I n den USA ist noch ein moderates BIPWachstum zu verzeichnen obwohl die durchgeführten elf Leitzinserhöhungen auf 5,25 bis 5,50 Prozent das Investitionsklima in Industrie und Wohnbau trüben. Aktuelle Einkaufsmanager-Index-Daten weisen zwar auf eine rückläufige industrielle Aktivität hin, aber die konjunkturunterstützenden steigenden Staatsausgaben im zweiten und dritten Quartal um 4,1 bzw. 4,5 Prozent und solide private Konsumausgaben kompensierten den 1,3-Prozent-Rückgang im Warenexport. Dadurch konnte das BIP-Wachstum im dritten Quartal auf 2,9 Prozent zulegen (Quelle: Schätzung 26. Oktober). Die Fed revidierte daher ihre BIP-Wachstumsprognose für dieses Jahr von 1,0 auf 2,1 Prozent und erwartet für 2024 nun 1,5 Prozent. Die Teuerung der persönlichen Konsumausgaben dürfte 2024 von 3,3 auf 2,5 Prozent zurückgehen. Unter anderem infolge von Energiepreis-Basiseffekten sank die Inflationsrate seit ihrem Höhepunkt im Juni 2022 bereits von 9,1 Prozent auf 3,7 Prozent im September 2023, was aber noch immer deutlich über dem Inflationsziel der Fed von zwei Prozent liegt. Mit einer Steigerung der Privatwirtschaftsstundenlöhne um 4,1 Prozent (Oktober) bleibt die Lohnentwicklung moderat. Angesichts einer stabilen Wirtschaft könnte jedoch die Inflation wieder ansteigen. FedChef Jerome Powell schloss daher bei der geldpolitischen Entscheidung am 20. September weitere Leitzinsanhebungen nicht aus. Hohes Zinsplateau In Europa ticken die Uhren anders. Die Konjunktur zeigt deutliche Schwächetendenzen: Das BIP-Wachstum des Euroraums reduzierte sich im zweiten Quartal auf magere 0,5 Prozent, nachdem es im ersten Quartal noch 1,1 Prozent betragen hatte. Die Industrieproduktion ist rückläufig, die Erzeugerpreise sanken im August im Vorjahresvergleich um 11,5 Prozent. Die Kerninflation im Euroraum, ohne Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak, lag im September 2023 bei 4,5 Prozent, nachdem sie im August noch 5,3 Prozent betragen hatte. Im gleichen Zeitraum gab die Headline-Inflation von 5,2 Prozent auf 4,3 Prozent nach, beeinflusst durch Basiseffekte bei den Energiepreisen. Die EZB beobachtet die Entwicklungen sorgfältig, insbesondere die Nahrungsmittelteuerung und die steigenden Ölpreise durch geopolitische Faktoren. Bei ihrer Sitzung am 26. Oktober ließ der EZB-Rat die Leitzinssätze unverändert: Der Hauptrefinanzierungssatz beträgt nach zehn Erhöhungen – die erste wurde im Juli 2022 vorgenommen – nun 4,50 Prozent, der Zins für die Einlagefazilität 4,00 Prozent und jener der SpitzenreBRENNPUNKT . Makroökonomie Kommt die Zinswende? Die Märkte preisen zwar bereits rückläufige Leitzinsen im kommenden Jahr ein. Aber noch ist vieles offen. Im Falle einer wiederaufkeimenden Inflation droht über längere Zeit ein sogenanntes „restriktives“ Leitzinsniveau. MICHAEL KORDOVSKY Credits: beigestellt/UniCredit Bank Austria & Neuberger Berman; svort/stock.adobe.com „Sollte die anhaltende Konjunkturschwäche in der Eurozone auf den Dienstleistungssektor übergreifen, müsste die EZB im nächsten Jahr ihre Leitzinsen senken, wie es die Terminkurve erwarten lässt.“ Patrick Barbe, Head of European Investment Grade Fixed Income bei Neuberger Berman Die aus Zinsfuturespreisen abgeleiteten Leitzinswahrscheinlichkeiten oder Forward-Kurven widerspiegeln die Erwartungen der Marktteilnehmer. Demnach spräche der aktuelle globale Konjunkturabschwung zumindest ab der zweiten Hälfte des Jahres 2024 für sinkende Leitzinsen. Laut CME-FedWatch-Tool (Stand 27. Oktober) überwiegt erstmals – ausgehend vom aktuellen Zinsniveau – die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung in der Fed-Sitzung vom 12. Juni 2024. Bis Jahresende 24 liegt die Wahrscheinlichkeit eines Leitzinsniveaus von 4,50 bis 4,75 Prozent bei 28,5 Prozent und darunter bei 35,4 Prozent. Im Euroraum deutet die Forward-Kurve des Dreimonats-Euribors keine weiteren Leitzinsanhebungen an und nach einem Zinsplateau bis Jänner 2024 sollte es dann ab Februar kontinuierlich bergab gehen. Eine erste Leitzinssenkung wäre in der EZB-Ratssitzung vom 18. Juli 2024 denk- bar und bis 12. Dezember 2024 wäre bereits ein Hauptrefinanzierungssatz von 4,00 oder gar 3,75 Prozent möglich. Zins-Erwartungstendenz: stark fallend! Dieses Zinsniveau preisen die Märkte ein 8 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 5/2023
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