Kapitalismus-Kritik. Der in Paris lehrende Ökonom Thomas Piketty ist schon lange kein Unbekannter mehr: Mit seinen Werken wie „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ oder „Kapital und Ideologie“ hat er für Bestseller und gleichzeitig heftige Diskussionen gesorgt. Einigen Beobachtern gilt er als zu „links“, aber das kommt natürlich immer auf die eigene politische Standortbestimmung an. Und auch „Eine kurze Geschichte der Gleichheit“ ist nicht von Ideologie befreit, wenn man das so ausdrücken darf, das Buch bleibt aber sachlich und hält sich an historische Fakten. Es zeigt eine komprimierte Weltgeschichte der sozialen Konflikte und stellt dabei das Thema Gleichheit bzw. Ungleichheit in den Mittelpunkt. Lange Strecken werden dabei dem Kolonialismus Europas gewidmet, der Autor beschreibt die „hemmungslose Anwendung von Gewalt“ in globalem Maßstab, die nicht zuletzt den wirtschaftlichen und politischen Aufstieg des „Alten Kontinents“ begünstigte. Traurig, aber wahr. Ebenso wie die Tatsache, dass nach der Abschaffung der Sklaverei nicht etwa die Opfer selbst, sondern die Sklavenhalter mit staatlichen Zuwendungen unterstützt wurden. Ungleichheit und Ungerechtigkeit setzten sich somit über Generationen hinweg fort. In der Gegenwart angekommen, fordert Piketty nicht weniger als einen Umbau des globalen Wirtschaftssystems - weg von radikalem Turbokapitalismus, hin zu mehr Bürgerbeteiligungen und einem „demokratischen, ökologischen sowie ethisch und kulturell diversen Sozialismus“. Hier werden wieder die Kritiker ansetzen und von Träumerei oder Kryptokommunismus sprechen. Fazit: Man muss nicht alle Meinungen Pikettys teilen, eine interessante Diskussionsbasis stellt sein Werk aber auf jeden Fall dar. Auch für „Nicht-Linke“. Eine kurze Geschichte der Gleichheit Thomas Piketty. Verlag: C.H.Beck. 264 Seiten. ISBN: 978-3-406-79098-0 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt Umbruch. Lange Zeit schien alles klar: Der Westen hat den Kalten Krieg gewonnen, Demokratie, Frieden und freie Marktwirtschaft würden einen ungebremsten Siegeszug feiern, so die Annahme. Ein Irrtum. Tatsächlich feiern autokratische Regime ihr Revival, China macht mit einer wilden Mischung aus Kommunismus und Kapitalismus Druck, der Traum vom Frieden ist zerplatzt - und das mitten in Europa. Wirtschaftsjournalist Christian Hiller von Gaertringen meint in vorliegendem Buch: „Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs beruhte die Weltordnung auf einer starken Stellung der USA und ihrer Verbündeten. Der Westen strotzte nur so vor Selbstbewusstsein und versuchte, anderen Ländern seine Wertvorstellungen zu diktieren. Heute liegt es offen da: Der Rest der Welt will sich nicht länger der Ordnung fügen, wie sie der Westen in seinem patriarchalischen Großmut entworfen hat.“ So werde die Vormachtstellung der USA sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht immer mehr infrage gestellt. Tatsächlich ist der abbröckelnde Einfluss des Westens offensichtlich, aber hat er seine Wertvorstellungen tatsächlich der ganzen Welt in „patriarchalischem Großmut“ diktiert? In verschiedenen historischen Phasen und vielen Weltregionen war das der Fall; man könnte es aber auch so sehen, dass westliche Werte wie eben Demokratie und Menschenrechte auch ohne Zwang zum „Exportschlager“ wurden. Hiller von Gaertringen ist hier wohl anderer Meinung, wenn er schreibt: „Die Werte der Aufklärung sind nicht universell, wie Europäer und Amerikaner glauben. In anderen Kulturen bedeutet Freiheit häufig Dienst an der Gemeinschaft.“ Also sind hart erworbene Rechte wie Meinungsfreiheit nicht universell und gelten etwa nicht in China? Hier darf widersprochen werden. Die Neuordnung der Welt Christian von Gaertringen. Verlag: FBV. 251 Seiten. ISBN: 978-3-95972-648-1 82 . GELD-MAGAZIN – Ausgabe Nr. 1/2023
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