GELD-Magazin, Juli/August 2022
Böse Wirtschaft, gute Wirtschaft. Über Jahrzehnte hinweg galt der Kommunismus inklusive seiner Proponenten als das Reich des Bösen (Copyright Ronald Reagan). Der Wegbruch des „real existierenden Sozialismus“ führte nicht gerade zu einem Imagewandel; schlichtweg sind Marx, Engels und Co. aber in Vergessenheit geraten. Oder etwa doch nicht? Denn gerade heute feiert wiederum Anti-Kapitalismus ein Come- back. Die Kritikpunkte lauten ohne Anspruch auf Vollständig- keit: Kapitalismus führe zu Hunger und Armut, zu steigender Ungleichheit, zu überflüssigem Konsum, zu Umweltzerstö- rung und Klimawandel. Im Kapitalismus zähle nur der Profit zulasten der Menschlichkeit, im Kapitalismus dominierten Monopole, und die Demokratie werde ausgehöhlt. Sind solche Vorwürfe nun wirklich gerechtfertigt? Nein, wenn es nach dem Bestsellerautor, Soziologen und Historiker Rainer Zitel- mann geht. Im vorliegenden Buch setzt er sich mit den Haupt- Argumenten der Kapitalismus-Kritiker ausführlich auseinan- der und kommt zu dem Schluss: Nicht der Kapitalismus hat versagt, sondern alle antikapitalistischen Experimente der vergangenen 100 Jahre. Denn Sozialismus sehe auf dem Pa- pier immer gut aus, außer wenn es ein Geschichtsbuch ist, so der Auto ironisch. Alle sozialistischen Regime, die sich auf Marx berufen, seien gescheitert. Ob in der Sowjetunion, in China (das sich ebenfalls weit von der Ursprungsidee entfernt hat), Jugoslawien, in der DDR, Nordkorea oder Albanien. Hat also der Kapitalismus unwiderrufbar gesiegt? Zitelmann sieht das so: „Natürlich wird sich auch der Kapitalismus entwickeln und verändern. Es liegt sogar eine der entscheidenden Stär- ken dieses Systems darin, dass es sich immer wieder verändert und anpasst – sonst wäre es nicht so erfolgreich.“ Die 10 Irrtümer der Anti-Kapitalisten Rainer Zitelmann. Verlag: FBV. 461 Seiten. ISBN: 978-3-95972-546-0 BUCHTIPPS . Neuerscheinungen & Pflichtlektüre Credits: beigestellt Kampf dem Fake. Die Erderwärmung sei eine Propaganda- Lüge Chinas, um die US-Wirtschaft zu schädigen. Diese und ähnliche Abstrusitäten stammen aus dem Mund von – richtig geraten – Donald Trump. Der Ober-Leugner der Klimakrise wurde zwar bekanntlich unfreiwillig zum Rücktritt gezwun- gen, seine Ideen leben allerdings weiter. Wohinter laut dem Klimawissenschafter Michael E. Mann eine tatkräftige Lobby steht. In „The New Climate War“ zeigt er auf, wie die fossile Brennstoffindustrie seit 30 Jahren eine Kampagne führt, um von Schuld und Verantwortung abzulenken und Maßnahmen gegen den Klimawandel zu verzögern. Jetzt liegt dieses Buch auch in deutscher Übersetzung als „Propagandaschlacht ums Klima“ vor. Wobei überaus interessant ist, dass nicht nur auf aktuelle „Nebelkampagnen“ eingegangen, sondern auch ein Blick in die jüngere Geschichte zurückgeworfen wird. So ver- suchte die Tabakindustrie Mitte des 20. Jahrhunderts die ein- deutigen Beweise für den gefährlichen Suchtfaktor ihrer Pro- dukte zu verschleiern. So wurden „Experten“ beauftragt, um die Arbeit anderer Forscher zu diskreditieren. In den 1960er Jahren machten sich wiederum Pestizidhersteller die Abwehr- strategie der Tabaklobby zu eigen. Der Autor spricht in diesem Zusammenhang von einer „Globalisierung des Leugnens“, so zu sehen als Gegenreaktion auf die Umweltbedrohung durch sauren Regen sowie Ozonabbau in den 1970er und 1980er Jahren. Nahtlos flossen dann bald die Scheinargumente der Klimaleugner ein, denen Experte Mann mit der Anhäufung von Fakten das Wasser abzugraben versucht. Er will mit sei- nem Buch also für Aufklärung sorgen, inklusive (auf der ande- ren Seite des Spektrums) einer Bekämpfung von Klima-Unter- gangsstimmung und Hoffnungslosigkeit. Propagandaschlacht ums Klima Michael E. Mann. Verlag: DGS. 453 Seiten. ISBN: 978-3-933634-48-1 74 . GELD-MAGAZIN – Juli/August 2022
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