Regulatorik am Prüfstand In den letzten beiden Jahrzehnten fand eine deutliche Intensivierung der Regulierung an den Finanzmärkten statt. Nicht zuletzt die Finanzkrise 2008/2009 war hierfür ein starker Treiber. Bestehende Regelungen wurden ausgeweitet, neue geschaffen. Man denke etwa an die Eigenkapitalbestimmungen der Banken, die Regeln zum Vertrieb von Wertpapieren und Versicherungsprodukten oder die Normen zur Prävention von Insiderhandel, Marktmanipulation, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Status Quo Finanzinstitute sind mit einer Vielzahl an Regeln konfrontiert, die einen zunehmend hohen Grad an Komplexität aufweisen. Dass Regularien dabei in immer kürzeren Intervallen geändert werden oder schlicht neu entstehen, macht die Anwendung für die Institute, wie im Übrigen auch für die Aufsicht, nicht gerade leicht. Darüber hinaus lässt, gemessen an den gesetzgeberischen Zielen, die Treffsicherheit der gesetzten Regelungen in der Praxis mitunter nicht selten zu wünschen übrig. Dass es klarer Spielregeln bedarf, daran besteht kein Zweifel. Ein Beispiel für sinnvolle und wirksame Regulatorik bietet etwa der Themenbereich Insiderhandel, in dem strenge Regeln und eine strenge Aufsicht, hierzulande vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten, dafür gesorgt haben, dass derartige Verhaltensformen nicht mehr toleriert werden. Es gibt aber auch nicht so geglückte Regelungsansätze, wie beispielsweise die im Bereich des Versicherungs- und Wertpapiervertriebs angewandte gesetzgeberische Technik, Finanzinstituten schier grenzenlose Informations- und Hinweispflichten gegenüber dem Verbraucher aufzuerlegen, damit dieser seine Entscheidungen auf wohlinformierter Basis treffen könne. Dadurch bedingt sehen sich Verbraucher in der Praxis aber nicht selten mit 30 oder mehr Seiten starken Informationsbroschüren konfrontiert. Dass hierdurch das Ziel des Gesetzgebers erreicht wird, darf wohl zu Recht bezweifelt werden. Was es braucht, ist ein offener und interessensbefreiter Diskurs über Sinn und Wirksamkeit von Regelungen. Darüber hinaus sollten Mechanismen geschaffen werden, die es uns ermöglichen, wirkungslose oder zu wenig treffsichere Regeln zu detektieren und auszumerzen, um eine nachhaltige Regulatorik sicherzustellen. „Nachhaltig“ in dem Sinne, dass die von den Finanzinstituten einzuhaltenden Regeln am Maßstab der gesetzgeberischen Zielerreichung auch tatsächlich wirksam sind. „Nachhaltig“ aber auch in dem Sinne, dass die mit der Umsetzung der Regularien für die Unternehmen verbundenen Aufwände in einer vernünftigen Relation zum Grad der Zielerreichung stehen. Das ist für uns Europäer nicht zuletzt für die Sicherstellung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Finanzinstitute volkswirtschaftlich von großer Bedeutung. Ausblick Der Trend zu mehr Regulatorik in Europa hält jedenfalls an. Im Folgenden nur einige Beispiele: Der zur Stärkung der Resilienz gegen Cyberangriffe beschlossene Digital Operational Resilience Act (DORA) wird von den Finanzinstituten bis Anfang 2025 umzusetzen sein. Umfangreichere Regeln zu Wertpapierdienstleistungen (MiFID III) sollen bereits Ende 2025 in Kraft treten. Die sog. „Retail Investment Strategie“ wird voraussichtlich im Jahr 2026 zur Anwendung gelangen. Die bereits verabschiedete Konsumkreditrichtlinie (CDD II) gilt ab November 2025 und neue Regeln zu den Eigenkapitalanforderungen der Banken (CRR3/CRD6) werden ebenfalls im Jahr 2025 in Kraft treten. Schließlich sollen im Jahr 2026 neue, umfangreiche Regeln gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (AMLD) zur Anwendung gelangen. www.kapitalmarktconsult.at GASTBEITRAG . Günther Ritzinger, Kapitalmarkt Consult KCU GmbH Mag. Günther Ritzinger, Gründer und Partner der Kapitalmarkt Consult KCU GmbH Zur Person Günther Ritzinger sammelte seine berufliche Erfahrung unter anderem als leitender Mitarbeiter der Finanzmarktaufsicht (FMA) sowie bei Banken und Wertpapierfirmen in den Bereichen Recht, Compliance, interne Revision und Risikomanagement. 2010 gründete er die Beratungsfirma KCU. 12 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 2/2024
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