GELD-Magazin, Nr. 2/2023

Energiekrise, Gasmangel, Blackouts – parallel zu den Warnungen vor Europas Untergang im vergangenen Herbst starteten die Aktienmärkte auf dem alten Kontinent durch und haben mit einem Plus von rund 30 Prozent seit Oktober 2022 die Wall Street als Lokomotive der Weltbörsen klar abgehängt. Der Pessimismus in Sachen Energie, Krieg, aber auch der Zukunft Italiens in der Eurozone hat zu hohen Risikoprämien bzw. tiefen Bewertungen in den europäischen Märkten geführt, die der ideale Nährboden für steigende Kurse waren, als mehr und mehr klar wurde, dass sämtliche Risiko-Szenarien nicht eintreten würden. Doch jetzt noch in die Rally einsteigen, wo die Kurse schon so stark gestiegen sind? So manche Analysten und Fondsmanager raten hier zu, weil die Gewinnerwartungen in vielen Branchen noch stärker gestiegen sind als die Kurse selbst, was europäischen Aktien weiterhin einen Vorteil gegenüber den immer noch hoch bewerteten US-Papieren bietet. Internationale Großinvestoren haben die Chance bereits erkannt: Die Übergewichtung der Fondsmanager von Europa im Verhältnis zu den USA ist die höchste seit Oktober 2017. Top-Gewinnmargen Viele Firmen sind nicht Verfolgte der Inflation, sondern sie treiben zur Gewinnsteigerung die Inflation noch an. Weil die Nachfrage im Vergleich zum Angebot im Nachklang zur Pandemie in vielen Wirtschaftssektoren hoch ist, genießen die Unternehmen eine hohe Preissetzungsmacht. Sie können so die gestiegenen Inputkosten an die Verbraucher weiterleiten, ohne Umsatzrückgänge zu erleiden. Die Gewinnmarge im Stoxx Europe 600 lag 2022 bei rund zehn Prozent und damit auf einem historisch hohen Niveau. „Wir erwarten resiliente Gewinne, eine ‚Earnings Recession‘ sollte es auch in den kommenden zwölf Monaten nicht geben. Aber auch in den relativen Risikoprämien gegenüber Anleihen zeigt sich die derzeit hohe Attraktivität Europas“, meint Paul Quinsee, Global Head of Equities bei J.P. Morgan Asset Management. Ganz anders das Bild in den USA. Hier sind Aktien mittlerweile extrem unattraktiv gegenüber Bonds, die Risikoprämie im Technologieindex Nasdaq ist fast Null. Trotz des Ukrainekriegs, hoher Energiepreise und Lieferkettenstörungen haben sich Europas Unternehmen im Vorjahr mit einem durchschnittlichen Gewinnwachstum von 20 Prozent gut geschlagen. Während Marktexperte Quinsee vor allem in den USA einen hohen Druck auf die Gewinnmargen sieht, sind die Aussichten in Europa deutlich positiver. „Die meisten Unternehmen haben sich auf das schwierigere wirtschaftliche Umfeld eingeMÄRKTE & FONDS . Aktienfonds Europa Europa auf der Überholspur Hohe Margen bei Unternehmen, attraktive Risikoprämien bei Aktien, Europa hat als Anlageregion viel zu bieten. Nun kommt auch noch eine Outperformance gegenüber US-Aktien hinzu. WOLFGANG REGNER Die Börsenkurse in Europa zeigen nach oben. Der Euro Stoxx 50 ist am Jahreshoch. Credits: beigestellt; StudioProX/stock.adobe.com 34 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 2/2023 „Wir legen den Schwerpunkt auf substanzstarke Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notieren. Gute Beispiele mit Qualität sind etwa BASF, Siemens und Saint Gobain.“ Richard Halle, Fondsmanager des M&G (Lux) European Strategic Value Fund

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