Die Zinsen steigen, aber ist das auch gut für die Investoren? Corona-Nachwehen, Krieg in Europa, extreme Inflation, Energiekrise: 2022 wird sicherlich als eines der schwierigsten Jahre für Kapitalanleger in die Geschichtsbücher eingehen. Während sich Anleger zu Jahresbeginn noch mit den Auswirkungen der Covid-19 Pandemie, der steigenden Inflation, sowie den möglichen Gegenmaßnahmen der Zentralbanken beschäftigten, änderte sich der Fokus seitens der Investoren mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine schlagartig. Denn niemand wusste, welche Folgen dieser Krieg auf die Volkswirtschaften in Europa und den Rest der Welt haben wird. Auch im Jahr 2023, sind die langfristigen Folgen dieses Konflikts noch nicht vollständig einschätzbar. Teuerung: Ungeahnte Höhen Durch die Sanktionen gegen Russland wurde das globale Angebot an Öl und Gas verknappt. Als Reaktion darauf stiegen die Energiepreise stark an und trieben die Inflation in ungeahnte Höhen. In der Folge begannen viele Notenbanken, allen voran die amerikanische Federal Reserve (FED), ihre Politik des billigen Geldes zu beenden und neben der Einschränkung von Anleihekaufprogrammen die Leitzinsen zu erhöhen. Da die Zinsen in vielen Staaten zu diesem Zeitpunkt bei null oder sogar darunter lagen, betraten die Zentralbanken mit diesen Schritten, bei ihrem Kampf gegen die steigende Inflation, Neuland. Auch wenn viele Anleger die Rückkehr der Zinsen begrüßen, wurde die straffere Geldmarktpolitik der Zentralbanken an den Rentenmärkten von heftigen Kursverlusten begleitet. Die negativen Reaktionen der Preise für Anleihen waren dabei vorhersehbar, denn steigende Zinsen führen bei bestehenden Anleihen automatisch zu Kursverlusten, da die „alten Anleihen“ ihren Zinsnachteil gegenüber den neu emittierten Anleihen durch einen Nachlass auf den Preis der Anleihe ausgleichen müssen. Neben den Staatsanleihen sind auch die Märkte für Unternehmensanleihen und hochverzinsliche Wertpapiere von den Maßnahmen der Zentralbanken betroffen. In diesen Segmenten kommt noch hinzu, dass die Aufschläge (Spreads) die diese Schuldner im Vergleich zu erstklassigen Staatsanleihen zahlen müssen, auch von der erwarteten Geschäftsentwicklung dieser Unternehmen abhängt. Einige Fallstricke Zwar gelten Unternehmensanleihen in einem solchen Umfeld als aussichtsreich, aber gerade in diesem Segment gibt es einiges zu beachten. Denn die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Unternehmen und daraus resultierend auch die Aufschläge, die diese Unternehmen zahlen müssen, ist von deren wirtschaftlicher Lage abhängig. Somit kann die veränderte Zentralbankpolitik durch die steigenden Finanzierungskosten oder eine mögliche Rezession den Spread der entsprechenden Anleihen negativ beeinflussen, was zu Kursverlusten führen würde. Zudem können sich unterbrochene Lieferketten, steigende Preise für Energie, Halbfertigprodukte und Rohstoffe sowie eine vor dem Hintergrund der steigenden Inflation sinkende Konsumbereitschaft der Verbraucher negativ auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirken. Fazit Insgesamt betrachtet scheint die zukünftige Entwicklung an den Anleihenmärkten derzeit nur schwer einschätzbar zu sein. Dennoch bieten sich für aktive Investoren in einem solchen Marktumfeld immer wieder Gelegenheiten, einzelne Anleihen oder ganze Marktsegmente günstig kaufen zu können. Um diese Titel zu finden, müssen Investoren jedoch über eine genaue Kenntnis der einzelnen Anleihen und Marktsegmente verfügen. Dementsprechend sollten Investoren auf erfolgreiche Investmentfonds setzen, wenn sie sich im derzeitigen Marktumfeld im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere engagieren wollen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das gegenwärtige Marktumfeld auch für die Manager dieser Fonds Neuland ist. www.lipperleaders.com Detlef Glow, Head of Refinitiv Lipper EMEA Research GASTBEITRAG . Detlef Glow, Lipper Research FOTO: Archiv Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Refinitiv oder der LSEG. Ausgabe Nr. 1/2023 – GELD-MAGAZIN . 41
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