GELD-Magazin, Mai 2022
EINSCHALTUNG – FOTO: beigestellt Wann, wenn nicht jetzt: Investieren in eigentümergeführte Unternehmen Die Verunsicherung an den Finanzmärkten ist groß. Eigentümergeführte Unternehmen bieten in diesem von erhöhter Volatilität und getrübter Sicht geprägten Klima einen möglichen Ausweg. Frau Olsen, Sie setzten auf eigentümergeführte Unternehmen. Wie schlagen sich diese in unsi- cheren Zeiten wie diesen? Diese meist kleineren und mittelgroßen Gesellschaf- ten sind im Vergleich zu Großkonzernen sehr viel flexibler mit Eigenschaften wie Kontinuität, langfri- stiger verantwortungsvoller Unternehmenspolitik und niedriger bis inexistenter Verschuldung. Sie ver- fügen aber auch über Preissetzungsmacht, da sie häufig in Nischen tätig sind, und zuverlässige Rendi- ten haben. Das sind Stärken, die sich in unsicherer Zeit doppelt auszahlen. Eigentümergeführten Unternehmen wird häufig mangelnde Transparenz nachgesagt. Wie sehen Sie das? Diese Kritik ist längst überholt. Blickt man auf die letzten fünf Jahre, zeigt sich, dass sich viele Unter- nehmen in festem Besitz oder mit starkem Ankerak- tionär um Offenheit bemühen. Insbesondere im Be- reich ESG – also Ökologie und soziale und unterneh- merische Verantwortung. Eine standesgemäße, gute Corporate Governance ist deshalb heute auch unter eigentümergeführten Firmen die Regel. Wo liegen generell die Stärken dieser Gesell- schaften? Eigentümergeführte Unternehmen denken häufig viel langfristiger, also in Generationen und nicht in Quartalen. Sie haben eine höhere Kontinuität im Management und verfügen über Kapitalschutz und überdurchschnittliche Eigenkapital- und damit Akti- onärsrenditen. Diese Firmen haben eine natürliche Scheu vor Fremdkapital. Das macht sich besonders jetzt, wo die Zinsen steigen, bezahlt. Die Eigentümer haben ihr eigenes Geld in der Firma investiert. Die Konsequenz ist eine strenge Finanzkontrolle, mit ei- ner – wenn überhaupt – geringen Verschuldung, ho- hem Kostenbewusstsein, guten Margen und ausrei- chend Mitteln für Innovationen. Stehen aktuell nicht alle Unternehmen – ob privat oder nicht – vor den gleichen Problemen? Das stimmt. Aber die Erfahrung zeigt, dass eigentü- mergeführte Firmen nicht erst handeln, wenn es zu einem Paradigmenwechsel kommt. Sie haben stets einen Plan B. Sie profitieren von einem Netzwerk zu- verlässiger Partner – ein enormer Vorteil, wenn Roh- stoffpreise explodieren, Lieferverzögerungen sich ver- schlimmern und Kunden wegzubrechen drohen. Der Ukraine-Krieg und die gestiegenen Öl- und Gaspreise machen eine noch stärkere Hinwen- dung zu Erneuerbarer Energie unabdingbar. Was bedeutet das für eigentümergeführte Firmen? Viele dürften davon profitieren. Erneuerbare Ener- gie und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand. Des- halb sind Firmen, die proaktiv einen nachhaltigen ESG-Kurs steuern, aus Investorensicht attraktiv. Ein Musterbeispiel ist Stora Enso. Der finnische Konzern ist der zweitgrösste Waldbesitzer weltweit. Er be- wegt sich in großen Schritten von der Papierproduk- tion hin zu Verpackungen, Biomaterialien und Holz- produkten. Bereits heute ist es möglich, über 30-stö- ckige Hochhäuser aus Holz statt aus Stahl und Beton zu bauen. Gibt es aktuell weitere Entwicklungen, die eigen- tümergeführten Unternehmen entgegenkommen? Ein solches Thema ist Freizeit. Nach zwei Jahren Pan- demie wünscht man sich jetzt geselliges Beisammen- sein und Ferien. Konsum-, Freizeit- und Reiseunter- nehmen mit überschaubaren Inflationssorgen wie dem Getränkehersteller Pernod-Ricard öffnen sich neue Horizonte. Ebenso dem norwegischen Lachs- farmbesitzer Bakkafrost, dem Uhrenproduzenten Swatch Group, dem Flughafen Zürich oder dem noch kleinen Online-Portal für individuelle Reisen Last Minute. www.bellevue.ch Birgitte Olsen, Lead Port- foliomanagerin, Bellevue Entrepreneur Strategien, Bellevue AM Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 33 EXPERTSTALK . Birgitte Olsen, Bellevue Asset Management
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