GELD-Magazin, Juli/August 2022

Maria Katharina Moser, Direktorin der Dia- konie. Die Nichtberücksichtigung umfasst nicht nur die Erhöhung der Gehälter, son- dern auch die Ausbildungsförderung. Diese Diskriminierung prangert auch Anna Parr, Generalsekretärin von Caritas Österreich, an. „Hier erwarten wir Nachbesserungen, denn Gehaltserhöhungen sowie Ausbil- dungsförderungen müssen allen Menschen im Pflege- und Betreuungsbereich gleicher- maßen zuteilwerden.“ Wer eine Erstausbil- dung in einem Pflegeberuf macht, erhält zu- mindest 600 Euro pro Monat für Ausbil- dungen in Gesundheits- und Krankenpflege- schulen und Fachhochschulen. Für Perso­ nen, die an einer vom AMS geförderten Aus- bildung zur Pflegeassistenz, Pflegefachassi- stenz oder an einer Schule für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege studieren, gibt es während einer – vom AMS geför- derten – Ausbildung ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro pro Monat. Trotz aller Kritik kann Parr der Reform auch Positives abgewinnen. „Die geplanten Mittel für die Länder, um höhere Gehälter auszu- bezahlen und finanzielle Anreize etwa in Form des Ausbildungsbonus zu schaffen, sind wichtig und richtig. Denn um einem Pflegenotstand entgegenzusteuern, braucht es Anreize, die es attraktiv machen, den Be- ruf zu erlernen.“ NochVerbesserungspotenzial bei pflegenden Angehörigen Neben den Verbesserungen im Bereich des Pflegepersonals bekommen auch die pfle- genden Angehörigen einen Teil vom Re- formkuchen. Die Erhöhung des Demenzzu- schlages beim Pflegegeld, die Ausdehnung des Rechtsanspruches auf Pflegekarenz von einem auf drei Monate und vor allem der Angehörigenbonus sind Verbesserungen, die auch von den NGOs anerkannt werden. Trotzdem sind diese Verbesserungen nach Meinung vieler Experten nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Ein Beispiel dafür bildet der Angehörigenbonus von 1.500 Euro ab dem Jahr 2023 für die Person, die den größ- ten Teil der Pflege zu Hause leistet und selbst- oder weiterversichert ist. Die Volks- hilfe kritisiert, dass diese Regelung nur 24.000 der insgesamt 950.000 pflegenden Angehörigen betrifft. Die große Anzahl der pflegenden Angehörigen sei bereits in Pensi- on und kommt nicht in den Genuss dieses Bonus, so die Volkshilfe. „Hier entsteht eine Ungerechtigkeit, die dringend ausgeglichen werden sollte“, so Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe. Jürgen Holzinger, Obmann des Vereins ChronischKrank Österreich, sieht kaum Verbesserungen im Bereich der Pflegebedürftigen und deren Angehörigen. „Die Pflege zu Hause wird für viele bald nicht mehr leistbar sein.“ Stationär vs. Mobil Mit dem Reformpaket ist also lange nicht al- les getan, sind sich die NGOs einig. Immer- hin werden 80% der Pflege zu Hause gelei- stet. Es brauche noch mehr, um die Stärkung der Pflege und Betreuung zu Hause zu ge- währleisten. Das betrifft pflegende Angehö- rige ebenso wie professionelle Angebote im mobilen Bereich wie Hauskrankenpflege, Heimhilfe und mehrstündige Tagesbetreu- ung zu Hause, aber auch die 24-Stunden-Be- treuung, so das Hilfswerk. Im Bereich der 24-Stunden-Betreuung, die derzeit mit ma- ximal 550 Euro ab Pflegestufe 3 gefördert wird, werden von Seiten der Regierung noch Verbesserungen versprochen. Durch eine Verbesserung der arbeitsrechtlichen Bedin- gungen soll eine Attraktivierung der un- selbstständigen Beschäftigung der 24-Stun- den-Betreuung geschafft werden. Gerade die Förderung des mobilen Bereichs, z.B. zur Unterstützung der pflegenden Angehörigen, wäre kosteneffizienter als die Pflege im Pfle- geheim, die das Ressourcenintensivste ist, wie das Hilfswerk anmerkt. „Es sind in Sum- me mehr Menschen als notwendig im Pfle- geheim“, so Elisabeth Anselm, Geschäftsfüh- rerin des Hilfswerks. Zwischen 2016 und 2019 stieg die Anzahl der betreuten Per- sonen in den Pflegeheimen, vor allem auf- grund der Abschaffung des Pflegeregresses, um rund 30%, während im mobilen Bereich der Anstieg 4% ausmachte. „Allein der Zu- wachs der Bruttokosten für stationäre Pflege zwischen 2017 und 2019 übersteigt die Ge- samtkosten für die mobilen Dienste“, sagt Anselm zur Schieflage des Systems. Wichtigsten Punkte der Pflegereform: Gehälter: 520 Mio. werden vom Bund bereitgestellt und an die Länder verteilt, die mit den So- zialpartnern über die Verteilung entscheiden. Entlasten soll eine zusätzliche Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr und zwei Stunden Zeitausgleich pro Nachtdienst. Kompetenz: Pflegefachas- sistenzen dürfen künftig teils auch Infusionen setzen und wei- tere Aufgaben übernehmen. Erleichterung bei Zuwande- rung: Zugang zur Rot-Weiß-Rot- Karte für ausländische Pflegekräf- te wird erleichtert. Ausbildungen sollen einfacher anerkannt werden. Ausbildung: In Erstausbildung und Praktikum erhält man 600 Euro, die AMS-Ausbildung für Pflegeberufe ist mit 1.400 Euro pro Monat gefördert. Die Pflegelehre kommt auf Probe. Betroffene und Angehörige: bekommen Pflegekurse, früher Anspruch auf Ersatzpflege und für einen Teil einen 1.500-Euro-Bonus ab Pflegestufe 4. Für Menschen mit schweren psychischen Behinde- rungen und Demenz gibt es eine Erhöhung des Pflegegelds. Künf- tig besteht drei Monate Rechts- anspruch auf Pflegekarenz. Juli/August 2022 – GELD-MAGAZIN . 73 „Die geplanten Mittel für die Länder, um höhere Gehälter auszubezahlen und finanzielle Anreize etwa in Form des Aus­ bildungsbonus zu schaffen, sind wichtig und richtig.“ Anna Parr, Generalsekretärin von Caritas Österreich

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