GELD-Magazin, Dezember 2022 / Jänner 2023

um den Globus sind fast alle Industrienationen mit einem Fachkräftemangel konfrontiert. Das heißt, es kommt zu einem steigenden Wettbewerb um die besten Köpfe. Die Zahl der Fachkräfte ist aber begrenzt, und ich befürchte, Österreich hat nicht die besten Karten, diese anzuziehen. Warum? Aufgrund der hohen Abgabenbelastung auf den Faktor Arbeit steht Österreich nicht an vorderster Front der attraktivsten Standorte. In den USA, Kanada oder auch der Schweiz ist man weiter. Wobei die Schweiz ein europäisches Beispiel dafür ist, dass ein System der Unternehmerfreundlichkeit und Eigeninitiative möglich ist. Innerhalb der EU sehe ich die Lage schwierig. Sie ist ein zu homogener Block, es gibt keinen Leithammel für notwendige Initiativen. Großbritannien ist ja bekanntlich weggebrochen. Nochmals zur Abgabenbelastung: In den östlichen Staaten der EU sehen wir hier eine geringere Quote, man muss aber hinzufügen, dass in diesen Ländern das Sozialsystem schwächer ausgebaut ist als bei uns. Kommen wir jetzt zur großen Weltpolitik: Sie sprechen von einer „Zeitenwende“ ... Die Zeitenwende ist nicht erst seit dem von Russland angezetteltem Krieg in der Ukraine angebrochen, sie hat meiner Meinung nach schon vor mindestens zehn Jahren begonnen. Und zwar mit der „Belt and Road Initiative“ Chinas, auch „Neue Seidenstraße“ genannt. Mit ihr zieht das Reich der Mitte über 60 Staaten Asiens, Afrikas und Europas in seinen Einflussbereich. Ein Beispiel dafür ist die Beteiligung an vielen Häfen, etwa in Griechenland, Spanien, Italien, Frankreich oder den Niederlanden. Zuletzt machte die Beteiligung am Hamburger Hafen Schlagzeilen. Es wäre jetzt sehr naiv, zu glauben, dass China hier aus Jux und Tollerei heraus agiert. Natürlich stehen hier geopolitische Überlegungen im Raum. Europa reagiert auch auf chinesische Unternehmensbeteiligungen oft naiv. Eine Zeitenwende beschert uns auch der Klimawandel, wie schätzen Sie hier die Situation ein? Frappant ist, dass die USA und Europa den CO2-Ausstoß reduzieren, in China und Indien wächst er aber ungebremst. Natürlich muss der Westen seine Bemühungen fortsetzen, aber alleine steht er auf verlorenem Posten. Wachstum muss vom Energieverbrauch entkoppelt werden, dazu gibt es effiziente Technologien, die der Westen auch exportieren sollte. Die Antworten wissen wir, nur es passiert zu wenig. Alleine das Bekenntnis zur Dekarbonisierung ist heiße Luft. Und wenn es nur zur Verlagerung der Industrie außerhalb Europas führt, nützt das dem Klima gar nichts. Abschließend: Wie sollten sich Anleger im aktuellen Umfeld positionieren? Die Erwartungen an den Aktienmarkt müssen wir im Vergleich zur Vergangenheit einbremsen: Die Zeiten zweistelliger Renditen sind einmal vorbei. Andererseits sind Aktien jetzt günstig, innerhalb eines Gesamtportfolios ist ein Anteil von über 50 Prozent keine schlechte Idee. Wobei Investments mittels Teilbeträgen bzw. Vermögenssparplänen wohl am besten geeignet sind. Am Immobilienmarkt ist die große Party zu Ende gegangen – steigende Zinsen und die strengeren Kreditbestimmungen in Österreich schmälern die Attraktivität. Konkurrenz entsteht durch Anleihen, die langfristig wieder reale Renditen einfahren können. Am Sparbuch könnten Zinsen von 2,5 bis 3,0 Prozent bei längerer Laufzeit schon ab nächstem Frühjahr möglich sein. www.rbinternational.com Peter Brezinschek: „Die Zeitenwende ist mindestens schon zehn Jahre alt.“ Jänner 2023 – GELD-MAGAZIN . 9

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