GELD-Magazin, Nr. 4/2024

Die Schelte kam von hoher Stelle: Mathias Cormann, Generalsekretär der OECD, warnte Österreich davor, dass sich sein Schuldenstand gemessen am BIP bis 2060 auf 171 Prozent mehr als verdoppeln könnte. Damit das nicht passiert, fordert er Strukturreformen in den Bereichen Pensionen, Pflege und Gesundheit. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie stringent eine Hochrechung über einen Zeitraum von über 35 Jahren hinaus überhaupt sein kann? Aber immerhin kommt das heimische Finanzministerium in seiner Schätzung auf eine Verschuldungsrate von 121 Prozent des BIP bis 2060: auch kein Kleingeld. Die Defizite steigen Es ist also etwas dran an der Kritik, was auch der österreichische Fiskalrat bestätigt. Er erwartet einen deutlichen Anstieg des heimischen Budgetdefizits auf 3,4 Prozent des BIP im Jahr 2024. Die budgetäre Belastung durch das hohe Niveau der Staatsausgaben setzt sich laut den Experten in den Jahren 2025 bis 2028 fort und lässt die Ausgabenquote bis zum Ende des Prognosehorizonts nur geringfügig sinken, von 53,2 Prozent des BIP 2024 auf 52,8 Prozent Ende 2028. Die Einnahmenquote erreicht heuer 49,8 Prozent des BIP und solte bis 2028 stabil bleiben. Infolgedessen ergibt sich laut Fiskalrat nur eine leichte Reduktion des Budgetdefizits, das in den Folgejahren die Drei-Prozent-Defizitgrenze der MaastrichtKriterien nicht mehr unterschreitet. Aus der Prognose ergibt sich 2024 eine deutliche Zunahme der Staatsverschuldung auf 78,5 Prozent des BIP. Bis 2028 würde die Schuldenquote auf 82,4 Prozent des BIP ansteigen. Ergo: Man müsse gegensteuern. Das GELD-Magazin hat aber in diesem Zusammenhang gefragt, ab welcher Höhe Schulden eigentlich bedenklich seien? An den „Schrauben“ drehen Christoph Badelt, Präsident des österreichischen Fiskalrates, meint, dass man nicht von einem konkreten Wert sprechen könne, ab dem Schulden kritisch werden: „Dazu gibt es unter Ökonomen keine einheitliche Meinung. Entscheidend ist allerdings, wie sehr es der Schuldenstand inklusive Zinszahlungen einem Staat erlaubt, seinen budgetpolitischen Handlungsspielraum aufrechtzuhalten. Weiters wichtig ist, wie die Finanzmärkte die Verschuldungssituation eines Staates einschätzen“, sagt der Ökonom. Die in den Maastricht-Kriterien festgeschriebenen Bestimmungen bezeichnet er als pragmatisch zustande gekommen. Aber wie „brenzlig“ ist nun die Schuldensituation in Österreich? Badelt: „Österreich wird als vertrauenswürdiger Schuldner eingestuft und steht natürlich nicht vor dem Bankrott. In der Rangordnung der EU-Schuldenbelastung hat sich unser Land allerdings verschlechtert, und es sieht so aus, als würde unsere Verschuldung weiter steigen. Ich meine daher: Österreich muss sein Budget konsolidieren.“ Wie das geschehen soll, muss die Politik entscheiden. Badelt: „Man kann an der Einnahmen- und der Ausgabenseite schrauben. Bei den Einnahmen ist anzumerken, dass Österreich bereits eine relativ hohe Abgabenquote aufweist. Allein die Ausgaben zu reduzieren, wird aber nicht ausreichen. Deshalb hat der Fiskalrat auch der Politik den eindeutigen Ratschlag erteilt, beide Seiten genau zu evaluieren – Ausgaben und Einnahmen.“ Aber müssen wir uns im Zuge steigender Sozialausgaben (alternde BevölkeWIRTSCHAFT . Budgetpolitik Was kost‘ die Welt? Reise nach Maastricht Die EU-Mitgliedstaaten haben sich bereits am 7. Februar 1992 zur Einhaltung der EU-Konvergenzkriterien (Maastricht-Kriterien) verpflichtet. Demnach darf das Budgetdefizit der einzelnen Staaten nicht mehr als drei Prozent ihres BIPs betragen; weiters darf der öffentliche Schuldenstand 60 Prozent des BIPs nicht übersteigen. Und die Inflationsrate darf maximal 1,5 Prozent über jener der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten des Vorjahres liegen. Wobei die Kommission bei Nichteinhaltung der Kriterien ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten kann. Kritik Unwidersprochen blieb das aber nie: Die Kriterien seien willkürlich gesetzt und würden den Volkswirtschaften ein zu enges Korsett umschnüren. Es würde eine wachstums- und beschäftigungsschwächende Politik aufgezwungen. Überbordende staatliche Defizite gefährden den Handlungsspielraum des öffentlichen Haushaltes, gerade Österreich ist hier zuletzt in die Kritik geraten. Aber es gibt auch ganz andere „Schuldenkaiser“. HARALD KOLERUS Credits: bereitgestellt/Archiv; ReaverCrest/stock.adobe.com 16 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 4/2024 „Österreich muss sein Budget konsolidieren.“ Christoph Badelt, Präsident des österreichischen Fiskalrates

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