GELD-Magazin, Juli/August 2022
Ist der Boden schon erreicht? Die Berg- und Talfahrt an den Börsen geht weiter, wobei die Märkte eher nach unten tendieren. Hauptverantwortlich dafür ist die hohe Inflation, die vor allem in den USA hartnäckiger ist als angenommen. Die Erwartung ist, dass die US-Notenbank FED nun aggressiver reagieren muss und die Zinsen deutlich schneller angehoben werden als noch vor einem Mo- nat angenommen. Die Märkte zollen dieser Entwick- lung Tribut: Der Weltaktienindex in Euro ist mit rund 13 Prozent im Minus, Technologieaktien rund 23 Prozent und europäische Aktien je nach Index knapp 15 Prozent. Auch wer stärker auf Anleihen setzte, wurde dieses Jahr bitter enttäuscht, fielen doch die sicheren Staatsanleihen in Europa etwas mehr als 12 Prozent über alle Laufzeiten gerechnet. Unternehmens- und High Yield-Anleihen haben nicht viel weniger verlo- ren, auch wenn die Zinssensitivität (Duration) hier deutlich geringer ist. Die Ursache für diese Entwicklung ist bekannt, Infla- tionszahlen wie wir sie seit den 80er Jahren nicht mehr gesehen haben. Anfangs wurden diese als kurz- fristiges Phänomen der Pandemiebekämpfung und wieder anziehenden weltweiten Erholung gesehen. Mit dem Krieg in der Ukraine und den folgenden Sanktionen verfestigten sich die Preiserhöhungen aber nachhaltig. Das ultratiefe Zinsniveau der letzten Jahre hat die Aktien- wie auch die Anleihenmärkte in lichte Höhen getragen, daher ist nun der Richtungs- wechsel umso heftiger. Für den Anleger positiv sind die nun aktuellen Rendite-Niveaus nach Jahren der negativen Zinsen, so kann man aktuell zehnjährige österreichische Anleihen mit 2 Prozent und deutsche mit 1,45 Prozent Rendite kaufen. Inflationsprognosen Das anfänglich als „vorübergehend“ gedachte Phä- nomen der Inflation beginnt sich zu verfestigen. Die US-Inflation lag im Mai bei 8,6 Prozent im Jahres- vergleich, auch die Services sind um 3 Prozent teurer geworden, d.h. die hohen Energiepreise wir- ken sich breitflächig aus und treiben die Löhne und Gehälter nach oben. Von diesen Dynamiken wird es abhängen, wie stark die Inflation noch steigt und auch wie lange sie noch bestehen bleibt. In Europa haben die Energiepreise noch einen höheren Anteil an der Inflation, 4,5 Prozent von insgesamt 7 Pro- zent, d.h. hier sind wir noch nicht so weit, dass die Kerninflation so stark steigt wie in den USA. Aller- dings liegt es an der EZB, hier nun entscheidend ein- zugreifen und die Zinsen zu erhöhen, bevor es zu ähnlichen Entwicklungen kommt. Welche Faktoren gilt es im Auge zu behalten? Die Prognosen gehen erst Ende 2023 von einer Rückkehr der Inflation auf zwei bis drei Prozent aus. Es ist zu hoffen, dass, wie vielfach erwartet wird, wir jetzt den Höhepunkt des Preisauftriebs gesehen haben. Das wird vor allem von den sogenannten Zweitrunden-Effekten abhängen, also, ob die gestie- genen Preise auch Löhne und Gehälter in die Höhe treiben. Bei den Anleihen stellt sich die Frage, wieviel Real- verzinsung bei Staatsanleihen von der EZB zugelas- sen wird. In den letzten Jahren war diese negativ, langfristig war sie aber immer zwischen ein und drei Prozent. Bei der Frage, ob wir eine Rezession in den USA und/oder auch in Europa erwarten, schauen wir vor allem auf die Einkaufsmanager-Indizes, die sich zwar verschlechtert haben, aber überwiegend noch immer über der kritischen 50-Punkte-Marke liegen. Auch andere Indikatoren lassen aktuell auf keine Re- zession schließen. Für eine nachhaltige Verbesserung an den Kapital- märkten benötigt es einen deutlichen Rückgang der Inflationszahlen, sodass man wirklich davon ausge- hen kann, dass wir uns in Richtung zwei bis drei Pro- zentpunkte Preisauftrieb bewegen. Im laufenden Quartal wird mit einem leichten Rück- gang des Wachstums der Unternehmensgewinne in den USA und in Europa gerechnet. Erholung bei den Gewinnerwartungen ist dann ab dem dritten Quartal in Sicht. Angesichts der unsicheren Aussichten sollte man mit Zukäufen im Aktienbereich noch zuwarten. Aktuell bleiben wir weiterhin untergewichtet in den Aktienmärkten und bei Anleihen möglichst kurz www.kathrein.at GASTBEITRAG . Harald P. Holzer, Kathrein Privatbank Harald P. Holzer, Mitglied des Vorstands und Chief Investment Officer der Kathrein Privatbank EINSCHALTUNG – FOTO: beigestellt Disclaimer: Diese Information stellt die Hausmeinung der Kathrein Privatbank zur Marktentwicklung dar und beinhaltet keine Anlageempfehlung. Juli/August 2022 – GELD-MAGAZIN . 11
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