GELD-Magazin, Mai 2022
EU:Wirtschaftliche Bedeutung schwindet Der Anteil der EU am globalen BIP geht konstant zurück, dafür hat Asien kräftig aufgeholt. Diese Entwicklung hat auch eine geopolitischen Schwächung Europas zur Folge. Militärisch gesehen ist die EU ohnedies kein Machtfaktor. Westens sollen abgefedert werden“, so Eder. Einen Systemwettbewerb sieht der Experte auch zwischen freier Marktwirtschaft und staatlich gelenkter Ökonomie: „China hat ja durchaus wirtschaftliche Erfolge aufzuwei- sen, es könnte sein, dass zunehmend mehr Staaten das chinesische Modell nachahmen wollen. Nach dem Motto: Mehr Staat, weni- ger Privat.“ Weitere Kriege? Eder sieht leider auch die Gefahr, dass der berühmte Satz von Carl von Clausewitz wie- der an Bedeutung gewinnt: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit ande- ren Mitteln.“ Eder kommentiert: „In Russ- land ist imperiales Denken erwacht. Wenn der Kreml nach seiner Definition den Ukra- ine-Krieg gewinnt, könnte das zu weiteren militärischen Aggressionen animieren. Viel- leicht erneut gegen die Ukraine für zusätz- Quelle: Statista Die Gräben werden tiefer Zumindest eines scheint in der gegen- wärtig sehr aufgeladenen Situation klar: Die Systemkonkurrenz zwischen Demo- kratie und Autokratie wird zunehmen. Außenpolitikexperte Thomas Eder meint dazu: „Dieser Wettbewerb bestand be- reits vor dem Ukraine-Krieg, China hat mit massiven Investitionen und Kredit- vergaben kräftig für sein System gewor- ben. Was mancherorts durchaus auch Anklang findet. Das Beispiel Russlands hat allerdings drastisch vor Augen ge- führt, dass Autokratien bereit sind, ihre Interessen auch mit Gewalt durchsetzen zu wollen.“ Neuer Kriegsschauplatz? Die Gewaltbereitschaft undemokra- tischer Regime lenkt die Augen auf den nächsten Konfliktherd und potenziellen Kriegsschauplatz: Taiwan. Der Inselstaat gilt in den Augen Chinas als „abtrünnige Provinz“, deren Unabhängigkeit nie von Peking anerkannt worden ist. Übrigens auch nicht von den meisten Staaten der Welt, auch den USA nicht. Die USA haben zwar Unterstützung für Taiwan zugesagt, ein militärisches Bündnis exi- stiert allerdings nicht. Das würde die Angriffslust Chinas nur verstärken und vielleicht sogar beschleunigen, lautet die nicht unbegründete Befürchtung. Hinzu kommt aktuell verschärfend, dass die USA als Reaktion auf den Ukraine- Krieg Ressourcen in Europa bündelt, die in Asien fehlen. Xi Jinping, der mittlerweile uneingeschränkte Macht- haber im Reich der Mitte, hat hinge- gen bereits mehrmals verfestigt, dass Taiwan zum Mutterland zurückkommen müsse. Ein Rückzieher von dieser Linie erscheint so gut wie ausgeschlossen. lichen Territorium-Gewinn oder den Sturz der Regierung in Kiew. Mögliche ,leichte‘ Ziele wären Georgien und Moldawien.“ An einen Angriff auf das Baltikum mit seinem teilweise sehr hohen russischsprachigen Be- völkerungsanteil glaubt der Experte in ab- sehbarer Zukunft nicht, längerfristig könne man aber sogar das nicht ausschließen. Was fatal wäre: Estland, Lettland und Litauen sind bekanntlich nicht nur EU-, sondern auch NATO-Mitglieder, was wiederum apo- kalyptische Visionen weckt. Nötige Aufrüstung Als Konsequenz will auch Europa aufrüsten, das wird vor allem die NATO-Staaten inner- halb der EU betreffen. Das GELD-Magazin sprach dazu mit Gerhard Mangott, bekann- ter Politologe und Professor für internatio- nale Beziehungen an der Universität Inns- bruck mit Schwerpunkt Osteuropa und Anteil am kaufkraftbereinigten globalen BIP in % 12,5 1980 15,0 17,5 20,0 22,5 25,0 27,5 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 2022* 2024* 2026* * Prognose Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 9 „Die EU täte gut daran, den Ausbau ihrer eigenen militärischen Fähigkeiten ernstzunehmen.“ Gerhard Mangott, Politologe, Uni Innsbruck
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