GELD-Magazin, Juli/August 2022

Effektiv investieren in Krisenzeiten Geldinstitute sind aktuell gefordert, ihre Kundinnen und Kunden noch umfassender als bisher zu beraten. Ein Anlage-Mix unter Rücksicht- nahme auf Nachhaltigkeitsthemen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wo liegen im aktuell herausfordernden Umfeld die Bedürfnisse der Anleger? Dr. Wilfried Amann: Die Bedürfnisse der Anlege- rinnen und Anleger variieren in Abhängigkeit zum zugrundeliegenden Alter, der jeweiligen Lebenssitu- ation und dem angestrebten Anlagebetrag. Die jüngs- ten Krisen haben jedenfalls zu einer höheren Sensibi- lität in Bezug auf Risiko geführt. Geld anlegen bedeu- tet heutzutage, die potenziellen Risiken zu verstehen und ein Verständnis für die langfristigen Chancen ei- ner Investition zu entwickeln. Werden durch die Anhebung der Zinsen durch die Europäische Zentralbank Anleihen bald wieder an Attraktivität gewinnen? Karl-Heinz Strube: Aufgrund bereits erfolgter Zins- erhöhungen in den USA bzw. erwarteter Erhöhungen in Europa haben Anleihen wieder an Attraktivität ge- wonnen. Neben dem attraktiven Renditenniveau könnten auch eventuelle Kurserholungen für ein In- vestment in Anleihen sprechen. Die US-Notenbank gilt seit jeher als Vorreiter und Impulsgeber der welt- weiten Notenbankpolitik. Der Handlungsspielraum der EZB ist aufgrund der Überschuldungssituation einiger Eurostaaten deutlich kleiner. Wir erwarten, dass die EZB Zinsanhebungen in kleineren Schritten umsetzen wird. Im Aktienbereich haben die Pandemie sowie der Krieg in der Ukraine für Instabilität ge- sorgt. Welchen Einfluss spielt dieses Szenario bei der Sektor-Auswahl? Dr. Wilfried Amann: Der Krieg in der Ukraine hat deutlich gemacht, wie abhängig wir Europäer von der russischen Energieversorgung sind. In diesem Zusammenhang erlebt der Sektor der Erneuerbaren Energien eine Renaissance. Beschleunigt wird diese Entwicklung auch durch die Tatsache, dass das EU- Parlament den Verkauf von Neuwagen mit Verbren- nungsmotor ab 2035 verbieten möchte. Der Sektor Elektromobilität genießt eine konstant hohe Nach- frage und wird womöglich das Anlagethema des Jahrzehnts. Die Sektoren Industrie und Nicht-Basis- konsumgüter wirken hingegen angeschlagen. Die Lieferketten sind nach wie vor angespannt, die Preise im Einkauf steigen dynamisch oder verharren auf ho- hem Niveau und das Konsumverhalten schwächt sich gemessen an den Frühindikatoren ab. Das Thema „Saubere Energie” ist in aller Munde. Man fragt sich jedoch: können wir uns diesen Luxus in der momentanen Situation überhaupt noch leisten? Karl-Heinz Strube: Die Kosten der Energieversorgung für den Endverbraucher sind stark gestiegen und es stellt sich die Frage, zu welchem Preis wir nachhal- tige Ziele verfolgen. Auf der einen Seite wird die Kli- maneutralität mit all ihren Implikationen angestrebt, auf der anderen Seite darf die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen dadurch nicht zerstört werden. Die- ser transformative Prozess, saubere Energie in un- seren Strommix zu integrieren, und insgesamt nach- haltig zu werden, benötigt eine Übergangszeit. Um diese herzustellen und die Wirtschaftlichkeit unserer Unternehmen zu schützen, muss darüber diskutiert werden, ob das zeitweise Aktivieren von Kohlekraft- werken sinnvoll ist. Gerade auch, weil ein Einbruch der Wirtschaft weitreichende Folgen für den Arbeits- markt und damit das Einkommen der privaten Haus- halte hätte. Wie lautet Ihr abschließender Anlegerrat in diesem unsicheren Umfeld? Dr. Wilfried Amann: Eine global und nachhaltig aus- gerichtete Investmentstrategie, wie wir sie z.B. in un- serer Vermögensverwaltung anstreben, sorgt auch in solchen Phasen für ruhigere Verläufe. Eine Vermö- gensstruktur über Länder, Branchen und Anlageklas- sen hinweg ist noch immer der beste Schutz gegen Krisen, verlangt aber auch eine gewisse Disziplin. Unsere Beraterinnen und Berater stehen Ihnen gerne für ein Gespräch zur Verfügung. www.hypovbg.at SOMMERGESPRÄCH . Wilfried Amann & Karl-Heinz Strube, Hypo Vorarlberg Bank AG Dr. Wilfried Amann, Vorstand, Hypo Vorarlberg EINSCHALTUNG – FOTOS: beigestellt/A. Lamprecht Karl-Heinz Strube, Leiter Asset Management, Hypo Vorarlberg Juli/August 2022 – GELD-MAGAZIN . 15

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