ZUR PERSON Dr. Margit Schratzenstaller ist Ökonomin (Senior Economist) und arbeitet seit 2003 in der Forschungsgruppe „Makroökonomie und öffentliche Finanzen“ des WIFO. Sie war Stellvertretende Leiterin 2006/2008 sowie 2015/2019. Schratzenstaller ist Mitglied im Österreichischen Fiskalrat, Vorstandsmitglied der ÖGfE (Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik), Mitglied des Advisory Boards Wissenschaft (ABW) des Wiener Klimarates und des KDZ (Zentrum für Verwaltungsforschung). Sie untersucht unter anderem die Themen Steuer- und Budgetpolitik, Steuerwettbewerb, Fiskalföderalismus, Familienpolitik und Gender Budgeting. konsolidierung die Konjunktur belastet, hängt erstens von den konkreten Maßnahmen ab: Breite Kürzungen von Sozialleistungen oder die Erhöhung von Massensteuern, die wie etwa die Lohnsteuer, die Umsatzsteuer oder Sozialbeiträge untere und mittlere Einkommen relativ stark belasten, würden sich besonders negativ auf die Konjunktur auswirken. Zweitens sollten die Konsolidierungsmaßnahmen in ein Offensivpaket eingebettet werden, das Investitionen und Beschäftigung stärkt. Wie sehen Ihre Vorschläge für eine ausgewogene Budgetkonsolidierung aus? Viele Ökonomen meinen, dass sie rein ausgabenseitig nicht funktionieren wird. Kurzfristig sollte ein ausgewogenes ausgaben- und einnahmenseitiges Paket geschnürt werden. Um zu vermeiden, dass die zarte Konjunkturerholung durch umfangreiche Ausgabenkürzungen stark gedämpft wird, und um die Akzeptanz des Gesamtpakets zu erhöhen, sind ergänzende Steuererhöhungen angeraten. Sie sollten auch strukturell sinnvoll sein – beispielsweise Abbau klimaschädlicher Steuerausnahmen – und nur vorübergehend sein: Nach erfolgter Konsolidierung sollte die Abgabenquote wieder gesenkt werden, indem Abgaben auf Arbeit reduziert werden. Vermögenssteuern sind politisch heiß umstritten – in welchem Ausmaß und in welchen Bereichen wären sie hierzulande sinnvoll? In Österreich sollte erstens die Grundsteuer gestärkt werden. Da die Einheitswerte, auf deren Basis die Steuer berechnet wird, seit Jahrzehnten nicht mehr angepasst worden sind, wird die Kluft zwischen tatsächlichen und Einheitswerten laufend größer. Würde die Grundsteuer erhöht, würde dies die finanzielle Autonomie der Gemeinden stärken. Je nach Ausgestaltung einer Grundsteuerreform könnte eine höhere Grundsteuer auch zu einer Eindämmung des hohen Bodenverbrauchs beitragen. Zweitens könnte im Rahmen einer Gesamtabgabenreform die Erbschaftssteuer wieder eingeführt werden, die in der Mehrheit der EULänder erhoben wird. Vermögensbezogene Steuern sollten aber aufkommensneutral erhöht werden, mit den zusätzlichen Einnahmen sollten also die hohen Abgaben auf Arbeit gesenkt werden. Wenn wir nicht nur auf die nächsten paar Jahre blicken, welche Strukturreformen wären in Österreich notwendig? Gleichzeitig mit den kurzfristigen Konsolidierungsmaßnahmen müssen Strukturreformen im öffentlichen Sektor eingeleitet werden: Eine Föderalismusreform, die Reform von Fördersystem und Gesundheitswesen, sowie eine Pensionsreform. Diese Maßnahmen sind dringend notwendig, um die hohe Verschuldung zurückzuführen und um die langfristig steigenden demografiebedingten Ausgaben bewältigen zu können. Abschließend: Was halten Sie von der Meinung, dass das „Maastricht-Korsett“ zu eng gestrickt und ziemlich willkürlich festgesetzt sei? Regeln zur Begrenzung der Verschuldung in den EU-Ländern sind grundsätzlich sinnvoll. Mit der Reform 2024 wurden die Fiskalregeln flexibler gemacht. Länderspezifische Umstände werden besser berücksichtigt – und Länder, die Investitionen und Reformen umsetzen, bekommen mehr Zeit für die Konsolidierung. Aber natürlich muss bei der Umsetzung der Regeln nun darauf geachtet werden, dass die Konjunktur und die dringend erforderlichen Zukunftsinvestitionen, etwa in den Klimaschutz, möglichst wenig beeinträchtigt werden. www.wifo.ac.at Im Rahmen einer Gesamtabgabenreform könnte die Erbschaftssteuer wieder eingeführt werden. Ausgabe Nr. 1/2025 – GELD-MAGAZIN . 9
RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=