GELD-Magazin, Mai 2022

Sachwerte als „non plus ultra“ Wir befinden uns in einem für Anleger sehr diffizilen Umfeld. Die Inflation ga- loppiert dies- und jenseits des Atlantiks davon. Die Zentralbanken beenden ihre Anleihenkäufe und werden die Leitzinsen (weiter) anheben. Die realen Renditen sind bei Anleihen derzeit stark negativ. Wie schätzen Sie den weiteren Verlauf im aktuellen Jahr ein? Harald Friedrich: Wir sehen bereits seit vie- len Jahren eine Blasenbildung bei den Asset- Preisen. Das wurde durch die expansive Geldpolitik der Zentralbanken verursacht. Bis vor etwa einem Jahr schlug dies prak- tisch nicht auf die Konsumentenpreise durch, daher sahen wir damals sehr niedrige Inflationsraten bei Konsumartikeln und ent- sprechend niedrige bis negative Zinsen bei Staatsanleihen. Mit der Coronapandemie und zuletzt dem Ukrainekrieg hat sich das Umfeld stark verändert. Die Rohstoffpreise sind z.T. dramatisch gestiegen und Pro- bleme in den Lieferketten haben zu Ange- botsdefiziten geführt. Beides schlug auf die Inflation sowohl in den USA als auch in Eur- opa durch – in den USA stieg sie im März auf 8,5 Prozent, in der Eurozone auf 7,4 Prozent. Die Fed steuert bereits mit Zinserhöhungen dagegen, was aber dort kein Problem ist. Die Wirtschaft in den USA ist heiß gelaufen, das Bruttoinlandsprodukt hat das Vorkrisenni- veau bereits deutlich übertroffen. An den Märkten sind in den USA für heuer bereits zehn 0,25-Prozent-Zinsschritte eingepreist, was wir für etwas übertrieben halten. Das heißt, dass es von dieser Seite eher zu einer positiven Überraschung kommen könnte. Könnten die USA beginnen, durch die ra- schen Zinserhöhungen in eine Rezession zu schlittern? Hohe Inflation gepaart mit niedrigen Zinsen führt zu realenVermögensver- lusten.Wir sprachen mit Harald Friedrich und Stefan Klocker von der LLB (Österreich) AG darüber, wie man diesemVermögensverlust entgehen kann. MARIO FRANZIN Credits: beigestellt; Archiv Das ist im Vergleich zu den Renditen bei An- leihen hochattraktiv. Bei Aktien erwarten wir daher heuer bis Jahresende unterm Strich einen Ertrag von rund sieben bis acht Prozent. Mit der mangelnden Bereitschaft der EZB, die Zinsen anzuheben, verursacht sie län- gerfristig real negative Renditen – eine Financial Repression. Ist das den gestie- genen Staatsverschuldungen geschuldet? Harald Friedrich: Die Staatsverschul- dungen sind seit der globalen Finanzkrise 2008 weltweit regelrecht explodiert. Mit der Coronakrise hat sich das sogar beschleunigt. Die G7-Staaten wiesen 2020 ein Budgetdefi- zit von durchschnittlich 12,2 Prozent auf, 2021 lag es mit 10 Prozent neuerlich im 2-stelligen Bereich. Eine Reduzierung der Staatsschuldenquoten – auch in den stabilen Ländern der Eurozone und den USA – ist in weite Ferne gerückt. Denn dafür gibt es vier Optionen. Erstens, ein hohes BIP-Wachstum, was unrealistisch ist, zweitens eine Anhe- bung der Vermögenssteuern, was sehr unpo- pulär ist, drittens, die Schulden nicht zu- rückzuzahlen, was aber einen Verlust des Zugangs zu den Finanzmärkten bedeuten würde, und viertens eine Financial Repressi- on – also real negative Zinsen. Genau ge- nommen sehen wir eine Financial Repressi- on bereits seit 2008, die bei Veranlagungen in Sparbücher, Euro-Staatsanleihen und IG- Unternehmensanleihen zu Realwertver- lusten führen. Das wirkt eigentlich wie zu- sätzliche Vermögenssteuern. Was gibt es nun in Zukunft für Chancen bei der Geldanlage? Harald Friedrich: Wir gehen davon aus, dass wir in der Eurozone noch jahrelang negative Stefan Klocker: Eine Rezession aufgrund der Zinsanhebungen dürfte in den USA nicht drohen. Die flache bis leicht inverse Zinskur- ve lässt zwar eine Abschwächung des Wirt- schaftswachstums erwarten, aber damit wird auch der Druck seitens der Inflation verringert. Für den US-Aktienmarkt gehe ich daher von einer positiven zweiten Jahres- hälfte aus. Europa tickt da etwas anders. Die EZB hält vor lauter Furcht vor Staatspleiten die Zinsen bei null und nimmt die hohe Inflation in Kauf. Kann das gefährlich werden? Stefan Klocker: Ja, das stimmt, in Europa sieht es anders aus, zumal die Wirtschafts- entwicklung fragiler ist. Europa ist durch seine Exportorientierung stärker durch in- ternationale Verwerfungen tangiert. Das war bereits 2018 so, als USA und China im Handelskrieg standen – zuletzt auch wäh- rend der Coronapandemie mit Lieferketten- problemen und jetzt dem Ukrainekrieg vor unserer Haustüre. Aber auch hier werden sich die Probleme wieder langsam lösen. Die Coronakrise flaut ab, die Produktion und der Dienstleistungskonsum steigen. Dass wir wieder mit sinkender Inflation rechnen kön- nen, zeigt die flache bis leicht inverse Zins- kurve – der Markt geht nicht von langfristig stark steigenden Zinsen aus, was Sachwerte wie Aktien oder Immobilienanlagen weiter unterstützen sollte. Insgesamt gesehen hal- ten wir derzeit Aktien für relativ günstig be- wertet. Global gesehen haben wir ein KGV von etwa 17 – das ist eine Gewinnrendite von 5,9 Prozent. Das entspricht etwa dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Die Di- videndenrenditen reichen bei guter Auswahl der Unternehmen an die vier Prozent heran. 24 . GELD-MAGAZIN – Mai 2022 INTERVIEW . Harald Friedrich & Stefan Klocker, LLB (Österreich) AG

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