GELD-Magazin, März 2022

Klimawandel – darf die Lösung auch „dirt cheap“ sein? In jedem einzelnen Augenblick gibt es zahlreiche, multivariante Möglichkeitsszenarien, die durch unsere Aufmerksamkeit und Energie die Kraft erhalten, sich zu manifestieren – oder auch nicht. Die von vielen Experten prognostizierten Kosten des Klimawandels rollen auf uns als Gesellschaft zu und sind, da sie vermutlich wiederum die Einkommens- schwachen überproportional belasten, durchaus als „sozialer Sprengstoff“ interpretierbar. Der Kampf gegen CO 2 -Emissionen hat das BIP in Ös- terreich und der EU nicht gebremst, wie die Grafik (s. Seite18 in dieser Ausgabe) zeigt, weil neue Industrie- zweige alte schrittweise ersetzen. Jede Krise setzt en- ormes kreatives Potenzial frei oder so werden mo- mentan neue Geschäftsideen in die Welt geboren, die Kreisläufe unter Wahrung und Achtung der Natur sinnvoll schließen. Diese gilt es zu stärken und ich frage mich, dürfen Lösungen in Zukunft auch „dirt cheap“, also spottbillig sein? Alleskönner Alge und Katzenstreu Zu den größten Erfolgen der letzten Klimakonferenz zählt man die Einigung, die Methanemissionen zu senken. Die Frage ist nur: wie? IngenieurInnen vom Massachusetts Institute of Technology haben eine günstige Methode entwickelt, um das besonders klima- schädliche Gas wieder aus der Atmosphäre zu binden. Als Basis dient ein Material, das auch für Katzenstreu verwendet wird: das vulkanische Mineral Zeolith, das auf der Erde reichlich vorkommt. Das ist nicht nur deutlich billiger, sondern auch weniger riskant als die bisher favorisierte Variante mit Katalysatoren aus Edelmetallen, die Temperaturen von 600 °C. sowie eine Trennung der Methan- und Sauerstoffströme be- nötigt, um das Problem nur dadurch zu lösen, dass eine Situation erschaffen wird, die auf eine Explosion hinausläuft. Zeolith sei übrigens auch jenen Menschen empfohlen, die Schwermetalle oder sonstige Giftstoffe aus ihrem Körper ausleiten wollen – wie auch Algen. Algen sind echte Multitalente: Kühe, die damit gefüttert werden, stoßen 82 Prozent weniger Methan aus. Auch als Le- bensmittel für Menschen sind sie als natürliche Protein- quellen enorm gesund. Mit Algen könnte aber auch die Produktion von Dünger, Biokraftstoff, Biogas und Bioplastik möglich sein. Die Ölindustrie hat Produkte hergestellt und dabei CO 2 in die Atmosphäre ausge- stoßen. Mit Algen könnten wir jetzt neue Produkte er- schaffen, die diese ersetzen und dabei CO 2 binden. Blue Carbon als Lösung? Das Meer ist riesig im Vergleich zur möglichen An- baufläche von etwa Bäumen. Wie können wir diese riesige, so wertvolle Ressource, die wir haben, sinn- voll und nachhaltig nutzen? Besonders vielverspre- chend klingen „Blue Carbon“-Projekte mit Kohlen- stoff, der in den Ozeanen von Meeresorganismen wie Mangrovenbäumen, Algen oder Seegraswiesen ge- bunden wird. Nicht nur Algen, sondern auch Seegras speichert langfristig viel Kohlendioxid im Sediment. Nach ihrem Absterben lässt sich die Pflanze als natür- liches und schwer entflammbares Dämmmaterial nutzen. Doch aus Forschersicht gibt es einen Nachteil, der meiner Meinung nach ja eigentlich als Vorteil zu sehen ist. Als empfindliche Meerespflanze leidet See- gras unter zu vielen Ausscheidungen und Dünger aus der Agrarwirtschaft, der Tierhaltung und aus Aqua- kulturen, und stirbt ab. Die Pflanzen bieten jedoch Nahrung und Lebensraum für viele Meeresbewohner, zudem halten sie das Wasser klar und das Sediment an der Küste fest, und verhindern Küstenerosion. Haare filtern Ölteppiche aus dem Meer Und auch hier darf sich Kreativität entfalten: Nahe Marseille füllen Langzeitarbeitslose Schnitthaare, die von Friseuren gesammelt werden, in gebrauchte Thrombosestrümpfe und stellen damit Ölfilter her, mit denen die Meere gesäubert werden können. Haare gelten als lipophil, was so viel heißt wie fett- freundlich und diese Fette haften auf der durch die Hornschuppen tannenzapfenähnlichen Struktur eines Haares besonders gut. Wie genial! Die Haar-Öl- filter saugen Dieselreste und Sonnencreme von der Wasseroberfläche, denn jedes Jahr landen weltweit immer noch 10.000 Tonnen davon im Meer. Hoff- nungsvolle Ansätze, die gleichzeitig Klimaschutz und eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft versprechen, ste- hen daher hoch im Kurs. www.dragonfly.finance GASTBEITRAG . Susanne Lederer-Pabst, dragonfly finance Dr. Susanne Lederer-Pabst, dragonfly finance FOTO: beigestellt März 2022 – GELD-MAGAZIN . 21

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