ZUR PERSON Nach Abschluss seines wirtschaftswissenschaftlichen Studiums begann Robert Halver seine berufliche Karriere als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend war er bei der Privatbank Delbrück & Co für die Analyse der internationalen Kapitalmärkte verantwortlich. Später formulierte er als Chefstratege die Anlagepolitik für Aktien- und Renten-Investments. Seit 2008 ist Herr Halver bei der Baader Bank AG in Frankfurt beschäftigt. Als Leiter der Kapitalmarktanalyse ist er für die Einschätzung der internationalen Finanzmärkte zuständig. aber schon die theoretische Möglichkeit, dass Social Media-Giganten die Allmacht der KP stören könnten, aus, um sie wie bisswütige Hunde an die kurze Leine zu nehmen. Die totale Kontrolle bremst aber den technologischen Fortschritt. Der Regierung zwangsweise treu ergebene Unternehmensvorstände werden aus Angst vor Repressalien nicht mehr das umsetzen, was sie für richtig halten, sondern das, was der KP gefällt. Ein autoritärer Staat ist zwar schnell in der Umsetzung von Maßnahmen, aber sind diese überhaupt angemessen? Erst das freie Denken gestattete chinesischen High-Tech-Firmen, sich mit der Konkurrenz des amerikanischen Klassenfeindes zu messen. IT-Spezialisten werden in China nun sozialistische Bleiwesten angelegt. Der Brain-Drain aus China ist der Brain-Flow nach Amerika. Dies alles behindert eine positive Sichtweise chinesischer Aktien. Wie geht es an den Märkten weiter? Wir sehen Strukturbrüche, Krieg, eine DeGlobalisierung, dazu die Energiekrise. Angesichts dieser Belastungsfaktoren haben sich die Aktienmärkte erstaunlich gut gehalten. Enttäuschungen bei den Unternehmensgewinnen sind in naher Zukunft zwar durchaus möglich, doch diese sind in die Analystenschätzungen bereits miteingeflossen. Ich denke, dass wir spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 einen Turnaround der Aktienmärkte sehen werden. Der Ukrainekrieg ist in den Zeitungen kein Top-Thema mehr. Natürlich können sich Risiken einstellen, wenn „schwarze Schwäne“, wie die Börsianer sagen, auftauchen. Putins Verbündeter China ist aber strikt gegen einen Nuklearwaffeneinsatz. Und zum Glück hat China die „Gunst“ der Stunde verstreichen lassen, und Taiwan nicht bald nach dem Beginn des Ukrainekrieges angegriffen. Doch die Chinesen kaufen lieber westliche Infrastruktur für ihre neue Seidenstraße, als Taiwan zu überfallen, aktuell einen Teil des Hamburger Hafens. Zudem sind sie von Halbleitern ‚Made in Taiwan‘ abhängig. Das Fazit lautet: Ich glaube, dass die Märkte in ihrer Korrekturphase bereits weit vorangeschritten sind. Natürlich bleibt Vorsicht angesagt. Aber wer nur auf Risikovermeidung setzt, verpasst auch die Chancen. Bei Einzelaktien würde ich derzeit die USA bevorzugen. Wenn der US-Zinsgipfel in Sicht kommt, dürften die schwer geprügelten US-Technologiewerte outperformen. Europa ist aufgrund seiner konjunkturzyklischen Orientierung erst gefragt, wenn die Weltkonjunktur wieder lächelt. Könnte es wegen geringer Preismacht vieler Unternehmen nicht zu bösen Überraschungen bei den Gewinnen kommen? Die Käufer treten bei zu hohen Preisen in den Streik. Also gehen die höheren Einstandspreise zulasten der Marge. Auf diese Entwicklung gehen die Unternehmen aber in ihren Ausblicken bereits ein. Und sie sparen, wo es geht. Die Enttäuschungen werden sich also in Grenzen halten, zumal das Management vor Bekanntgabe von Ergebnissen gerne tiefstapelt, so dass diese positiv überraschen. Ja, Unternehmen beherrschen auch das psychologische Spiel ohne Ball. Ihre Top-Empfehlung für Privatanleger? An der Börse wird nicht zum Einstieg geklingelt. Daher sollten Anleger auf regelmäßige Aktienansparpläne in Fonds oder ETFs setzen, um langfristig günstige durchschnittliche Aktienkurse zu erreichen. So können Anleger niedrige Kurse ausnützen, da sie dann automatisch mehr Fondsanteile für ihr Geld erhalten. Dies erlaubt es Investoren, auch ohne Know-how für Marktindikatoren und Charttechnik antizyklisch zu investieren. Dabei sollten sie eine breite Aufstellung wählen, auf der Aktienseite also nicht nur die gut gelaufenen Value-Fonds bevorzugen, sondern auch Growth-Produkte beimischen. Denn die Energiepreise könnten 2023 nach unten korrigieren, wie dies bereits in den letzten Wochen geschehen ist. Und kommt der Zinsgipfel in Sicht, werden auch die Wachstumswerte wieder besser laufen. www.baaderbank.de November 2022 – GELD-MAGAZIN . 29 Wir werden uns an eine höhere Inflation gewöhnen müssen.
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