12 . GELD-MAGAZIN – November 2022 wicklung, die Zentralbanken in den entwickelten Volkswirtschaften zu einer geldpolitischen Kehrtwende aufforderte. Wie sehr in diesem Umfeld die Lokalwährungen ärmerer Länder unter Druck stehen, quantifiziert die UNCTAD: Bis Juli erfuhren heuer gut 90 Entwicklungsländer eine Währungsabwertung zum US-Dollar, über ein Drittel davon im Ausmaß von über zehn Prozent. Im laufenden Jahr haben die Entwicklungsländer zur Stützung ihrer Währungen bereits 379 Milliarden an US-Dollar an Reserven aufgewandt. Das ist fast der doppelte Betrag, als ihnen kürzlich an neuen Sonderziehungsrechten vom IWF zugeteilt wurde. Genauere Hintergründe der Dollaraufwertung Die Dollarstärke kommentiert Brezinschek wie folgt: „In der ersten Phase der US-Dollar-Stärke waren sicherlich die Zinsdifferenzen und Zinserwartungen für die USA ein guter Erklärungsfaktor. Doch seit ein paar Monaten ist es mehr eine ausgeprägte Neuorientierung aufgrund der geopolitischen Zeitenwende.“ Einen geopolitischen Aspekt zeigt auch Massenbauer: „Die Zinsanhebungen begleiten die US-Dollar-Stärke eher zufällig. In der Vergangenheit brachten steigende Zinsen in den USA regelmäßig US-Dollar-Schwäche mit sich. Wir sehen aktuell eine Kapitalflucht in die USA, wie wir sie in den letzten 50 Jahren nicht gesehen haben. Diese Kapitalflucht ist vor allem geopolitisch motiviert. Europa erfährt ebenso wie Japan, China und Südkorea Rekordabflüsse. Auch viele Emerging Markets leiden darunter, wobei Brasilien, Indonesien und Mexiko zeigen, dass sie deutlich stärker werden konnten, obwohl der US-Dollar fest war. Diese Länder sind die Nutznießer der Pariastellung Russlands.“ Verlieren die USA ihre Führungsrolle an China? Schon seit über zwei Jahrzehnten ist davon die Rede, dass die USA die Führungsrolle an China abgeben werden. Wo könnten die zukünftig bedeutenden Finanz- und Machtzentren tatsächlich liegen? Dazu Massenbauer: „China hat zweifelsohne an Bedeutung gewonnen und wird Shanghai und Shenzen neben der Wall Street etablieren wollen. Derzeit ist die Bedeutung des chinesischen Kapitalmarktes für die Welt gering. Ich erwarte in diesem Jahrzehnt keine wesentliche Änderung daran. China erfährt aktuell die Grenzen des Wachstums und wird einige Jahre benötigen, die Immobilienkrise zu verarbeiten.“ Führende Rolle bleibt bestehen Diverse langfristige Aspekte zeigt Brezinschek: „China hat zwar bedeutend in der geo-politischen Weichenstellung aufgeholt, aber die USA sind noch immer zumindest wirtschaftlicher Trendsetter. Im technologischen Bereich wird das Rennen in den kommenden fünf bis zehn Jahren sehr spannend. China hat seit 2013 unter der „One Belt, One Road initiative“ über 60 Länder in Asien, Afrika und Europa in gemeinsame Investitionsprojekte integriert, um so vor allem die Infrastruktur, den Technologietransfer und den Erwerb von Schlüsselunternehmen voranzutreiben. Die Technologie- und Industrieführerschaft ist dabei das erklärte Ziel“, und er ergänzt: „Wenn sich allerdings die Europäer mit den Amerikanern zu strategischen Allianzen und einer Reihe aufstrebender Schwellen- und Industrieländer Asiens zusammenfinden, wird es für China schwieriger. Trotzdem: Südostasien und die USA werden die Machtzentren der Zukunft sein. Europa spielt aufgrund seiner Heterogenität und fehlenden politischen Umsetzbarkeit nur noch eine Rolle als Kronprinz.“ In so einem Umfeld dürfte – abgesehen von einer E-Auto- und Wasserstoffzukunft – das Ende des Petro-Dollars bestenfalls „Zukunftsmusik“ sein. Ebenfalls skeptisch gegenüber dem Ende des Petro-Dollars zeigt sich Brezinschek: „Die immer wieder zitierte Ablöse des USDollars wird noch einige Zeit verschoben, und es ist in diesem geopolitischen Zeitenwandel auch höchst fraglich, ob sie überhaupt stattfindet. Hinter dem US-Dollar ist es eine Frage des politischen Willens, ob der Yuan auch einmal eine frei konvertierbare Währung wird, was aus heutiger Sicht wenig Realisierungschance hat.“ BRENNPUNKT . Dollar-Stärke Definition Petrodollar Petrodollar ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für US-Dollar-Deviseneinnahmen erdölexportierender Länder aus dem Export von Erdöl. Die betroffenen Länder sind u.a. SaudiArabien, Irak, Libyen, Nigeria, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate. Seit dem Zweiten Weltkrieg findet der Handel mit Erdöl primär in US-Dollar statt. An den Warenbörsen erfolgt die Denominierung in Dollar pro Barrel. Daraus resultiert eine erhöhte Abhängigkeit der Weltwirtschaft gegenüber dem US-Dollar und der US- Dollar ist die weltweit bedeutendste Reservewährung. Über Jahrzehnte flossen mangels Investmentalternativen in den eigenen Ländern die durch hohe Leistungsbilanzüberschüsse angehäuften Dollarreserven der Erdölexportländer wieder zurück in US-Staatsanleihen und diverse Geldanlagen der größten Industrieländer. Neben dem hohen Zwillingsdefizit (Leistungsbilanz und Staatshaushalt) der USA finanzierten die Ölexportländer auch die steigende Verschuldung erdölimportierender Entwicklungsländer mit. Mittlerweile findet in punkto US-Bonds ein Umdenken statt und anstelle der Ölexportländer kauft vor allem die Fed zunehmend mehr US-Staatsanleihen.
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