GELD-Magazin, Mai 2022

Ende 2020 wiesen noch gut 45 (!) Prozent aller ausstehenden Anleihen mit einem Ra- ting von Investment Grade des Bloomberg Global Aggregate Bond Index negative Ren- diten auf. Die größte Zinsspekulation der Finanzmarktgeschichte droht in einem De- saster zu enden. Seit Beginn der 1980er-Jahre sind Noten- bankzinsen und Anleihe-renditen sukzessi- ve nach unten gegangen, teilweise sogar in negatives Terrain vorgestoßen. „Niemand sieht gerne negative Erträge, doch auf aktu- ellem Niveau kann ein Investor konstatie- ren, dass er wieder relativ attraktive Zinsku- pons erwirtschaften kann, jedenfalls in ei- ner Höhe, wie wir es in den letzten zehn Jahren nicht mehr gesehen haben“, erklärt Neil Sutherland, Fondsmanager des Schro- der ISF US-Dollar Bond. Und weiter: „Wenn man unterstellt, dass die Inflation dabei ist, ein Top auszubilden, und ein schon ziem- lich aggressiver Zinserhöhungszyklus bei der US-Notenbank FED vorweggenommen sein dürfte, so stehen die Chancen für bes- sere Erträge aktuell deutlich besser als noch zu Jahresbeginn. Gleichzeitig ist das Zins- polster für eine fehlerhafte Einschätzung der Yield-Entwicklung bei weitem ausge- prägter als noch vor gut zehn Jahren. Inve- storen fallen also viel sanfter, sollten sie zum falschen Zeitpunkt einsteigen. Viele Fondsmanager, aber natürlich auch Inve- storen, haben sich diesen Moment herbeige- sehnt, wo das Geldanlegen wieder beginnt, Spaß zu machen. Negative Renditen waren psychologisch offenbar ein dramatisches Fehlsignal, das nun aber verhallt sein sollte“, meint Sutherland. Stagflation oder Rezession? Eine etwas andere Sichtweise hat Ariel Be- zalel, Head of Strategy, Fixed Income bei Jupiter Asset Management. „Wir haben die Duration (=durchschnittliche Kapitalbin- dungsdauer einer Anleihe) erhöht, da die Renditen von Staatsanleihen deutlich ge- stiegen sind. Wir glauben, dass sich die Welt­ wirtschaft in den nächsten 12 bis 18 Mona- ten deutlich verlangsamen wird und wir auf eine weltweite Rezession zusteuern. Die Zentralbanken straffen die Liquidität in ei- ner Phase der Verlangsamung und werden gezwungen sein, nachzulassen, wenn sich die Wirtschaft verschlechtert. Wir sind da- her der Meinung, dass die Erwartungen des Marktes in Bezug auf Zinserhöhungen (der- zeit sind in den USA neun Zinserhöhungen für den Rest dieses Jahres eingepreist) nicht eintreten und die Renditen sinken werden. Bei den Krediten (=Unternehmensanleihen) sind wir vorsichtig positioniert und bevor- zugen kürzere Laufzeiten, konservative Sek- toren und Sondersituationen. Wenn sich das wirtschaftliche Bild verschlechtert, wer- den wir Gelegenheiten finden, das Beta zu erhöhen, indem wir Kredite, die uns gefal- len, zu attraktiveren Renditen aufzukau- fen“, erläutert Bezalel seine Zinsstrategie. Ario Emami Nejad, Fondsmanager des Fide- lity Euro Bond Fund, hat eine ähnliche Ren- diteprognose erstellt. „Der Großteil der er- warteten Zinserhöhungen, zumindest in den USA, ist bereits vom Markt eingepreist“, so seine Erwartung. Daher wagt sich Nejad et- was weiter auf die Renditekurve hinauf, wo er von der längeren Duration profitieren kann, sofern die Zinsen nicht überraschend stärker steigen sollten. Short Position bei US-Treasuries Iain Stealey, Chief Investment Officer für den Bereich Global Fixed Income bei J.P. Morgan Asset Management, denkt, dass Mai 2022 – GELD-MAGAZIN . 27 „Die Chancen für bessere Zinserträge sind aktuell deutlich höher als noch zu Jahresbeginn.“ Neil Sutherland, Fondsmanager des Schroder ISF US Dollar Bond „Der Großteil der erwarteten Zinserhöhungen in den USA ist bereits vom Markt eingepreist.“ Ario Emami Nejad, Fondsmanager des Fidelity Euro Bond Fund Reale Auswirkung: Hohe Inflation und niedrige Zinsen fressen Ersparnisse auf Quelle: OeNB, Statistik Austria, Stand März 2022 9.000,- 2022 Reale Inflationsrate: ø 1,77 % p.a. EUR 10.000 ø +0,16 % p.a. Nominelle Entwicklung der Spareinlagen ø -1,61 % p.a. Reale Entwicklung der Spareinlagen Was wurde aus EUR 10.000? EUR 10.163 EUR 8.502 8.000,- 7.000,- 10.000,- 2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 Der Wert von Spareinlagen stieg in den vergangenen zehn Jahren nominell um 1,6 Prozent. Berücksichtigt man die Inflation, so führte dies zu einem Kaufkraftverlust von 15 Prozent.

RkJQdWJsaXNoZXIy MzgxOTU=