GELD-Magazin, September 2022

12 . GELD-MAGAZIN – September 2022 nis erteilt. Die höhere Nachfrage nach Energie nach der Corona-Pandemie traf nun ab März 2022 zusätzlich auf ein verknapptes Angebot aus Russland – über einige EU-Länder wurde überhaupt ein Lieferstopp verhängt. Die Liefermenge via Nord Stream 1 wurde seit Juni auf rund 20 Prozent der Transportkapazität reduziert (auf täglich etwa 33 Millionen Kubikmeter oder 413 GWh). Gleichzeitig waren die Vorräte nach dem Winter knapp. Am Spotmarkt für Erdgas (Dutch TTF Natural Gas) wird der Preis nach Angebot und Nachfrage festgesetzt. Erdgas, das über Pipelines geliefert wird, kann nicht rasch durch andere Quellen substituiert werden, und so zahlen wir kurioserweise durch die Preissteigerung für stark reduzierte Gaslieferungen nun deutlich mehr als für 100 Prozent vor einem Jahr. Speicherbefüllung hat Priorität In Österreich liegt der Jahresverbrauch an Gas bei rund 98,1 TWh, alle Speicher hierzulande fassen laut E-Control rund 95,5 TWh, stehen aber nicht alleine Österreich zu. Derzeit (27. August) wurde eine Befüllung aller Gasspeicher in Österreich von durchschnittlich 61,4 Prozent gemeldet. Energieministerin Eleonore Gewessler ist noch zuversichtlich, dass der angestrebte Befüllungsstand von 80 Prozent bis November erreichbar sei. Im Befüllungsziel inkludiert ist eine seit Mai zugekaufte staatliche Strategische Reserve in der Höhe von 20 TWh, die ab 1. November zur Verfügung stehen soll. Erst im Juli wurden von der Regierung die restlichen 12,3 TWh um drei Milliarden Euro gekauft (~244 Euro /MWh), die ab August nach und nach in den Gasspeicher Haidach eingebracht werden sollen. Vorausgesetzt, die Befüllung gelingt, würde die Strategische Reserve den Gasverbrauch der österreichischen Endkunden von rund zwei Wintermonaten abdecken (in den sechs Wintermonaten Oktober 2021 bis März 2022 lag der Gesamtverbrauch an Erdgas in Österreich bei 65 TWh). Man kann es drehen und wenden, wie man will, die Versorgungssicherheit bei Erdgas hängt noch immer von der weiteren Lieferung Russlands ab, auch wenn alternative Lieferanten – wie z.B. Norwegen, die Arabischen Emirate und die USA (via LNG) – teilweise einspringen können. Deshalb geht die große Angst um, dass es nach einem möglichen Erdgas-Lieferstopp zu Rationierungen von Lieferungen an die Industrie kommen könnte (Energielenkungsfall, siehe Kasten rechts). „Niemand von uns ist blauäugig“, meint Gewessler, „im Ernstfall kommt ein harter Winter auf uns zu.“ Für diesen Fall hat Agenda Austria drei Szenarien entworfen: In der pessimistischen Annahme würde Österreich den Anteil russischen Gases nur zu fünf Prozent ersetzen können und die Bevölkerung würde nichts einsparen. Dann droht uns ein BIP-Rückgang um gut fünf Prozent und etwa 90.000 Arbeitsplätze wären gefährdet. Im optimistischen Szenario – Ersatzmöglichkeit von rund zwei Drittel des Gasbezuges und Einsparung von knapp 20 Prozent durch die Bevölkerung – würde sich der BIPRückgang auf 2,6 Prozent beschränken und die Anzahl der gefährdeten Arbeitsplätze auf 45.000. Übergewinne abschöpfen? Nun wurde der Strom in Österreich im Winter 2021/22 (38 TWh) laut E-Control zu 45 Prozent durch Wasserkraftanlagen, zu 35 Prozent durch Wärmekraftwerke und zu 13 Prozent aus Windkraftanlagen generiert. Der größte Stromproduzent ist die Verbund AG, Das Merit-Order-Prinzip besagt, dass die Grenzkosten jenes Kraftwerkes den Strompreis bestimmen, das zur Bedienung des Strombedarfes noch zugeschaltet werden muss. Daher hat auf den Strompreis auch der Gesamtstrombedarf einen großen Einfluss. Das Merit-Order-Prinzip im europäischen Stromhandel Quelle: Statista/IWF „Im Juni war der Österreichische Strompreisindex drei Mal so hoch wie im Vorjahr. Der Österreichische Gaspreisindex lag im Jahresvergleich sogar um ganze 424 Prozent höher.“ Franz Angerer, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur BRENNPUNKT . Energiekosten Credits: Österreichische Energieagentur

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