GELD-Magazin, Juli/August 2022

Auch die zweite Jahreshälfte wird für Anleger herausfordernd Nach einem schwierigen ersten Halbjahr mit geopolitischen Verwerfungen und einer stark angestiegenen Inflation, fragen sich die Investoren wie sich die Märkte in der zweiten Jahreshälfte entwickeln werden. Diese Frage ist generell schwer zu beantworten, ak- tuell aber umso mehr, da die Zentralbanken bei ih- rem Kampf gegen die Inflation Neuland betreten. Auch die aufgrund des Krieges in der Ukraine aus dem Blickfeld gerutschten Spannungen zwischen China und Taiwan könnten zukünftig negative Aus- wirkungen auf die Wertpapiermärkte haben. Unternehmen stärker belastet Hinzu kommt das die „China First“-Politik der chine- sischen Regierung schon heute die Gewinnerwar- tungen von global agierenden Unternehmen, insbe- sondere aus dem Konsumsektor, belastet. Die Märkte werden aber nicht nur durch die geopolitische Lage und die veränderte Zentralpolitik beeinflusst. Zu- sätzlich zu steigenden Finanzierungskosten belasten die steigenden Preise für Energie die Unternehmen massiv. Zudem muss in vielen Branchen die Produk- tion gedrosselt werden, da weiterhin Bauteile fehlen oder Lieferketten, zum Beispiel durch die Covid-19 bedingte Schließung des Hafens in Schanghai, unter- brochen wurden. Ebenso ist zu erwarten, dass sich die, aufgrund der gestiegenen Ausgaben für Energie und Lebensmittel, sinkende Konsumbereitschaft der Verbraucher negativ auf die Gewinnerwartungen der Unternehmen auswirkt. Verändertes Anlegerverhalten Das sich verändernde Marktumfeld hat auch die Prä- ferenzen der Anleger deutlich verändert und so wei- sen die Aktien von vielen der Favoriten aus den letz- ten Jahren, insbesondere aus dem Technologiesek- tor, für die erste Jahreshälfte deutliche Kursverluste aus. Ob diese Werte auf den jetzigen Niveaus bereits als preiswert einzustufen sind, bleibt noch abzuwar- ten. Gleichzeitig wurden die sogenannten Valuetitel von den Investoren stärker nachgefragt. Allerdings weisen auch viele dieser vermeidlich defensiven Ti- tel, spätestens seit Mitte Juni, Kursverluste für das Jahr 2022 aus. Somit ist davon auszugehen, dass die Anleger ihr Portfolio, auch im zweiten Halbjahr, durch schwie- riges Fahrwasser steuern müssen. Fazit Aufgrund dieser komplexen Gemengelage fällt es schwer, konkrete Empfehlungen für Investitionen zu geben. Dementsprechend sollten Anleger vorsichtig agieren und ihr Portfolio in Bezug auf die Risikobud- gets für die einzelnen Anlageklassen zumindest neu- tral, wenn nicht sogar defensiv, aufstellen. Da steigende Zinsen zu Kursverlusten bei bestehen- den Anleihen führen, kann es mit Blick auf die sich verändernde Zentralbankpolitik sinnvoll sein, aus- laufende Anleihen bis auf Weiteres nicht zu ersetzen, beziehungsweise bestehende Positionen zu überprü- fen und gegebenenfalls gegen attraktivere Laufzeit- segmente auszutauschen. Im Bereich der Aktien müssen Anleger darauf achten, dass die Werte, in die sie investieren wollen, eine qualitativ hochwertige Bilanz aufweisen und über eine starke Marktpositionen verfügen, die es ihnen folglich erlaubt, Kostensteigerungen an ihre Kunden weiterzugeben. www.lipperleaders.com Detlef Glow, Head of Refinitiv Lipper EMEA Research Juli/August 2022 – GELD-MAGAZIN . 29 GASTBEITRAG . Detlef Glow, Lipper Research FOTO: Archiv; PaTrixs/stock.adobe.com Für den Inhalt der Kolumne ist allein der Verfasser verantwortlich. Der Inhalt gibt ausschließlich die Meinung des Autors wieder, nicht die von Refinitiv.

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