„Die Rezession kommt“ In seinen regelmäßigen Börsenkommentaren ist der erfahrene Asset Manager nie um klare Worte verlegen, manchmal sind die Statements durchaus gegen den Strich gebürstet. Da bezeichnet Dieter Wermuth Russlands Präsidenten Wladimir Putin schon einmal als möglichen „Klimaretter“. Oder er begrüßt hohe Energiepreise als Instrument gegen den Klimawandel. Jetzt stehe die Rezession vor der Tür, wobei aber regelmäßiges Aktien-Investment dennoch keine schlechte Idee sei. Im Gespräch mit dem GELD-Magazin führt der Anlageexperte seine Gedanken weiter aus. Wie ist es aktuell um die Weltwirtschaft bestellt, kommt die Rezession bzw. in welchem Ausmaß? Ja, die Rezession kommt. Das normale Trendwachstum der Weltwirtschaft beträgt rund 3,0 bis 3,5 Prozent; in ihrer jüngsten Prognose hat die Weltbank jetzt eine Steigerung von nur 0,5 Prozent für das kommende Jahr im Vergleich zu 2022 vorhergesagt. Auf pro-Kopf-Basis entspricht das einem realen Rückgang von 0,4 Prozent. Es herrscht Konsens, dass die gesamte OECD gerade in die Rezession rutscht, aber auch China, das normal um die acht Prozent wächst. Für nächstes Jahr werden dort nun aber lediglich drei Prozent erwartet. Das Reich der Mitte ist nicht nur mit höheren Energiepreisen, sondern vor allem mit einer schweren Immobilienkrise konfrontiert – der Bausektor macht fast 30 Prozent der chinesischen Wertschöpfung aus. Der Boom in diesem Schlüsselsektor geht dort gerade zu Ende. Einige Ökonomen meinen, dass die Rezession nicht sehr tief gehen wird, was ist Ihre Meinung? Das sehe ich nicht so. Es wird einen Schock für die Haushalte geben. Sie leiden schon jetzt unter der hohen Inflation und dem Verlust an Kaufkraft. Dabei werden die wirklich schmerzhaften Energierechnungen erst im Herbst kommen. Natürlich kommt nach jeder Rezession wieder ein Aufschwung, die Frage ist nur: wann? Die meisten Prognosen gehen davon aus, dass der Wendepunkt im dritten Quartal 2023 erreicht sein dürfte. Dann ist es wahrscheinlich, dass wir wieder hohe Wachstumszahlen sehen werden, für Österreich halte ich anfangs drei bis vier Prozent für möglich, oder sogar mehr. Wie geht es mit der Inflation weiter? Aufgrund der Rezession bin ich optimistisch, dass die Teuerungsrate zurückgehen wird, vor allem weil die Konsumenten im Verlauf des Abschwungs nicht mehr so viel Geld ausgeben können. Der Internationale Währungsfonds sieht im Durchschnitt für das kommende Jahr eine Inflation der Verbraucherpreise von 3,7 Prozent, nach 7,1 Prozent heuer. In einem Kommentar schreiben Sie, dass „bescheidener zu leben“ gut für das Klima ist. Aber wer will schon verzichten? Es ist eine Wunschvorstellung, zu sagen, ich möchte so weiterleben wie bisher. Wenn das Geld knapp wird, muss man sich einschränken. Der Konsument wird auswählen müssen, was ihm am Wichtigsten ist. Offensichtlich rangieren Reisen, nicht zuletzt in die Ferne, ganz oben auf der Liste, was natürlich schlecht für die Klimabilanz ist. Ich könnte mir vorstellen, dass bei UnterhalDie OECD aber auch China rutschen in denWirtschaftsabschwung, auch macht der Klimawandel weiter Kopfzerbrechen. Diese nicht gerade frohen Botschaften hat Investment-Experte DieterWermuth im Interview parat. HARALD KOLERUS Credit: Wermuth Asset Management Für breite Anleiheninvestments sieht Wermuth die Zeit noch nicht reif. 26 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2022 INTERVIEW . Dieter Wermuth, Wermuth Asset Management
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