GELD-Magazin, April 2022

10 . GELD-MAGAIN – April 2022 ZIN – April 20 2 um 7,8 Prozent. Die Fed reagierte bereits Ende 2021 mit einer Beendigung der Anlei- henkäufe und hob Mitte März erstmals seit 2018 die Zinsen um 0,25 Prozent an. Fed- Chef Jerome Powell ging zuletzt noch einen Schritt weiter und bereitete die Märkte da- rauf vor, die Zinsen möglicherweise auch ra- scher – z.B. in einem 0,5-Prozent-Schritt im April – anzuheben. Die EZB will den Leit- zinssatz bis ins dritte Quartal 2022 noch bei null Prozent halten, obwohl EZB-Chefin Christine Lagarde zuletzt einräumen muss- te, dass die Inflation nicht länger als vorü- bergehend betrachtet werden kann. Sie rechne nun mit weiter steigenden Preisen vor allem für Energie und Lebensmittel, was die Inflation weiter auf etwa 7,1 Prozent steigen lassen könnte. Diese Einschätzung kommt insofern nicht überraschend, wenn man die Entwicklung der Erzeugerpreise be- trachtet – also jene von gewerblichen Vor- produkten. Sie zeigten in der Eurozone im Februar annualisiert einen Anstieg um sage und schreibe 25,9 Prozent. Dabei waren die Energiepreise im Februar 2022 im Vorjah- resvergleich um 68 Prozent höher (Erdgas: +125,4 %), Düngemittel um 72 Prozent, Se- kundärrohstoffe aus Holz, Papier und Pappe um rund 60 Prozent. Die Preise für Nah- rungsmittel legten um 9,2 Prozent zu. Konjunkturerwartungen brechen ein Belastet durch den Krieg in der Ukraine sind die Konjunkturerwartungen im März gegen- über dem Vormonat um 93,6 Punkte auf mi- nus 39,3 Punkte eingebrochen, wie das Mannheimer Forschungsinstitut ZEW mit- teilte. Es ist damit der stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen im Dezember 1991. ZEW-Präsident Achim Wambach stell- te fest, dass damit eine Rezession in Deutschland immer wahrscheinlicher wer- de. Bereits im 4. Quartal 2021 schrumpfte die deutsche Wirtschaft aufgrund der Omi- kron-Welle um 0,3 Prozent. Die für Deutsch- land ursprünglich prognostizierte Wachs- tumsrate 2022 im Bereich von vier Prozent ist längst Makulatur. Im vergangenen Jahr hatte die Wirtschaft um 2,9 Prozent zuge- legt, konnte damit den Einbruch aus dem er- sten Corona-Krisenjahr 2020 von 4,6 Pro- zent aber nicht ausgleichen. Analysten der Deutschen Bank schraubten ebenso ihre BIP- Prognose für 2022 wegen des Ukrainekon- fliktes von 4,0 Prozent auf 2,5 bis 3,0 Pro- zent nach unten. Die OECD geht in ihrem letzten Bericht davon aus, dass sich die Krise in der Ukraine negativ auf die globalen Wirt- schaftsaussichten auswirken wird und schätzt, dass sich das weltweite Wachstum um etwa ein Prozent verringern wird. EZB läuft hinterher Für die Fed und die EZB wird die Geldpolitik damit noch schwieriger. Angesichts der ho- hen Inflation und auch des schwachen Euro (Import von Inflation in Europa) hätte die EZB schon beginnen müssen, die Zinsen an- zuheben, was aber wiederum die Wirtschaft infolge höherer Fremdfinanzierungskosten belasten würde. Ihre aktuellen Erwartungen skizziert EZB-Chefin Christine Lagarde fol- gendermaßen: „Die Inflation sollte im Euro- raum im Jahr 2024 trotz allem unter zwei Prozent fallen. Heuer wird die Teuerungsra- te jedoch bei durchschnittlich 5,1 Prozent liegen. Bei einem schweren Kriegsszenario könnte sie sogar noch über sieben Prozent steigen.“ Bereits im Dezember korrigierte die EZB ihre Wachstumsprognose für 2022 von zuvor 4,2 Prozent auf 3,7 Prozent. EZB- Vizechef Luis de Guindos macht sich über den Inflationsanstieg ebenfalls bereits Sor- gen. Er forderte die Politik auf, Unterneh- men und Arbeitnehmer durch temporäre Hilfen zu entlasten – Österreich schnürte dazu bereits ein Hilfspaket über zwei Milli- arden Euro. An den zukünftigen Daten solle sich nun der geldpolitische Kurs orientieren. „Wenn wir die Inflation weiter unterschät- zen, dann werden wir reagieren. Alle Opti- onen liegen auf dem Tisch“, so de Guindos. Als entscheidende Faktoren sehe er Zwei- trundeneffekte und einen möglichen An- stieg der mittelfristigen Inflationserwartun­ gen. Da der Konjunkturausblick in der Euro- zone klar nach unten gerichtet ist und die Sanktionen auch dafür sorgen, dass sich die nach wie vor angespannte Lieferkettenpro- blematik global weiter verschärft, sind das keine guten Aussichten für die kommenden sechs Monate. Staatsschulden laufen aus dem Ruder Vielen europäischen Staaten war jedes Argument recht, um die Schulden weiter zu erhöhen – in vielen Fällen deutlich über 100 Prozent im Verhältnis zum BIP. Dann kam die Coronakrise mit Mehr- belastungen durch fiskalische Hilfspa- kete, woraufhin der Wiederaufbaufonds „NextGenerationEU“ in Höhe von 750 Milliarden Euro geschaffen wurde. Die Schulden wurden unter solidarischer Haftung der EU-Kommission umgehängt und machen immerhin 6,76 Prozent der gesamten Staatsschulden der Eurozone aus (11,11 Bio. Euro). Nun brach die Ukrainekrise über Euro- pa herein - sie wird uns teuer zu stehen kommen: Die Versorgung von zumin- dest vier Millionen Flüchtlingen, die fiskalische Abfederung der steigenden Rohstoffpreise und eine deutliche Erhö- hung der Verteidigungsbudgets (alleine Deutschland will aus diesem Titel 100 Milliarden Euro stemmen). Das nahm Frankreichs Präsident Em- manuel Macron beim Gipfeltreffen der Staatsoberhäupter in Versailles zum An- lass, einen sogenannten Resilienzfonds nach dem Vorbild des Wiederaufbau- fonds vorzuschlagen, obwohl die EU- Kommission immer strikt betonte, dass der Wiederaufbaufonds nur eine einma- lige solidarische Kreditaufnahme sei. Die Frage ist nur, wer wird angesichts der steigenden Zinsen finanzieren? Bereits bei Minizinsen (z.B. Italien zu 0,52 Prozent im Jahr 2020) stiegen die Staatsschulden weiter an. Und eine weitere Frage ist, wohin die Zinsen tendieren werden, wenn die EZB kei- ne Staatsanleihen mehr kaufen wird? BRENNPUNKT . Inflation und Geldpolitik

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