GELD-Magazin, November 2022

ZUR PERSON IHS-Direktor Prof. em. Dr. DI Klaus Neusser: Nach dem Studium der Technischen Mathematik mit Nebenfach Volkswirtschaftslehre promovierte Neusser an der Technischen Universität Wien (PhD) und habilitierte 1990 an der Uni Wien in den Bereichen Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik sowie Ökonometrie. Von 1993 bis 1994 war Klaus Neusser ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Deutschland. Von 1994 bis 2019 war er ordentlicher Professor für Volkswirtschaftslehre, mit Schwerpunkt auf Ökonometrie und Makroökonomie an der Universität Bern, Schweiz. Am 2. Mai 2022 wurde Neusser interimistisch zum Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) ernannt. Er wird die Funktion innehalten, bis die statutenmäßige Nachbesetzung der Leitung erfolgt ist – die Position ist bereits ausgeschrieben und der Bewerbungsprozess läuft. Seine Forschungsschwerpunkte sind Makroökonomie und Zeitreihenanalyse. Die abgesagte Rezession Positive Botschaften hört man in diesen Tagen nur selten. In einer Zeit, in der Krieg und Teuerung das Geschehen bestimmen. Aber vielleicht kommt manches doch nicht ganz so schlimm wie befürchtet, zumindest für die heimische Wirtschaft. Das Institut für Höhere Studien (IHS) prognostiziert für das kommende Jahr in Österreich ein Wachstum von 0,3 Prozent. Das ist wahrlich nicht viel, die Rezession könnte somit aber doch abgewehrt werden, das sagt IHS-Direktor Klaus Neusser im Gespräch mit dem GELD-Magazin. Corona-Nachwehen, Ukraine-Krieg, extreme Inflation: Das alles sieht nicht rosig aus. Können Sie bitte kurz die globale Wirtschaftslage zusammenfassen? Tatsächlich hat sich seit Juni das gesamte ökonomische Umfeld eingetrübt. Für die USA sind die Prognosen allgemein nach unten angepasst worden. Die Vereinigten Staaten stehen unterschiedlichen Schätzungen zufolge kurz vor der Rezession oder befinden sich bereits in dieser. Auch für Deutschland, dem für Österreich wichtigsten Wirtschaftspartner, werden die Prognosen zurückgefahren. Manche Experten und Expertinnen gehen für Deutschland von einer Rezession im kommenden Jahr aus. Wie sieht die Situation nun für die heimische Volkswirtschaft aus? Österreich reagiert mit einer gewissen Verzögerung auf die weltwirtschaftliche Entwicklung, das IHS hat seine Prognosen jetzt aber nach unten revidiert. Ich möchte dabei festhalten, dass Österreich nicht so schlecht aufgestellt ist. So trifft uns etwa der Einbruch in China nicht so dramatisch wie Deutschland, das stark von Exporten abhängig ist. Ein Vorteil für Österreich ist, dass der Tourismus im Sommer gut gelaufen ist, das merkt man sowohl an den Nächtigungs- als auch Beschäftigungszahlen. Wenn es im Winter so weiter geht, ist das ein großer Pluspunkt für unsere Wirtschaft. Österreich wird also nicht in die Rezession abrutschen? ÖsterreichsWirtschaft könnte mit einem blauen Auge davonkommen und nicht in die Rezession abrutschen. Das wahrscheinlichste Szenario heißt Stagflation, meint IHS-Direktor Neusser. HARALD KOLERUS Credit: Bundesministerium für Finanzen - CC BY 2.0, commons.wikimedia So sieht es derzeit aus. Das heimische Wachstum befindet sich auf hohem Niveau, das wird voraussichtlich zurückgehen aber nicht in die Rezession abstürzen. Das wahrscheinlichste Szenario lautet somit: Stagflation, das bedeutet Stagnation plus Inflation. Die österreichische Volkswirtschaft dürfte in der ersten Jahreshälfte im laufenden Jahr um 4,7 Prozent zulegen. Für 2023 wird nur noch ein Wachstum von 0,3 Prozent erwartet. Übrigens scheinen unsere Gas-Speicher bereits ausreichend gefüllt zu sein, um gut über den Winter kommen zu können. Eine gute Nachricht, aber wie wird es mit der extrem hohen Inflation weitergehen? Ist endlich Entspannung in Sicht? Bis zum Ende des Jahres wird die Teuerung noch etwas fortschreiten, dann ist langsam eine gewisse Entspannung in Sicht. Getrieben von den hohen Energiepreisen und in Einklang mit der internationalen Entwicklung dürfte die heimische Inflationsrate laut unserer Herbst-Prognose heuer im Jahresdurchschnitt 8,5 Prozent betragen und mit etwa 6,8 Prozent auch im nächsten Jahr hoch bleiben. Wir sehen aktuell keine extremen Inflations-Treiber mehr, auch wenn höhere Lohnabschlüsse einen gewissen Schub darstellen werden und die hohen Gaspreise noch nicht völlig bei den Konsumenten und 8 . GELD-MAGAZIN – November 2022 INTERVIEW . Klaus Neusser, IHS Die Sanktionen gegen Russland sind auch eine moralische Frage.

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