GELD-Magazin, Nr. 5/2024

So ist es tatsächlich passiert: Ein Anleger realisierte mit einem veranlagten Vermögen von rund 100.000 Euro im Jahr 2022 stolze 60 Prozent Gewinn. Davon wurden 16.500 Euro an KESt abgezogen. So weit, so gut. Im darauffolgenden Jahr startete das Depot mit nun netto 143.500 Euro. Und diesmal lief es weniger gut: Unterm Strich stand ein analoger Verlust von 53.813 Euro. Dieser war zwar geringer als der Gewinn im Vorjahr, er errechnete sich ja auch von einem niedrigeren Betrag durch den Abzug der KESt im Jahr zuvor. Damit wurde 2023 zwar keine KESt fällig, aber der Depotwert hatte sich auf 89.688 Euro verringert. Das ist faktisch ein Kuriosum im österreichischen Steuerrecht: Während realisierte Gewinne natürlicher Personen sofort besteuert werden bzw. pro Kalenderjahr, sind Verluste über den Jahreswechsel nicht vortragsfähig. Das heißt, mögliche KESt-Gutschriften verfallen einfach. Das funktioniert auch umgekehrt: Realisieren Sie im ersten Jahr mit Ihrem 100.000-Euro-Depot einen Verlust von 20 Prozent (20.000 Euro), starten Sie mit 80.000 Euro ins nächste Jahr. Sollten Sie dann wieder 20 Prozent Gewinn machen (16.000 Euro), werden Ihnen davon 4.400 Euro an Steuern abgezogen. Ihr Nettogewinn sind dann 11.600 Euro – plus das Anfangskapital im zweiten Jahr von 80.000 Euro kommen Sie im Endeffekt auf 91.600 Euro und haben den Staat Österreich mit einer üppigen KESt-Zahlung von 4.400 Euro „gesponsert“. Trotz Verlusten Steuern gezahlt Über längerfristige Perioden von Gewinn- und Verlustjahren wird die Rechnung besonders kurios: Es werden letztendlich Steuern bezahlt, obwohl der Depotwert über die Jahre deutlich schrumpft. Rechnen wir einmal ein Beispiel auf zehn Jahre (wie in der Tabelle rechts): Sie veranlagen 100.000 Euro und realisieren zehn Jahre lang abwechselnd 20 Prozent Gewinn und 20 Prozent Verlust. Dann hat sich der Wert am Konto nach zehn Jahren auf 64.488 Euro verringert und gleichzeitig haben Sie im selben Zeitraum 23.252 Euro an Steuern bezahlt. Dieses Dilemma könnte man elegant lösen, indem man nach Monaco oder einem anderen Niedrigsteuerland auswandert, wo dann aber auch nachweislich der Lebensmittelpunkt sein muss. Für viele Anleger ist das ein wenig gangbarer Weg. Die gute Nachricht jedoch ist, dass es auch für bodenständige Österreicher Lösungsansätze gibt, die sich je nachdem aus der Höhe des veranlagBRENNPUNKT . KESt.-Falle Latente Guthaben verfallen mit Jahresende! Die Kapitalertragsteuer (KESt) schmälert bei ungeschickter Realisierung von Gewinnen und Verlusten den Anlageerfolg beträchtlich. In vielen Fällen kommt es alleine durch Steuerzahlungen zu herben Verlusten. Das muss nicht sein. MARIO FRANZIN Eigentlich sollte man nur von Wert- bzw. Vermögenszuwächsen Steuern bezahlen. Über die Jahre gerechnet kann es in Österreich aber durchaus passieren, dass trotz letztendlicher Verluste Steuern fällig wurden. Credit: MQ-Illustrations/stock.adobe.com 14 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 5/2024

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