GELD-Magazin, Juni 2022

Das Wachstum stärken D ie Nachwehen der Corona-Pande- mie, extreme Inflationszahlen und der Ukraine-Krieg: Die Welt- wirtschaft wird auf eine harte Zerreiß-Probe gestellt. Österreich hält sich in dieser histo- risch kaum vergleichbaren Situation passa- bel. Aber es kann, wie man in Wien so schön sagt, ruhig noch „ein bisserl mehr sein“. Nämlich mehr Wachstum für die heimische Volkswirtschaft und gesteigerter Wohlstand für die Bevölkerung. Diese Ziele verfolgt der neugegründete Produktivitätsrat. Wie diese Instanz funktionieren soll, erklärt Christoph Badelt im Gespräch mit dem GELD-Magazin. Der bekannte Wirtschaftsforscher führte früher die WU Wien sowie das WIFO, jetzt steht er an der Spitze des Produktivitätsrats. Im Interview verrät Badelt aber auch, wie er die gesamte ökonomische Situation im Schatten des Krieges in der Ukraine ein- schätzt und wie ein Ausgleich der Inflation gelingen könnte. Der diskutierten Senkung von Mineral- oder Mehrwertsteuer erteilt er dabei eine klare Abfuhr, das sei „politische Agitation“. Der gelernte Österreicher wird sich viel- leicht fragen, warum wir neben einem Fiskalrat und zahlreichen Wirtschaftsfor- schungsinstituten jetzt auch noch einen Produktivitätsrat brauchen? Diesen Einwand habe ich bereits öfters ge- hört, ich verstehe auch die Skepsis der Be- völkerung, wenn gefühlt alle zwei Wochen eine neue Instanz installiert wird. Es ist aber so: Beim Produktivitätsrat handelt es sich nicht um irgendein Gremium, das von ir- gendeinem Politiker nach Belieben ins Le- ben gerufen worden ist. Vielmehr wurde der Produktivitätsrat auf Basis eines eigenen Ge- setzes und einer Empfehlung des EU-Rats gegründet. Diese wurde übrigens bereits 2016 ausgesprochen, es hat mich eigentlich verwundert, warum Österreich so lange zur Umsetzung gebraucht hat. Die meisten Län- der verfügen bereits über so eine Instanz. Welche Aufgaben verfolgt der Produktivi- tätsrat jetzt konkret? Zunächst ist es natürlich wichtig, dass der neue Rat in die Öffentlichkeit „sickert“, dass es sich herumspricht, dass es ihn gibt. Zu den konkreten Zielsetzungen und Metho- den: Es erfolgt eine Diagnose sowie Analyse der langfristigen Antriebsfaktoren und Vo- raussetzungen für Produktivität und Wett- bewerbsfähigkeit, einschließlich Innovation. Untersucht wird auch die Fähigkeit der hei- mischen Volkswirtschaft, Investitionen, Un- ternehmen und Humankapital anzuziehen. Wichtig sind weiters Faktoren, die Auswir- kungen auf Preise und Qualität von Waren sowie Dienstleistungen haben. Es erfolgt eine Bewertung politischer Herausforderun­ gen und Optionen, mit Hinweis auf Zielkon- flikte zwischen verschiedenen Bereichen. Hierbei handelt es sich nicht um akademi­ sche Spitzfindigkeiten, sondern es sollen konkrete Lösungsvorschläge erarbeitet wer- den. Diese kann ich Ihnen jetzt natürlich noch nicht nennen, da wir uns zunächst der Analyse-Phase widmen. Jedenfalls erfolgt die Berichterstattung über die Untersuchungser­ gebnisse jährlich an den Nationalrat. Sie sagten auch, dass nicht nur klassische ökonomische Faktoren in Ihre Arbeit miteinbezogen werden, wie ist das zu ver- stehen? Wir verfolgen einen breiten Ansatz, dabei sollen Faktoren wie der Wohlstand der Be- völkerung, sowie der Umwelt- und Sozialbe- reich beachtet und in die wirtschaftspoli- tische Diskussion eingebracht werden. Da- für gibt es sicher nicht einen einzigen, son- dern eine Vielzahl von Indikatoren. Diese gilt es zu finden bzw. zu erstellen. Bewegen Sie sich dabei in den Bereich der „Glücks-Messung“, hierfür wird ja auch an diversen Indizes gebastelt? Nein, das Konzept einer konkreten „Glücks- Messung“ verfolgen wir nicht. Ich glaube nicht, dass so ein Unterfangen gelingen kann, denn dafür ist Glück zu individuell de- finiert. Stattdessen suchen wir nach fun- diertem, systematisch-empirischem Daten- material. Eine wichtige Orientierungshilfe werden dabei mit Sicherheit die von den Vereinten Nationen definierten Sustainable Development Goals (SDGs) sein. Darf man auch fragen, wieviel der Pro- duktionsrat kostet? Und mit wem arbei- ten Sie zusammen? Laut Gesetz überweist das Finanzministeri- um jährlich 200.000 Euro an die Oesterrei- chische Nationalbank, welche den Produkti- vitätsrat beheimatet. Ich selbst erhalte eine geringe Aufwandsvergütung. Zu den Koope- rationen: Wir werden auf vorhandenen Vor- ÖsterreichsWirtschaft könnte noch besser laufen, ihre Produktivität soll durch ein neugegründetes Gremium gesteigert werden. SeinVorsitzender, Christoph Badelt, erklärt, wie das gelingen soll. HARALD KOLERUS Credit: OeNB Von einer Senkung der Mehrwert- oder Mineralölsteuer rate ich ab. Das ist politische Agitation. 16 . GELD-MAGAZIN – Juni 2022 INTERVIEW . Christoph Badelt, Produktivitätsrat

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=