rohstoffreiche Insel wurde im 18. Jahrhundert zur dänischen Kolonie und ist seit 1953 Teil Dänemarks mit starker Autonomie. Aber das alles zählt nicht, wobei Trump sowohl im Falle Grönlands als auch Panamas eine militärische Option nicht ausgeschlossen hat. Das sitzt – Trump zeigt sich im Infight-Modus. Aber wie weit ist er tatsächlich bereit zu gehen? Dass er dem NATOMitglied Dänemark mit einer „militärischen Spezialoperation“ zu Leibe rückt, erscheint BRENNPUNKT . USA Fight, Fight, Fight Donald Trump hat praktisch der gesamten „restlichen Welt“ den Handelskrieg erklärt. Er verprellt damit Partner wie Gegner gleichermaßen. Ob das für die Vereinigten Staaten selbst gutgeht, darf bezweifelt werden. HARALD KOLERUS Credits: Archiv; PixelGallery/stock.adobe.com 10 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 Die Quote von Ausländern am US-Arbeitsmarkt ist auf knapp vier Prozent angestiegen. In Wirklichkeit ist man auf sie angewiesen. Anteil von Ausländern am US-Arbeitsmarkt in Prozent Quellen: DWS, UNCTAD, Morgan Stanley in USA geboren im Ausland geboren -6% 2021 2022 2023 ´24 -4% 2% 4% 6% 2020 -2% 0% Zivile Arbeiterschaft, 16+ Jahre (Veränderung seit 02/2020)
Die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten ist stärker binnenorientiert als in der Europäischen Union. Deshalb treffen höhere Zölle Europa stärker als die USA. Ob es beim Spiel aufgezogener Handelsschranken aber wirkliche Gewinner gibt, ist mehr als fraglich. sogar für Trumps Verhältnisse zu absurd. Allerdings: Wenn seinen Drohungen nie Taten folgen, verpuffen all diese Gebärden auf kurz oder lang. Hoffen wir das Beste. Auch bezüglich der Ambitionen Trumps in Sachen Gazastreifen, die nicht ganz durchdacht erscheinen – um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken. Kampf gegen Illegale Ernst macht der 45. und 47. Präsident der USA jedenfalls bereits in Sachen Immigration. Besser gesagt: Remigration. Versprochen wird die „größte Massenabschiebung der Geschichte“. Und wirklich wurden medienwirksam gleich nach der Amtseinführung etliche „Illegale“ via Flugzeug über die Grenze transportiert. Goodbye, American Dream. Wobei Trumps Vorgänger auch nicht gerade zimperlich waren: 2023 wurden unter Joe Biden mehr als 142.000 Einwanderer abgeschoben, eine Zunahme von 97,5 Prozent gegenüber 2022. Zum Vergleich: 185.000 Abschiebungen waren es im letzten Jahr der vergangenen Trump-Regierung. Wenig bekannt ist, dass während Barack Obamas Amtszeit mehr als 2,4 Millionen Menschen das Land unfreiwillig verlassen mussten (laut Heinrich Böll Stiftung). Obama musste sich daraufhin spöttisch als „Deporter in Chief“ bezeichnen lassen. Trump wird sich schon anstrengen müssen, um diesen zweifelhaften Rekord zu brechen, wahrscheinlich wird er etwas zurückrudern, weil die Illegalen günstige Arbeitskräfte stellen, die nicht mit einem Federstrich so einfach ersetzt werden können. Lieblingswort: Zölle Außenpolitisch setzt Trump wiederum polternd auf eine Erhöhung der Zölle. Der Schuss könnte allerdings nach hinten losgehen. In einer Analyse des WIFO heißt es dazu: „Die von der Trump-Regierung verhängten neuen Handelszölle gegen China, Kanada und Mexiko führen zu signifikanten wirtschaftlichen Belastungen in Nordamerika und globalen Wachstumsdämpfern. Simulationen zeigen, dass die kurzfristigen Auswirkungen dieser Maßnahmen insbesondere Mexiko und Kanada hart treffen, aber auch die Wirtschaft der USA spürbar belasten.“ Die nicht gerade erfreulichen Zahlen: Den Berechnungen zufolge wird Mexiko mit einem Rückgang des realen BIP von 4,6 Prozent am stärksten betroffen sein, aber auch Kanada verzeichnet mit minus 2,97 Prozent deutliche Einbußen. Die USA selbst erleben einen signifikanten Rückgang von 0,45 Prozent, da höhere Importkosten die Produktion verteuern und Konsumentenpreise anfeuern. Das entspricht einem Verlust von immerhin rund 131 Milliarden Dollar – so viel wie das BIP der Slowakei. Weltweit könnte das Produktionsniveau um 0,24 Prozent sinken. Steven Bell, Ökonom bei Im falschen Film Gedankensammlung für ein apokalyptisches B-Movie: Ein notorischer Lügner wird zum mächtigsten Mann der Welt gewählt; er begnadigt einen Lynch-Mob, der die Wiege der US-Demokratie kurz und klein schlagen wollte; er stellt Gebietsansprüche, wo er will (beispielsweise in Kanada, Grönland und Panama); er droht mit den größten Massenabschiebungen aller Zeiten; er stellt internationale Organisationen wie die NATO und somit die Weltordnung in Frage. Letztlich zettelt unser Antiheld einen Handelskrieg an, der die Wirtschaft rund um den Globus ins Schlingern bringt. Happy End? Dieser Plot würde zurecht von jedem Regisseur abgelehnt werden – zu unrealistisch, wer soll so etwas abkaufen? Aber weil der „Drehbuchautor“ Donald Trump heißt, ist die Weltöffentlichkeit gezwungen, live zuzusehen, wobei das alles nicht auf ein Happy End hinauszulaufen droht. So zündelt Trump auch immer wieder mit der Möglichkeit seiner „dritten Amtszeit“. Die Verfassung der USA und sogenannte Checks and Balances sollten das verhindern. Oder auch nicht. Denn Trump versucht gerade, diese Institutionen sturmreif zu schießen. Wie das ausgeht? Spannung ist angesagt. Dennoch würde man gerne den Kinosaal fluchtartig verlassen. [email protected] KOMMENTAR Harald Kolerus, leitender Redakteur, GELD-Magazin Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 11 Exporte sind für Europa wichtiger als für die USA Quellen: Bloomberg, DWS Export von Gütern und Dienstleistungen (in % des BIP) Europäische Union USA 2002 2003 2004 2005 2006 2008 2007 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2017 2016 2018 2019 2020 2022 2021 2023 10% 20% 30% 40% 50% 0% 60%
„Europa befindet sich in einer schlechten Position.“ Kenneth Rogoff, ehemals Chefökonom des Internationalen Währungsfonds 12 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 Columbia Threadneedle, fasst es wie folgt zusammen: „Es droht ein möglicher Handelskrieg, der die etablierte Weltordnung auf den Kopf stellen dürfte. Es wird Gewinner und Verlierer geben, aber wie bei allen Handelskonflikten kommt es zu großen wirtschaftlichen Verlusten.“ Europas heikler Weg Über Zollpolitik, Immigration und die wirtschaftliche Entwicklung unter Trump sprach das GELD-Magazin auch mit Kenneth Rogoff, dem ehemaligen Chefökonom des Internationalen Währungsfonds. Diese exklusive Möglichkeit ergab sich auf der Investorenkonferenz „Wall Street Gambit“ in New York. Rogoff meint: „In Wirklichkeit werden die USA am stärksten von hohen Zolltarifen betroffen sein, sie werden als Verlierer dieses Wettkampfs hervorgehen. Zu Abschiebungen und Immigration: Letztere war eigentlich immer ein großes Asset der Vereinigten Staaten, sowie, dass Immigration von der US-Bevölkerung früher akzeptiert worden ist.“ Auf die Zukunft Europas während Trumps Amtszeit angesprochen, sagt er: „Europa befindet sich in einer schlechten Position, die Wirtschaft ist schwach, vor allem wenn man auf Deutschland und Frankreich schaut. In einem Handelskrieg wird Europa einen Weg finden müssen, um mithalten zu können.“ In einer „schrecklichen Situation“ befinde sich der „Alte Kontinent“ in militär-strategischer Hinsicht: „Europa kann sich nicht selbst verteidigen. Hier sollten Bemühungen erfolgen, eine effiziente Verteidigung aufzubauen, und unter den einzelnen Staaten zu koordinieren.“ Überhaupt sei mehr Einheit gefragt: „Ich denke hier an eine europäische Kapitalmarktunion mit der gezielten Koordination der Gesetzgebung für Banken“, so Rogoff. Beim Wall Street Gambit hatte das GELDMagazin auch die Möglichkeit, mit Timur Turlov, CEO der Freedom Holding (sie trat als Sponsor der Veranstaltung auf) zu sprechen. Der Experte: „Die Amtszeit Trumps wird definitiv mehr Volatilität bringen, die wir in mehreren Wellen sehen werden.“ Das gesamte Interview mit ihm findet sich auf der rechten Seite. Sicher ist die Unsicherheit Fazit: Trump bleibt unberechenbar. Das macht es, auch für die Börse, schwer, die Situation langfristig einzuschätzen. Zumindest erscheint es sehr unrealistisch, dass er die von Biden initiierten Konjunkturprogramme abwürgen wird – zu wichtig sind sie für die US-Wirtschaft. Ansonsten gilt: Nichts ist fix. Keine sehr beruhigende Situation – auch für Investoren. US-Industrie: Neuer Bauboom Die Bauinvestitionen in Fabriken sind in den USA in den vergangenen rund vier Jahren massiv angestiegen. Verantwortlich dafür zeichnen vor allem CHIPs Act und Inflation Reduction Act (IRA). Es ist kaum vorstellbar, dass Trump diese riesigen Investitionsprogramme völlig stoppen wird. Das Zugpferd Die Experten von Pictet prognostizieren für 2025 ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent in den USA. Die US-Wirtschaft könnte zwar an Dynamik verlieren, sie bleibt aber robust. Das ist die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Ökonomen. So wie die von Jack Janasiewicz, Portfoliomanager bei Natixis: „Ja, das Wachstum der amerikanischen Wirtschaft wird sich verlangsamen – aber von einem überdurchschnittlichen Niveau ausgehend. Dies schafft Puffer für eine sanfte Landung.“ Die Inflation wird sich voraussichtlich weiter dem Zwei-Prozent-Ziel annähern, während die Fed im Verlauf des Jahres 2025 mehrere Zinssenkungen vornehmen dürfte und damit mehr, als der Markt laut dem Experten aktuell einpreist: „Der Schlüssel bleibt der Arbeitsmarkt und der bestätigt aktuell unser Basisszenario: Die US-Wirtschaft bleibt robust und weiterhin das Zugpferd unter den entwickelten Volkswirtschaften.“ Quellen: DWS US Census U.S. gewerbliche Bauausgaben – Produzierendes Gewerbe, in Mrd. USD Credit: H. Kolerus BRENNPUNKT . USA 2024 50 100 150 200 0 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 2022 2023 IRA + CHIPs Act
Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 13 Investments und Wirtschaft: Kein Schachmatt an der Börse Timur Turlov zieht Parallelen zwischen dem „königlichen Spiel“ Schach und der weiten Finanzwelt. Es geht in beiden Fällen sehr wesentlich darum, viele Züge vorauszudenken. Ihr Unternehmen tritt als Sponsor des Weltschachverbandes FIDE auf, was können Investoren von dem Spiel lernen? Beim Schach geht es darum: Denke genau nach, bevor du dich bewegst. Was wird passieren, wenn die nächsten Züge folgen? So ist es auch bei Investments: Wie soll ich reagieren, sollten zum Beispiel die Aktienmärkte fallen, welche anderen Möglichkeiten gibt es für Anlageschritte, welche alternativen Asset-Klassen stehen zur Verfügung usw. Weiters gilt für Schach wie für Investments: Lerne von den „Großmeistern“, den großen Spielern, studiere deren Eröffnungen, bevor du deine eigene Strategie entwickelst. Das führt auch zu den Folgerungen: Investiere nicht in Asset-Klassen, die du nicht verstehst, beachte hingegen Anlageklassen mit historisch überdurchschnittlich positiver Performance. Sind gute Schachspieler die besseren Investoren? Das kann man pauschal natürlich nicht so bejahen. Ich bin aber der Meinung, dass Schachspielen dabei hilft, einen größeren Erfolg bei Investments zu haben und Risiken anhand der Analyse historischer Daten besser einschätzen zu können. Viele unserer Kunden spielen Schach, so wie übrigens auch rund 20 Prozent der US-Bevölkerung. Schach trainiert logisches Denken und unterstützt dabei, in einer sich schnell verändernden Welt die Konzentration aufrecht zu erhalten. Konzentration ist entscheidend, um im Schach – und nicht nur dort – zu gewinnen. Welche „Eröffnungszüge“ sind Investoren ans Herz zu legen? Eine Grundvoraussetzung lautet: Bleibe diversifiziert. Versuche außerdem, die Rationalität deiner Züge, also Anlageentscheidungen, zu verstehen. Ein Beispiel: Geht ein ETF, in den ich investiert bin, um zehn Prozent runter – was soll ich dann tun? Man muss sich dann die Frage stellen, warum ich das Produkt erworben habe. Stimmt das Kauf-Argument noch, könnte das eine Gelegenheit bieten, nochmals günstiger einzusteigen? Jetzt ist mit Donald Trump ein wichtiger Player zurückgekehrt. Mit welcher Auswirkung? Auch die Möglichkeiten Trumps für einen einschneidenden politischen und wirtschaftlichen Wandel sind begrenzt, auch er muss den Verhandlungsweg suchen. Die Amtszeit Trumps wird aber definitiv mehr Volatilität bringen, die wir in mehreren Wellen sehen werden. Was wird uns 2025 noch begleiten? Ein Thema ist auch, dass die Ausgaben vieler Staaten hoch sind, dazu werden wir noch viele Diskussionen sehen. Allgemein gesagt, leben wir in politisch und wirtschaftlich äußerst interessanten Zeiten, wobei auch 2025 wichtige Megatrends fortgesetzt werden. Wobei ich auch meine, dass viele Menschen zu hohe Erwartungen an 2025 stellen. Die Welt wird komplexer – und das sehr schnell. Wir können die Entwicklungen nicht bis zum Schluss durchkalkulieren, eine weitere Parallele zum Schach. Wie andere Sportarten auch, hilft uns Schach dabei, eine gewisse Resilienz gegenüber Stress aufzubauen und Verluste zu akzeptieren. Auch Weltmeister verlieren von Zeit zu Zeit. Ein Megatrend an der Börse ist die Vorherrschaft der „Glorreichen Sieben“, wird sich daran etwas Entscheidendes ändern? Die „Glorreichen Sieben“ haben die Konzentration der Geschäfts- und Finanzwelt auf sich gezogen. Ich meine zurecht, denn das Business dieser Tech-Giganten performt besser als der Durchschnitt, frei nach dem Motto: The Winner Takes It All. Die Stellung der „Glorreichen Sieben“ wird sich nicht schnell dramatisch ändern. Abschließend: Wie sind Sie zum Schachspielen gekommen? Meine Kinder haben mich zum Schach gebracht, gegen sie konnte ich schon bald nicht mehr gewinnen. www.freedomholdingcorp.com Timur Turlov, CEO der Freedom Holding Corp. INTERVIEW . Timur Turlov, Freedom Holding Corp. EINSCHALTUNG – FOTO: beigestellt
14 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 Die Weltführer in Wirtschaft und Politik trafen im kleinen Schweizer Luftkurort zusammen und standen dann doch im Schatten eines Mannes, der lediglich per Videoschaltung dabei war. Der US-Präsident Donald Trump verlangte in seiner Videobotschaft von der OPEC geringere Ölpreise und eine weltweite Zinssenkung. Weiters scheute er nicht davor zurück, die Weltgemeinde auf diesem Weg vor neuen Zöllen zu warnen, falls sie ihre Produkte woanders herstellen als in den USA. Wolodymyr Selenskyj sprach in Davos davon, dass alle Augen auf Washington gerichtet seien und warnte davor, dass Europa an Priorität in der Weltpolitik einbüßen könnte. Larry Fink, CEO von Blackrock, meinte, dass der Pessimismus gegenüber Europa übertrieben sei und meinte mit einem Augenzwinkern: „Ich glaube, es ist wahrscheinlich an der Zeit, wieder in Europa zu investieren.“ Er sieht das Fundament der Stärke der USA im amerikanischen Kapitalmarkt. Jeder große oder kleine Unternehmer kann in den USA Kapital finden. Diese Möglichkeiten erlauben mehr Entrepreneurship und Kreativität. Er fordert daher auch für Europa eine Kapitalmarkt- und eine Bankenunion. Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach sich für die Einführung von Eurobonds aus, vor allem, um europäische Verteidigungsbedürfnisse zu finanzieren. Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, betonte: „Wir müssen die Talente und die Ersparnisse in Europa halten.“ Sie bezeichnete die globalen Herausforderungen, denen Europa gegenübersteht, mit dem Beginn der neuen Präsidentschaft von Donald Trump als „eine existenzielle Bedrohung“. David Rubinstein, Mitbegründer der Private-Equity-Gesellschaft Carlyle Group, hob die Bedeutung der Beendigung bestehender Konflikte hervor. Er betonte: „Es gibt keine Grenzen für das, was die Menschheit erreichen kann, wenn sie friedlich zusammenarbeitet.“ Wettlauf nach unten Trumps Auftritt war jedenfalls wie ein sichtbar gewordener Schrecken, der die größten Gefahren der Zeit personifiziert. Da wäre die Fragmentierung der Wirtschaftsblöcke. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte die Notwendigkeit globaler Zusammenarbeit, um einen „Wettlauf nach unten“ zu vermeiden. Von der Leyen sprach von einem „rauen geostrategischen Wettbewerb“ und der Bedeutung von Partnerschaften mit Ländern wie Indien und Lateinamerika. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hielt ein Plädoyer für den freien und fairen Welthandel als Grundlage für Wohlstand und Düstere Welt Das World Economic Forum in Davos stand unter dem Motto „Zusammenarbeit für das intelligente Zeitalter“. Militärische Konflikte und die Gefahr der Fragmentierung der Wirtschaft durch Handelskriege standen im Zentrum der Diskussionen. CHRISTIAN SEC Credits: World Economic Forum „Bei friedlicher Kooperation gibt es keine Grenzen für die Menschheit.“ David Rubinstein, Private Equity Investor und Gründer der Carlyle Group Aktuelle globale Risikolandschaft Der Global Risks Report 2025 des WEF präsentiert die Ergebnisse einer Umfrage unter über 900 Experten. Staatlich geführte bewaffnete Konflikte werden nun von 23 Prozent der Befragten als größtes aktuelles Risiko (für 2025) eingestuft. Fehl- und Desinformation in der kurzfristigen Betrachtung auf Rang 4 führt das Ranking der größten Risiken bis 2027 an. Quelle: World Economic Forum, Global Risks Perception Survey 2024-2025 0 5 10 15 20 25 5% Wirtschaftsabschwung Gesellschaftliche Polarisierung 6% Fehl- und Desinformation 7% Geoökonomische Konfrontation 8% Extreme Wetterereignisse 14% Bewaffneter Konflikt 23% BRENNPUNKT . World Economic Forum
Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 15 In Davos trafen wie alljährlich die führenden Köpfe der Wirtschaft und der Politik zusammen, um über die Konsequenzen der politischen und technologischen globalen Entwicklungen zu diskutieren. kündigte an, diesen gemeinsam mit internationalen Partnern verteidigen zu wollen. Im Bezug auf die transatlantischen Beziehungen betonte er, einen kühlen Kopf zu bewahren, und plädierte angesichts vieler Unsicherheiten, die starke Allianz zwischen Deutschland und den USA aufrechtzuerhalten, die er als entscheidend für globalen Frieden, Sicherheit und wirtschaftliches Wachstum ansieht. Abschließend rief Scholz dazu auf, die Globalisierung neu zu gestalten und die multipolare Welt durch verstärkte multilaterale Zusammenarbeit zu ordnen. Er warnte vor einer zunehmenden Abschottung von Volkswirtschaften und bezeichnete eine Deglobalisierung letztendlich als „Holzweg“. Verantwortliche Unternehmen Eine zweite große Gefahr, die durch die neue US-Präsidentschaft nochmals neu entfacht wird, sprach der UN-Generalsekretär António Guterres an. Er bezeichnete die weltweite Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen als „Frankenstein-Monster“ und betonte die dringende Notwendigkeit, diese Sucht zu beenden. Er warnte vor katastrophalen Folgen wie steigenden Meeresspiegeln, Hitzewellen und anderen extremen Wetterereignissen, falls der aktuelle Kurs beibehalten wird. Zudem kritisierte er große Banken und die fossile Brennstoffindustrie dafür, auf der „falschen Seite der Geschichte“ zu stehen, und forderte einen verstärkten Einsatz für erneuerbare Energien. Der Präsident von Singapur, Tharman Shanmugaratnam, betonte die Dringlichkeit zusätzlicher Investitionen zum Schutz der Umwelt und schlug vor, Biodiversitätskredite mit etablierten Kohlenstoffmärkten zu verknüpfen, um Unternehmen für ihre Auswirkungen auf Wasser und Biodiversität verantwortlich zu machen. Superintelligente KI Einen großen Raum in Davos nahm auch das Thema KI ein. Kristalina Georgieva, Geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), hob das Potenzial von KI hervor, das globale Wachstum um 0,8 Prozentpunkte zu steigern. Sie betonte jedoch, dass es erhebliche Unterschiede in der Bereitschaft der Länder gebe, KI zu übernehmen, und dass die Vorteile von KI breit geteilt werden sollten, um das weltweite Wohl zu verbessern. Aber den Chancen stehen auch wesentliche Gefahren gegenüber. Kevin Weil, Chief Product Officer von OpenAI, sprach über die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz (KI). Er betonte, dass die Forschung in diesem Bereich so schnell voranschreitet, dass eine künstliche Superintelligenz, die in allen Bereichen der menschlichen Intelligenz überlegen ist, möglicherweise bereits vor 2027 Realität werden könnte. Diese Einschätzung unterstreicht die Notwendigkeit, dass Gesellschaften sich auf tiefgreifende Veränderungen vorbereiten müssen. Yoshua Bengio, einer der führenden Köpfe der „Es gibt keine anderen Volkswirtschaften in der Welt, die so eng miteinander verflochten sind wie die USA und Europa.“ Ursula von der Leyen, EU-Kommissionspräsidentin
16 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2025 „Die Allianz zwischen Deutschland und den USA ist entscheidend für den globalen Frieden, Sicherheit und Wachstum.“ Olaf Scholz, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland KI-Forschung, zeichnete ein lebendiges Bild der aktuellen Entwicklung moderner KISysteme. Nachdrücklich wies er auf deren wachsende Eigenständigkeit hin. Besonders besorgniserregend sei die Tatsache, dass diese Systeme nun versuchen, sich selbst zu replizieren. Bengio warnte davor, dass die Folgen dieser Dynamik schwerwiegend sein könnten, wenn es nicht gelingt, die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und zu kontrollieren. Diese Entwicklungen, so führte er weiter aus, seien eine direkte Folge davon, dass Systeme menschliches Verhalten nachahmen und zunehmend als eigenständige Akteure agieren. Dämonische Inflation Für die globale Wirtschaft prognostizierte Kristalina Georgieva ein fortgesetztes Sinken der Inflation. Sie wies darauf hin, dass die Bekämpfung der Inflation bemerkenswerte Fortschritte gemacht habe, ohne eine Rezession zu verursachen. Dennoch sei die Aufgabe noch nicht vollständig erledigt. Sie verglich die aktuelle Situation mit einem Dämon, dessen Kopf und Körper im Flaschenhals steckten, während die Beine noch herausragten, was darauf hindeutet, dass einige Aspekte der Inflation noch nicht vollständig kontrolliert seien. Der „Chief Economists Outlook“ des WEF prognostizierte für 2025 eine Abschwächung des globalen Wirtschaftswachstums, wobei 56 Prozent der befragten Chefökonomen eine Verschlechterung der Bedingungen erwarten. Besonders Europa wurde als schwächste Region eingestuft, während für die USA kurzfristig ein Wachstumsschub prognostiziert wurde. Verdüsterter Ausblick Der Global Risks Report 2025 des WEF präsentiert die Ergebnisse einer Umfrage unter über 900 Experten. Der Bericht analysiert globale Risiken in drei Zeithorizonten (2025, bis 2027, bis 2035), um Entscheidungsträger bei der Abwägung aktueller Krisen und langfristiger Prioritäten zu unterstützen. Die Mehrheit der Befragten (52 %) erwartet für die kurzfristige Zukunft (die nächsten zwei Jahre) eine instabile Weltlage, ein ähnlicher Wert wie im letzten Jahr. 31 Prozent rechnen mit Turbulenzen, und fünf Prozent prognostizieren eine stürmische Zukunft. Zusammengenommen ergibt sich ein Anstieg der pessimistischen Erwartungen um vier Prozentpunkte im Vergleich zum Vorjahr. Vergleicht man diesen Zweijahres-Ausblick mit der Zehn-Jahres-Perspektive, verschlechtert sich das Bild weiter: 62 Prozent der Befragten erwarten eine stürmische oder turbulente Zukunft. Diese langfristige Einschätzung entspricht den Ergebnissen der letztjährigen Umfrage und verdeutlicht den anhaltenden Pessimismus der Befragten hinsichtlich der Fähigkeit gesellschaftlicher Institutionen, die zunehmende Fragilität der globalen Ordnung zu bewältigen. Militärische Konflikte Staatlich geführte bewaffnete Konflikte werden nun von 23 Prozent der Befragten als größtes aktuelles Risiko (für 2025) eingestuft, während dieses Risiko vor zwei Jahren in der Zweijahresprognose noch nicht als vorrangig angesehen wurde. Der Unilateralismus gewinnt in den nationalen Sicherheitsüberlegungen zunehmend an Bedeutung und verschärft die humanitären Auswirkungen der anhaltenden Konflikte. Die Gefahr weiterer destabilisierender Konsequenzen infolge der russischen Invasion in der Ukraine, sowie der Konflikte im Nahen Osten und im Sudan, verstärkt die Besorgnis der Befragten über das Jahr 2025 hinaus. Im Zweijahresausblick ist das Risiko staatlich geführter bewaffneter Konflikte in der Rangliste der globalen Risiken von Platz 5 auf Platz 3 gestiegen. Wachsende geoökonomische Spannungen Das Risiko der geoökonomischen Konfrontation ist im Zweijahresranking von Platz 14 im letzten Jahr auf Platz 9 gestiegen – ein Zeichen für die wachsende Unsicherheit hinsichtlich der Zukunft der globalen Wirtschaftsbeziehungen. Auch die Rolle der Technologie in geopolitischen Spannungen bereitet den Befragten Sorgen: Cyber-Spionage und Cyber-Kriegsführung rangieren im Zweijahresausblick auf Platz 5. BRENNPUNKT . World Economic Forum Desinformation als größtes Risiko in den nächsten Jahren Das größte Risiko für 2027 bleibt Falsch- und Desinformation – zum zweiten Mal in Folge. Die Verbreitung von falschen oder irreführenden Informationen erschwert das geopolitische Umfeld auf vielfältige Weise: Sie ist ein zentrales Instrument für ausländische Akteure, um Wahlen zu beeinflussen. Sie kann Zweifel in der Öffentlichkeit über die Geschehnisse in Konfliktgebieten säen. Sie kann genutzt werden, um das Ansehen von Produkten oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Land gezielt zu schädigen. Credit: World Economic Forum
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