GELD-Magazin, Juni 2022
dardverzinsung für das gebundene Kapital hinausgeht, ist die freie Cash-Flow-Rendite. Die wird abdiskontiert und mit dem aktu- ellen Marktwert verglichen. Warum sind diese Daten wichtig? Firmen ohne hohen Kapitalumschlag und/ oder mit geringer Kapitalbindung weisen ei- nen recht guten Inflationsschutz auf. Und das Thema der Inflationsresistenz ist doch angesichts rekordhoher Preissteigerungen an den Finanzmärkten aktuell von großer Bedeutung. Unternehmen mit hohem Kapi- talumschlag, die also etwa ihre Anlagen in- nerhalb von fünf Jahren zur Gänze erneu- ern müssen, werden Schwierigkeiten be- kommen, dies zu tun, wenn die Inflation so hoch bleibt. Daher ist eine hohe zukünftige Kapitalbindung in Zeiten hoher Inflation ein Alarmsignal. Wir rechnen auch damit, dass die Inflation auf hohem Niveau ver- bleibt. Unsere Inflations-Absicherung bei vielen unserer Fonds hat sich jedenfalls be- zahlt gemacht. Allerdings sind inflationsresistente Un- ternehmen, vor allem jene aus dem Tech- nologiebereich, zuletzt an den Börsen hart abgestraft worden … Ja, das stimmt. Vielleicht tun sich da gerade neue Investmentchancen auf. Denn etwa bei Google kostet ein zusätzlicher Kunde wirklich nicht viel, das sieht bei weniger in- novativen traditionellen Unternehmen schon ganz anders aus. Wie schätzen Sie die großen Markttrends für die nächsten Jahre ein? Wir sehen derzeit eine große Transformati- on bei den wichtigsten Makrofaktoren. 1990 haben sich China und der Ostblock ge- öffnet und die Zinsen gingen in einen jahr- zehntelangen Abwärtstrend. Heute erleben wir das genaue Gegenteil. Wir zahlen nun für die Schulden der Vergangenheit mit ei- ner extrem hohen Preissteigerungsrate. Im- merhin haben wir unsere vermögensver- waltenden Fonds dagegen abgesichert. Po- sitiv für uns sollte sich auch die Umstellung auf Nachhaltigkeit auswirken. In diesem Zusammenhang ist uns auch die Treibhaus- gas-Neutralität sehr wichtig. Hier haben wir eine innovative Methode entwickelt, um unsere Fonds klimaneutral zu gestalten. Wir kaufen für unsere Top-Fondswerte Emissi- onszertifikate und legen sie danach still. Dadurch machen wir unsere nachhaltigen Fonds klimaneutral. Wie gehen Sie dabei vor? Angenommen, ich habe eine Aktie, und die verursacht zehn Tonnen CO 2 . Dann würden wir zehn Verschmutzungsrechte der EU ver- schenken und an eine Stiftung spenden, die die CO 2 -Zertifikate in ein Konto legt und nie wieder anfasst. Damit habe ich die Ver- schmutzungen, die auf meine Portfolio-Fir- ma entfallen, dem allgemeinen Markt ent- zogen. Gleichzeitig kaufen wir für jeden An- teil, den wir stilllegen, einen Anteil, den wir behalten. Von dem gehaltenen Anteil er- warten wir, dass er im Wert steigt, so dass wir unterm Strich plus/minus null heraus- kommen. So können wir eine Klimaneutra- lität erreichen, ohne dass es die Fonds zu sehr belastet. Sie kaufen die normalen EU-Verschmut- zungsrechte? Genau. Und wenn sich der Preis erhöht, passieren plötzlich die tollsten Dinge. Vo- rausgesetzt, es handelt sich um eine relativ freie Marktwirtschaft. Und wir erhöhen den Preis, indem wir Verschmutzungsrechte für immer stilllegen und damit das Angebot verknappen. Auch beim Thema Kryptowährungen waren Sie einer der wenigen Vorreiter ... Ja, Wir haben aktuell etwa 5,5 Prozent Bit- coin- und Ethereum-Anteil im Fonds Acatis Datini Valueflex. Außerdem halten wir dort die Aktie der Kryptobörse Coinbase mit knapp einem Prozent. Und ich überlege auf- zustocken. Denn die Story ist nach wie vor intakt: Bei Bitcoin ist das Angebot begrenzt, die Nachfrage tendenziell unbegrenzt. Die Produkteigenschaften sind wie bei Gold: Fungibilität, Teilbarkeit, universelle Be- kanntheit. Ich will hier noch lange inve- stiert bleiben. www.acatis.de ZUR PERSON Hendrik Leber, geboren 1957 in Essen, studierte Betriebswirtschaft. Nach sei- ner Promotion arbeitete er bei der Unter- nehmensberatung McKinsey und beim Bankhaus Metzler. 1994 gründete er in Frankfurt die Acatis Investment. Kern- kompetenz des selbstständigen Vermö- gensverwalters ist das wertorientierte Anlegen (Value Investing) nach Benja- min Graham und Warren Buffett. Den Ansatz erweiterte Leber auf Titel der Gesundheits- und Technologiebranche. Acatis verwaltet in Publikums- und Spe- zialfonds ein Vermögen von mehr als 13 Milliarden Euro. Wir sind in puncto Nachhaltigkeit deutlich besser aufgestellt als der maßgebliche Solactive Index. 26 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022 INTERVIEW . Hendrik Leber, Acatis
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