GELD-Magazin, September 2022

16 . GELD-MAGAZIN – September 2022 vor Zinszahlungen von einem knappen Prozent des BIP. Mittlerweile ist dieser sogenannte Primärsaldo, der für die Schuldentragfähigkeit von entscheidender Bedeutung ist, auf ein Defizit von durchschnittlich drei Prozent des BIP gestiegen. Mit durchschnittlich 95 Prozent des BIP liegt die Schuldenquote des Euroraums knapp zwölf Prozentpunkte über dem Wert von 2019. In Italien könnte die Staatsverschuldung dieses Jahr sogar 151 Prozent des BIP erreichen.“ Aber nicht nur Italien bereitet Sorgen: Auch in Griechenland, Spanien und Frankreich kracht es. Schuldenquote über 90 Prozent Generell ist die Verschuldung der Euro-Zone in den vergangenen 20 Jahren kräftig gestiegen, und zwar von 69,4 auf 93,4 Prozent, gerechnet als Anteil am BIP der EuroLänder. Frankreich weist dabei im vierten Quartal 2021 mit rund 2,81 Billionen Euro die höchste absolute Staatsverschuldung innerhalb der Europäischen Union auf. Italien liegt mit einer Staatsverschuldung von rund 2,68 Billionen dicht hinter Frankreich, weist aber eine wesentlich geringere Wirtschaftsleistung auf. Daten-Experte Matthias Janson analysiert auf statista.com: „Staatsschulden sind ein wichtiges Instrument der Finanzpolitik und ihre Erhöhung ist in der Krise richtig. Durch den gezielten Einsatz von Staatsschulden können Wirtschaft und die Einkommen gestützt und ein größerer wirtschaftlicher Einbruch vermieden werden. Gleichzeitig ist es wichtig, nach der Krise rechtzeitig wieder umzusteuern.“ Was uns zum Thema Reformen bringt, die nicht nur in „Problemländern“ anstehen. Dringend nötige Reformen Tatsächlich würde die gesamte EU laut Winzer von der Erste Asset Management dringend Strukturreformen benötigen: „Das Problem ist, dass es in der Union keine effiziente, vergemeinschaftete Fiskalpolitik gibt. Im Gegensatz zu den USA, wo Geld von wirtschaftlich stärkeren in schwächere Regionen transferiert wird. Die Schwächen der Fiskalpolitik müssen in der EU von der EZB ausgebügelt werden. Es herrscht also Handlungsbedarf, aber bekanntlich tun Strukturreformen weh. In der aktuellen Situation – Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, hohe Inflation – liegt die Chance für Reformen praktisch bei null. Regierungen schrecken davor zurück, populistischen Parteien noch zusätzliche Munition zu liefern.“ Fazit: Kein Kollaps Die Mehrheit der Experten hält die Situation zwar für ernst aber nicht unlösbar. Auch weil im Zuge der letzten Euro-Schuldenkrise neue Instrumente geschaffen wurden und Ökonomen, Politik sowie EZB jetzt besser vorbereitet sind. Vielleicht bereiten hohe Schulden wirklich weniger schlaflose Nächte als viele Arbeitslose, wie Bruno Kreisky meinte. Er ist ja als „Schuldenkanzler“ in die Geschichte, siehe unten, eingegangen. BRENNPUNKT . Eurokrise 2.0 Italien: Problem des Jahres? Es ist noch nicht lange her, da wurde Italien vom britischen „Economist“ zum Land des Jahres gekürt. Begründet wurde das mit stark steigenden BIP-Wachstumsraten und einem effizienten Krisenmanagement in der Pandemie. Wir schrieben damals das Jahr 2021, aber die Zeiten haben sich schnell geändert. Sehr schnell. Politisch instabil Heute ist Bella Italia nämlich wieder das „Problemkind“ der Euro-Zone. Denn der Schuldenberg wächst und die Rendite von Staatsanleihen hat ein besorgniserregendes Niveau erreicht. Die Tendenz zu steigenden Zinsen trägt vermehrt zur Brisanz der Situation bei. Simona Gambarini, Market Strategist bei Goldman Sachs, analysiert, dass das Land sein BIP-Wachstums-­ Potenzial durch Reformen und Investitionen deutlich erhöhen und die Situation entschärfen könnte: „Dafür ist aber Kontinuität in der Politik erforderlich“, so die Expertin. Gerade die fehlt allerdings in Italien, wo Rechtspopulisten an die Macht drängen. Einschneidende Reformen erscheinen illusorisch. RANKING DER SCHULDENMACHER BUNDESKANZLER NEUVERSCHULDUNG PRO AMTSJAHR SCHULDENENTWICKLUNG gemessen am BIP Werner Faymann (SPÖ) 93,3 Mrd.€ 12,53 Mrd.€ +15,8 % Franz Vranitzky (SPÖ) 71,2 Mrd.€ 6,70 Mrd.€ +18,0 % Sebastian Kurz (ÖVP) 53,8 Mrd.€ 13,30 Mrd.€ +9,0% Wolfgang Schüssel (ÖVP) 43,9 Mrd.€ 6,33 Mrd.€ +0,6 % Bruno Kreisky (SPÖ) 33,3 Mrd.€ 2,55 Mrd.€ +126,0 % Alfred Gusenbauer (SPÖ) 20,0 Mrd.€ 10,58 Mrd.€ +1,2 % Fred Sinowatz (SPÖ) 16,2 Mrd.€ 5,28 Mrd.€ +9,0% Viktor Klima (SPÖ) 12,2 Mrd.€ 4,05 Mrd.€ -1,3 % Brigitte Bierlein -2,2 Mrd.€ -3,76 Mrd.€ -1,8% Christian Kern (SPÖ) -3,5 Mrd.€ -2,17 Mrd.€ -5,5 % Quelle: staatsschulden.at

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