GELD-Magazin, Dez. 2021 / Jän. 2022

wie auch im Innenverhältnis (Inflation) un­ ter Kontrolle halten will, aber auch den Ar­ beitsmarkt im Sinne einer Vollbeschäfti­ gung unterstützt. EZB kann die Zinsen nicht anheben In Europa ticken die Uhren anders. Im Ge­ gensatz zur Fed hat es sich die EZB vor­ nehmlich zur Aufgabe gemacht, weniger auf die Geldwertstabilität zu achten, als auf den Zusammenhalt der EU durch ausreichende Staatenfinanzierung – und damit den Pla­ nungsfehler der Europäischen Union, Volks­ wirtschaften unterschiedlicher Stärken fis­ kalisch aneinander zu ketten, zu kompen­ sieren. Eigentlich kämpfte die EZB in den vergangenen Jahren gegen das schwache Wirtschaftswachstum und die folglich nied­ rigen Inflationsraten und bemühte sich, eine Deflation zu verhindern. Das Ergebnis ken­ nen wir: eine massive Aufblähung der EZB- Bilanz auf rund 8.500 Milliarden Euro und seit Jahren null Zinsen. Die Corona-Pande­ mie als externer Schock tat ihr übriges, die europäischen Volkswirtschaften 2020 kurz­ fristig in eine Rezession zu stürzen und die Staatsschulden in die Höhe schnellen zu lassen. Daraufhin reagierten die Zentral­ banken – respektive die EZB mit dem PEPP (Pandemic Purchasing Program) – mit einer noch expansiveren Geldpolitik. Immerhin wurden via PEPP in der Eurozone 1.850 Milliarden Euro in die Anleihenmärkte ge­ pumpt. Ein Regime der Schuldner EZB-Chefin Christine Lagarde hält im Ge­ gensatz zu ihrem US-Kollegen Powell unbe­ irrt daran fest, die Zinsen trotz hoher Infla­ tion auch im Jahr 2022 bei null zu halten – trotz deutlich anderer Einschätzungen von durchaus kompetenten Fachleuten, die vor einer möglichen Verfestigung der hohen In­ flation warnen. Das PEPP läuft zwar plan­ mäßig Ende März 2022 aus, doch wird er­ wartet, dass das 2015 aufgelegte Anleihen­ kaufprogramm APP wieder weitergeführt wird. Dass EZB-Ratsmitglied und Vorstand der Deutschen Bundesbank, Jens Weid­ mann, von seinem Posten mit Ende 2021 zurücktritt, mag ein weiteres Indiz dafür sein, dass in der EZB die Tauben die Ober­ hand behalten. Das war aber bereits mit dem Wechsel an der Spitze der EZB von Ma­ rio Draghi zu Christine Lagarde eingefädelt worden. Lagarde führte zuvor den IWF, des­ sen Aufgabe der Support notleidender Staa­ ten ist. Vor ihrer Zeit beim IWF hatte sie mehrere Ministerposten in Frankreich inne – zuletzt Finanzministerin – und ist dem­ nach bestens in der Politik vernetzt. Einer Politik, die nach ausreichender Finanzie­ rung schreit. Frankreich gehört in der Euro­ zone übrigens mit einem Schuldenstand von rund 115 Prozent des BIP zu den am höchsten verschuldeten Mitgliedsländern. Sparer verlieren, Anleger gewinnen Da die EZB ihre geldpolitische Unterstüt­ zung auch 2022 den Märkten nicht versa­ gen kann, ohne eine neue Schuldenkrise auszulösen, passt es ins Bild, dass Lagarde die Zinsen weiterhin bei null halten will. Die derzeit hohe Inflation wird sicherlich nach Wegfall einiger Sonderfaktoren wieder un­ ter die Drei-Prozent-Marke fallen. Bei null Zinsen muss man sich aber auf stark negati­ ve reale Renditen auf dem Geldmarkt ein­ stellen. Die Assetpreise (Immobilien, Ak­ tien) werden erfreulicherweise weiterhin unterstützt – ebenso werden die Konditi­ onen für Finanzierungen günstig bleiben. EZB im Dilemma In der Finanzkrise im Jahr 2007/2008 unterstützte die EZB vor allem die Ban- ken mit Liquidität (LTRO-Programme) und trug diese damit durch die Kri- se. Doch die Ungleichgewichte der Eurozonen-Volkswirtschaften nahmen zu, was 2010 in die Eurokrise (Schul- denkrise) mündete. Griechenland ging pleite, wurde durch einen Schulden- schnitt gerettet und anschließend via Anleihenkäufen seitens IWF und ESM weiterfinanziert. Um eine Ansteckung der ebenfalls hochverschuldeten EU- Länder Italien, Spanien und Portugal zu verhindern, begann die EZB deren Staatsanleihen zu kaufen und damit die Umlaufrenditen niedrig zu halten. Gleichzeitig reduzierte sie in kurzer Zeit den Leitzins von etwa fünf Prozent auf ein Prozent und in den folgenden Jahren weiter bis auf minus 0,5 Prozent. Auf dem Höhepunkt der Eurokrise sprang der damalige EZB-Chef Mario Draghi mit seinem Bekenntnis “what- ever it takes“ in die Bresche, was zu einer Beruhigung – sprich Zinsreduzie- rung – an den Anleihenmärkten führte. Mit diesen Maßnahmen wurde die Schulden-Tragfähigkeit der südeuropä- ischen Länder sichergestellt. Doch deren Schulden sind – auch durch die Corona-Pandemie – deut- lich weitergewachsen (Italien auf 160 Prozent, Spanien auf 120 Prozent und selbst Frankreich auf 115 Prozent). Hin- zu kommt das Bekenntnis, zum Zwecke des Klimaschutzes höhere Investitionen in diesem Bereich zu investieren, was keine Sparneigung erwarten lässt. Die EZB muss daher widerspruchslos wei- ter die Finanzierungskonditionen gün- stig halten – sprich für niedrige Zinsen sorgen und Staatsanleihen kaufen –, um nicht das Vertrauen des Anleihen- marktes zu verlieren. Jänner 2022 –GELD-MAGAZIN . 9 „Möglicherweise wird sich die Inflation doch nicht so schnell reduzieren wie wir ursprünglich erwartet hatten.“ Jerome Powell, Chef der Federal Reserve „Die Inflation wird 2022 mit Wegfallen einiger Sonderfaktoren wieder auf rund zwei Prozent zurückkehren.“ Christine Lagarde, EZB-Chefin

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