GELD-Magazin, Februar 2022

ZUR PERSON Seit 2009 ist Stefan Bruckbauer Leiter der Abteilung Economics & Market Analysis Austria und Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria. Sein Arbeitsschwerpunkt sind die Wirtschaft Österreichs, der Finanzmarkt und die EU, der Euro sowie der Banken- markt in Österreich und der EU. Von 2001 bis 2009 war er stellvertretender Leiter der Konzernvolkswirtschaft der Bank Austria und verantwortlich für Makro- und Banken- marktresearch Österreich. Der Experte war auch lange Jahre Lektor für Volkswirt- schaftstheorie an der J.K. Universität Linz, der Universität Wien und an der Fachhoch- schule für Bank- und Finanzwirtschaft in Wien. „Gesellschaftlicher Sprengstoff“ D ie Wirtschaft Österreichs sollte sich in den kommenden Jahren weiter erholen, die globalen Lie- ferschwierigkeiten könnten sich relativ bald entspannen. Das sind „frohe Botschaften“ des Ökonomen. Auch die Steuerreform in Österreich beurteilt er überwiegend positiv. Es gibt aber Probleme, die sich in den näch- sten Jahren erst aufbauen werden, so etwa Einkommensverluste im Kampf gegen die Erderwärmung. Wie hat sich die Wirtschaft in Österreich und international 2021 entwickelt? Im Wesentlichen kann man folgende Punkte festhalten: Die ökonomische Erholung zu Jahresbeginn 2021 fiel viel besser aus, als das viele erwartet hatten. Wir waren bei un- serer Einschätzung wohl etwas mehr „bul- lish“ als der Consensus und lagen damit letztlich richtig. Bis in den vergangenen Sommer erfolgte eine dynamische Wirt- schaftsentwicklung, dann hat sich der Wind etwas gedreht. Die Industrie hat durch die Lieferengpässe Schwierigkeiten bekommen, Der Kampf gegen den Klimawandel könnte durch Einkommensverluste soziale Spannungen verschärfen, meint Ökonom Stefan Bruckbauer.Weiters warnt er vor einem zu schnellen Abdämpfen der Konjunktur. HARALD KOLERUS Credit: beigestellt dafür zog der Bereich Dienstleistungen bis in den Herbst/Winter in Österreich an. Vor allem der Sommertourismus ist bei uns sehr gut gelaufen, auch hat das BIP in Österreich über den vergangenen Sommer das Niveau von 2019 erreicht. Wie geht es nun 2022 weiter? Es gibt ja eine vehemente Inflationsdebatte … Rohstoff- und Transportkosten haben sich im Vergleich zu 2019 verdoppelt, im Jahres- vergleich zu 2020 teilweise vervielfacht. Wir erwarten, dass die Inflation noch bis zum Sommer hoch sein wird, der Druck wird dann aber nachlassen. Und zwar wenn eine Entspannung bei den Lieferkettenproble- men eintritt. Man muss an dieser Stelle aber hinzufügen, dass die Inflation, zumindest in Europa, zu rund 80 Prozent auf die hohen Energiepreise zurückzuführen ist. Es gibt Er- klärungsmuster dafür, warum diese so stark angezogen haben, die aber nicht zu 100 Pro- zent ausreichend sind. Anders ausgedrückt: Es ist noch nicht ganz klar, warum die Ener- giekosten so massiv gestiegen sind. Wie reagiert die Politik nun auf die Teue- rungswelle? Wenn die hohen Inflationserwartungen an- halten – getragen von Medien, Konsumen­ ten, Märkten usw. –, dann wird auch die Po- litik handeln. Hier sollte man aber unbe- dingt Vorsicht walten lassen. Denn hohe En- ergiepreise können ja in Wirklichkeit gar nicht mit Geldpolitik bekämpft werden. Es handelt sich um eine Teuerung, die vom En- ergiepreis und Lieferengpässen bestimmt wird und somit in der Breite gar nicht vor- handen ist. Es besteht also die Gefahr, dass die Wirtschaft durch restriktivere Geldpoli- tik abgebremst werden könnte, ohne an den wahren Ursachen der Inflation zu rütteln. Sie schrieben bereits im November in ei- ner Analyse: „Klarerweise muss die Wirt- schaftspolitik auch wieder die sehr ex- pansiven Maßnahmen beenden, aber ob jetzt bereits der richtige Zeitpunkt im Euroraum dafür ist, glaube ich nicht.“ Gilt das noch immer? Ich meine weiterhin: Vor allem in der Euro- päischen Union sollte man durch restrik- tivere Maßnahmen nicht zu stark und zu schnell auf die Bremse steigen. Das würde eine Gefahr für die Konjunktur darstellen, die sich in Europa weniger dynamisch ent- wickelt als in den Vereinigten Staaten. Euro- pas Wirtschaftspolitik war während der Pandemie auch nie so expansiv wie in den USA ausgerichtet, dort wurden mehr Anlei- hen gekauft als in Europa. Und der Zinssatz lag hier bereits in der Vor-Coronazeit bei null, in den USA hingegen bei 1,75 Prozent und wurde dann auf 0,25 Prozent gesenkt. 8 . GELD-MAGAZIN – Februar 2022 INTERVIEW . Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria

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