GELD-Magazin, April 2022

Keine Friedensdividende mehr. Vor dem Ein­ marsch in die Ukraine konnte man erwarten, dass im Sommerhalbjahr mit der Aufhebung der Corona-Beschränkungen ein „kleiner Wirtschafts­ boom“ beginnen würde. Der dürfte jetzt viel be­ scheidener ausfallen. Zwei Drittel des Gasver­ brauchs entfallen in Deutschland auf die Indus­ trie. Ein Ausfall kann noch auf längere Sicht nicht ausgeglichen werden und die Preise wür­ den weiter steigen. In diesem Fall wäre eine Re­ zession unausweichlich. Kommt es nicht zu die­ sem Extremszenario, wird das Wachstum der Weltwirtschaft dennoch 1,0 bis 1,5 Prozent nied­ riger ausfallen als zuletzt prognostiziert. Falls die US-Notenbank 2022 die Zinsen um bis zu elf Mal erhöhen sollte, wäre dies gerade für Europa belastend. Kein Wunder, dass die Stim­ mung in den Unternehmen im Februar gedämpft ausfiel. Der Einkaufsmanagerindex von IHS Markit fiel um 0,5 Punkte auf 58,2 Zähler. Die Industrieproduktion in der Eurozone hat zuletzt stagniert. Auch die Einzelhandelsumsätze fielen enttäuschend aus. Die Privatkonsu­ menten leiden unter einer schwindenden Kaufkraft. Daher will sich Deutschland einen kräf­ tigen Schluck aus der Pensions-Pulle genehmigen. Die Renten sollen 2022 um bis zu 6,12 Prozent steigen: viermal so stark wie 2020. Sind die Arbeitnehmervertreter bei den Lohnver­ handlungen ähnlich erfolgreich, droht eine Lohn-Preis-Spirale. (wr) Dramatische Kursverluste. Der russische Aktienmarkt stand wochenlang still. Schon An­ fang März reagierten die großen Indexanbieter und warfen russische Aktien und Anleihen aus ihren Indizes (MSCI Emerging Markets, FTSE Emerging Index, JPM EM Govt. Bonds). Durch die Kursverluste rentieren zehnjährige Titel mit fast 20 Prozent. Ökonomen zufolge ist eine Staatsschuldenpleite Russlands in den kommenden Monaten sehr wahrscheinlich. Zwar hat der russische Staat recht geringe Auslandsschulden, durch die Sanktionen besteht jedoch kein freier Zugriff mehr auf die Geldreserven. Russland hat bereits Zinszahlungen in Rubel auf seine OFZ-Anleihen (Föderale Schuldanleihen, kupontragende Bundesanleihen, die von der russischen Regierung ausgegeben werden) versäumt. Davon waren aber nur ausländische Investoren betroffen. Internatio­ nale Dollaranleihen des russischen Staates wur­ den zwar größtenteils bedient, doch auch hier droht ein Zahlungsausfall nach dem vertraglich ausverhandelten Zahlungsaufschub von 30 Ta­ gen. Mittlerweile ist das Rating russischer Staats­ anleihen bei S&P auf CCC abgestürzt: nur mehr wenige Stufen über dem Ausfall (Default, D). Es bleibt die juristische Frage, ob ein Ausfall wegen Sanktionen als solcher gewertet würde. Es wäre der erste seit der Russischen Revoluti­ on 1917, als die Bolschewiken Schulden aus der Zarenzeit nicht anerkannten. (wr) EUROPA . Bedrohung durch Stagflation steigt Absturz Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine gab es für den Europaaktien-Index kein Halten mehr. Der Euro Stoxx 50 fiel auf den tiefsten Stand seit Oktober 2020. Immerhin konnte die Unterstützung bei 3.500 Punkten verteidigt werden. Ein fast epischer Crash Der russische Aktienindex RTX, der von der Wiener Börse berechnet wird, ist bis zur Aussetzung des Handels mit russischen Aktien dramatisch abgestürzt und hat fast 90 Prozent seines Wertes verloren. Nur sehr hartgesottene Investoren sollten sich in rus- sischen Werten engagieren. EURO STOXX 50 RTX (RUSSIAN TRADED INDEX) RUSSLAND . Apokalypse now 2020 2019 2021 Indexpunkte in EUR 2.200 3.400 3.200 3.000 2.800 2.600 2.400 3.600 3.800 4.000 4.200 4.400 2020 2019 2021 Indexpunkte in RBL 800 1.000 1.600 1.400 1.200 1.800 2.000 600 April 2022 – GELD-MAGAZIN . 47

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