GELD-Magazin, Juni 2022

Ausstiegsplan für Österreich Die Österreichische Energieagentur hat einen Plan ausgearbeitet, um auf russisches Erdgas verzichten zu können. Der Ausstieg soll bis 2027 ohne größere Wirtschaftsschäden gelingen. Sollte Putin aber jetzt schon den Hahn zudrehen, droht die Rezession. Seltsame Gas-Geschäfte Energie ist eine starke politische Waffe. Hier stellt sich die Frage, warum Russ­ land seine Drohungen nicht wahr­ macht und den Gas- bzw. Ölhahn für die gesamte EU abdreht? Die Antwort lautet: Putin ist auf die sprudelnden Einnahmen aus demWesten für die Finanzierung seiner Kriegsmaschine­ rie angewiesen. Aber warum sabotiert die Ukraine nicht einfach die Gas- Pipelines, die ja durch ihr Land flie­ ßen? (Sie unterhält immerhin ein rund 38.000 Kilometer langes Gasnetz.) Lebensader Auch hier ist die Antwort beinahe tri­ vial: Die Ukraine benötigt Putins Gas zur Aufrechterhaltung der eigenen Energieversorgung. Immerhin ist sie der sechstgrößte Erdgasverbraucher der Welt. Etwa 25 Prozent ihres Bedarfs produziert das Land selbst, weitere 40 Prozent bezieht sie über Russland aus Turkmenistan. Und: Der Rest (rund 35 Prozent) kommt aus Russland! Auch in Kriegszeiten. Sie erhält also vom Aggressor Lieferungen als Gegenlei­ stung für den Gastransit nach Eur­ opa und aus Zukäufen vom Feind. go vergeht, hilft, weil die Speicher weiter gefüllt werden können.“ In diesem Zusam- menhang sieht der Experte den österreichi- schen Energie-Notfallsplan und weitere ge- setzliche Maßnahmen in diesem Bereich po- sitiv: „Der Notfallsplan ist ein erster wich- tiger Schritt, was die Bevorratung betrifft, strategische Gas-Reserven machen wie beim Erdöl natürlich Sinn. Österreich sollte seine Stärke bei den großen Gasspeichern voll ausspielen können.“ „Use it or loose it“ Das hat mittlerweile auch die heimische Bundesregierung erkannt und macht ernst: „Use ist or loose it“, lautet die Kampfansage von Bundeskanzler Nehammer gegenüber Russland und Gazprom. Wobei Rückende- ckung von der grünen Umweltministerin Gewessler kommt; die Regierung kann hin und wieder also doch noch Einigkeit zeigen. Im Visier befindet sich vor allem die hoch- moderne Speicheranlage Haidach, die den Jahresbedarf an Erdgas von rund 1,4 Millio- nen Einfamilienhäusern decken kann. Hier können rund 2,9 Milliarden Kubikmeter „gebunkert“ werden, was den Standort im- merhin zum zweitgrößten Erdgasspeicher Mitteleuropas macht. Die Krux dahinter: Haidach wird von Gazprom-Tochterfirmen betrieben, und die füllen den Speicher nicht auf, sondern lassen ihn praktisch austrock- nen. Dem soll nun ein Riegel vorgeschoben werden, indem Haidach sowie alle anderen heimischen Speicher an das österreichische Gas-Netz angeschlossen und so ungenutzte Kapazitäten sichergestellt werden sollen. Strategische Reserve Dem nicht genug: Im Ministerrat wurde eine Novelle des Gaswirtschaftsgesetzes be- schlossen, die als Grundlage für den Aufbau einer strategischen Gasreserve von rund 12,6 Terrawattstunden (TWh) dient. In einem nächsten Schritt soll diese Reserve auf insgesamt 20 TWh aufgestockt werden. Bei der Gas-Beschaffung wird bewusst auf andere Lieferländer als Russland zurückge- griffen (soweit natürlich am Markt verfüg- bar). Damit würde die strategische Reserve den gesamten Gasverbrauch von zwei Win- termonaten abdecken. Soweit der Plan, der durchaus durchdacht und machbar klingt. Sollte etwas schiefgehen, etwa ein abrupter Stop seitens Putins, wird es allerdings eng: Bekanntlich stammen rund 80 Prozent der heimischen Gasimporte aus Russland, Gas zeichnet wiederum zu rund einem Drittel für den gesamten Energieverbrauch in Ös- terreich verantwortlich. Quelle: Österreichische Energieagentur Importe aus Russland 63 TWh andere Importe 16 TWh Erdgas-Produktion 10 TWh Erdgas-Produktion 10 TWh Biomethan + 10 TWh Inländische Aufbringung - 14 TWh Inländische Aufbringung 24 TWh (+ 140%) Bruttoinlands- verbrauch 89 TWh Status-Quo einsparen selbst erzeugen diversifizieren einsparen einsparen selbst erzeugen 2030 Bruttoinlands- verbrauch 60 TWh (- 33% ggü. Status-Quo) - 100% Importe aus Russland bis 2027 Reduktion des Gasverbrauchs - 29 TWh Gesamter Importbedarf 36 TWh (- 54%) andere Importe + 20 TWh (zusätzliche Diversifizierung) andere Importe 16 TWh (Status-Quo) + 4 TWh gH 2 „Der Total-Ausstieg aus russischem Gas ist wahrscheinlich.“ Franz Prettenthaler, Director Joanneum Research – LIFE Juni 2022 – GELD-MAGAZIN . 13

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