GELD-Magazin, Dez. 2021 / Jän. 2022

I m November verzeichnete die Eurozone die höchste Inflation seit ihrer Grün­ dung im Jahr 1999. Im Jahresvergleich stiegen die Preise um 4,9 Prozent. Dass die Energiepreise einen hohen Anteil daran ha­ ben, sieht man daran, dass die Kerninflation „nur“ 2,6 Prozent betrug. Die Ursachen da­ für sind vielfältig. Im Wesentlichen trifft eine höhere Nachfrage auf ein geringeres Angebot, das durch mangelnde Kapazitäten aber auch durch Probleme in den Lieferket­ ten und höhere Rohstoffkosten verursacht wird. Das ist die eine Erklärung. Nach der ökonomischen Theorie der Wiener Schule entsteht die Inflation zwangsläufig durch eine Erhöhung der Geldmenge. Und diese nahm in der Eurozone in den vergangenen zehn Jahren um 61 Prozent von 9,5 auf 15,3 Billionen Euro zu. Das Preisniveau (Verbrau­ cherpreisindex) stieg in diesem Zeitraum je­ doch nur um 13,7 Prozent. Wie ist das zu er­ klären? Dazu muss man sich die Preise z.B. bei Häusern und Wohnungen ansehen, die in den vergangenen zehn Jahren um ganze 78 Prozent zulegten, Aktienkurse legten aber auch um 37 Prozent zu. Damit wird klar, wohin sich teilweise das Geld der Zen­ tralbanken den Weg gebahnt hat. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch auch die Zinsentwicklung, denn bei null Zinsen bei Sparguthaben und zum Teil am Anleihen­ markt kommt es zu einer allgemeinen Yield Compression und damit zu einer Unterstüt­ zung praktisch aller Assetpreise. Die Frage ist nun, wie es bei diesen Faktoren 2022 weitergehen wird. Zinsanhebungen in den USA Eine wichtige Rolle spielen hierbei die USA, denn das Zinsgefüge in der Weltleitwäh­ rung US-Dollar hat einen wesentlichen Ein­ fluss auf Kapitalströme – und damit auf Währungen – und auf die Schuldentragfä­ higkeiten weltweit. In den USA, die uns Eu­ ropäern in der Wirtschaftsentwicklung vo­ raus sind, kletterte die Inflationsrate im No­ vember auf stolze 6,8 Prozent. Dort begann die Federal Reserve (Fed) deshalb bereits gegenzusteuern. Fed-Chef Jerome Powell gab im November bekannt, die Anleihen­ käufe von zuvor monatlich 120 Milliarden US-Dollar jeden Monat um 15 Milliarden US-Dollar zu reduzieren. Aufgrund der zu­ letzt höher als erwarteten Inflationsrate be­ fürchtet Powell, dass sie vielleicht doch nicht so schnell sinken würde wie ursprüng­ lich erwartet. Und es wird bei der Fed dis­ kutiert, die Anleihenkäufe etwas rascher zu reduzieren. Ökonomen änderten daraufhin ihre Erwartungen hinsichtlich einer ersten Zinsanhebung in den USA und zogen sie auf das zweite Quartal 2022 vor. Dann sollten noch zwei bis drei weitere im Laufe des Jah­ res folgen. Dazu muss gesagt werden, dass die Fed einerseits die Geldwertstabilität so­ wohl im Außenverhältnis (US-Dollar-Kurs) BRENNPUNKT . Inflation und Geldpolitik Kehrtwende In der Eurozone erreichte die Teuerung im November annualisiert 4,9 Prozent, in den USA sogar 6,8 Prozent. Während die Fed für 2022 bereits Zinsanhebungen anstrebt, will die EZB diese weiterhin bei null halten. Ein gewagtes Experiment. MARIO FRANZIN Credits: beigestellt/Archiv Im Jahr 2022 sollte die Inflationsrate nach Ökonomiemodellen auf rund 2,2 Prozent sin- ken und 2023 weiter auf etwa 1,8 Prozent. Inflation am Höhepunkt Das annualisierte BIP-Wachstum wird für das Jahr 2022 in der Eurozone auf 2,2 Prozent und für 2023 auf 2,0 Prozent geschätzt. Wirtschaftsleistung sinkt Quelle: tradingeconomics.com / Eurostat Erwartung Eurozone (VPI) 0% -1% -2% 1% 2% 3% 4% 5% 6% 2012 2014 2016 2018 2020 2022 Quelle: tradingeconomics.com / Eurostat Erwartung Eurozone (ann. BIP-Wachstum) 0% -10% -5% -15% 5% 10% 15% 2012 2014 2016 2018 2020 2022 8 . GELD-MAGAZIN – Jänner 2022 „Die EZB unterschätzt die Inflationsdynamik und sollte bald etwas dagegen tun.“ Christian Sewing, Vorstand der Deutsche Bank „Die Vorstellung, dass die Inflation sich normalisiert und unter zwei Prozent geht, ohne etwas zu tun, ist wirklichkeitsfremd.“ Hans-Werner Sinn, ehem. Präsident des Münchner ifo-Institutes

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