Auch in Österreich finden manchmal kleine „Revolutionen“ statt: Es fällt nämlich das sogenannte „Kundengelderverbot“ für Wertpapierfirmen (WPF) in Österreich. Vorgeschichte: Bisher sind WPF vom Gesetzgeber in ihren Aktivitäten relativ eingeschränkt worden, sie mussten sich im Wesentlichen auf Portfolioverwaltung, Beratung und die Vermittlung von Kunden-Aufträgen konzentrieren. Verboten ist bis jetzt (noch), „fremde Gelder“ anzunehmen oder Wertpapiere für andere zu halten, dafür ist in Österreich eine Bankkonzession notwendig. In vielen Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums haben die Wertpapierdienstleister mehr Handlungsspielraum, weshalb die heimische Branche schon lange eine Nachbesserung fordert. Diese soll laut einem neuen Gesetzesentwurf, spät aber doch, bald folgen. Erweiterter Spielraum Kernstück der möglichen Änderung durch das neue Wertpapierfirmengesetz ist, dass WPF auch Kundengelder annehmen und halten dürfen, dazu müsste „nur“ eine Konzession bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) beantragt werden, dazu später mehr. Vorteil: Der Aktivitätsradius der heimischen Wertpapierfirmen würde deutlich erweitert und die Wettbewerbssituation gegenüber ausländischen Anbietern verbessert werden. Wie sieht die Situation nun in der Praxis aus? Das GELD-Magazin sprach dazu mit dem Branchenfachmann Günther Ritzinger, Gründer von Kapitalmarkt Consult, KCU: „Vorneweg muss man sagen, dass sich das Wertpapierfirmengesetz aktuell in der Begutachtungsphase befindet, ich glaube aber, dass der Entwurf mehr oder weniger eins zu eins umgesetzt werden wird. Das neue Regime ist grundsätzlich zu begrüßen. Es ermöglicht heimischen WPF, Leistungen zu erbringen, die im Inland Banken vorbehalten waren. Das umfasst das Depotgeschäft, Platzierungen, Eigenhandel und den Ausführungs-Bereich, womit es etwa möglich wäre, Handel an der Wiener Börse zu betreiben.“ Seit rund einem Jahr brodelte bereits die Gerüchteküche, dass dieser „Vollumfang“ geplant sei, jetzt dürfte es bald soweit seien. Ritzinger hält es dabei für „fair, dass die heimischen WPF eine Gleichstellung mit Mitbewerbern aus anderen europäischen Ländern erfahren. Nach dem Motto: Gleiche Rechte, gleiche Möglichkeiten für alle.“ Strenge Kontrolle Wobei nicht jeder von der „Runderneuerung“ vollauf begeistert ist. So wohl auch die österreichische Anlegerentschädigung (AeW), denn immerhin könnten jetzt WPF, die Kunden-Assets halten, als Player den Markt betreten und neue Risikoquellen darstellen. Ritzinger versteht diese Bedenken, sagt aber: „Die notwendige Legitimation wird nicht ,mir nichts, dir nichts‘ von der FMA vergeben werden. Sie hat klargestellt, die Konzessions- bzw. Konzessionserweiterungsanträge in Bezug auf diese möglichen Dienstleistungen nach den selben strengen Maßstäben zu beurteilen, wie sie bereits jetzt für Banken gelten. Das umfasst die organisatorische und personelle Aufstellung der WPF ebenso wie Liquiditäts- und Kapitalanforderungen.“ Der Experte glaubt, dass in den nächsten Jahren „bestenfalls eine Hand voll“ der rund 70 WPF in Österreich eine Konzession stellen werden, die erweiterten Möglichkeiten seien aber jedenfalls positiv zu sehen. BANKING . Wertpapierdienstleister Runderneuert Wertpapierdienstleister dürfen in Zukunft Geld von Kunden „in die Hand nehmen“. Somit wird einer langjährigen Forderung nachgegeben. Was bedeutet das für die Branche, Anbieter und Investoren? HARALD KOLERUS Credit: Archiv/beigestellt „Die neuen Regelungen für Wertpapierfirmen sind grundsätzlich zu begrüßen.“ Günther Ritzinger, Gründer Kapitalmarkt Consult, KCU In Kürze Bis dato dürfen österreichische Wertpapierf irmen (WPF) keine Kundengelder halten. Das grenzt ihre Geschäftsfelder stark ein und verschafft Nachtei le gegenüber Wet tbewerbern in vielen anderen EU-Staaten. Damit soll das neue Wer tpapierf irmengesetz nun aufräumen. Der entsprechende Änderungsvorschlag bef indet sich gerade in Begutachtung, mit einem baldigen Inkrafttreten ist zu rechnen. Dann erhalten die heimischen WPF die Möglichkeit, Kapital von Kunden „in die Hand zu nehmen“ und zum Beispiel Depots zu eröffnen. Damit kein „Wildwuchs“ entsteht, soll die Finanzmarktaufsicht streng prüfen, ob die notwendigen Voraussetzungen für diese Konzessionen gegeben sind. 28 . GELD-MAGAZIN – September 2022
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