GELD-Magazin, Nr. 3/2024

Über der EU ziehen dunkle Wolken auf – und das nicht erst seit der letzten Wahl. Zauberwort für die EU lauten: Mehr Integration. Oder vielleicht doch nicht? Denn der genau umgekehrte Ansatz sieht weniger Integration im politischen Sinne vor – er lehnt also das Schlagwort der ‚Vereinigten Staaten von Europa ab‘. Stattdessen sollte sich die EU auf ihre wirtschaftlichen Kompetenzen konzentrieren, Bürokratie abbauen und den Einfluss Brüssels reduzieren, anstatt ihn zu stärken. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik soll zurücktreten, weil diese ohnedies schwer zu verwirklichen sei. Das ist sozusagen der nationalstaatliche Ansatz, der die supranationale Idee ersetzen soll. Aber wird das ausreichen, um im Wettbewerb gegen die USA, China und auch Indien zu bestehen? Das ist fraglich, obwohl die geschlagenen EU-Wahlen den stärker national orientierten Parteien eindeutige Zuwächse beschert haben. Das Volk als Souverän Wie sind nun die Wahlergebnisse zu interpretieren? Der Erfolg rechter Parteien war in diesem Umfang prognostiziert worden und stellt keine große Überraschung dar. Mit einer Ausnahme: Frankreich. Der Durchmarsch von Marine Le Pen führte gleich dazu, dass Präsident Emmanuel Macron Neuwahlen ausgerufen hat. Ein Spiel mit dem Feuer? Jein. Die Amundi-Experten Vincent Mortier, Anna Rosenberg und Didier Borowski schreiben in einem gemeinsamen Kommentar: „Die Entscheidung für Neuwahlen könnte sich vorteilhaft auf eine stabilere Innenpolitik und eine bessere Zusammenarbeit mit den nicht rechtsextremen Oppositionsparteien auswirken. Selbst wenn die extreme Rechte eine Regierungsmehrheit und den Posten des Premierministers erlangen sollte, verbleiben Außen-, Europa- und Verteidigungspolitik Frankreichs in der Zuständigkeit des Präsidenten, der zudem viele Spitzenpositionen im öffentlichen Sektor ernennt.“ Außerdem kontrollieren das Verfassungs- und das Verwaltungsgericht sowie der von der rechten Mitte dominierte Senat jede Regierung auf ihre Verfassungskonformität. Auf gesamteuropäischer Ebene sieht es so aus, dass konservative Parteien zulegen konnten und die Fraktionen der Mitte in der Lage sein sollten, eine funktionierende Koalition zu führen, um Europa nicht in eine extremistische Richtung abdriften zu lassen. Dennoch steht die EU am Scheideweg: Mehr Nationalstaatlichkeit oder doch mehr Integration? Das hat das Wahlvolk weiterhin als Souverän zu entscheiden. Top Zehn-Länder gemessen am nominalen BIP in 2023 Wirtschaftlich ist Europa nur geeint ein Riese, die einzelnen EU-Staaten verblassen hingegen. Quelle: statista.de USA 27,36 Bio.USD China 17,66 Bio.USD EU 16,96 Bio.USD Deutschland 4,46 Bio.USD Japan 3,12 Bio.USD Indien 2,87 Bio.USD Großbritannien 2,83 Bio.USD Frankreich 2,78 Bio.USD Italien 2,22 Bio.USD Brasilien 2,17 Bio.USD Kanada 1,85 Bio.USD Ausgabe Nr. 3/2024 – GELD-MAGAZIN . 13

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