GELD-Magazin, Dez. 2021 / Jän. 2022
EINSCHALTUNG – FOTO: beigestellt Asien – ESG-Standards setzen sich durch Asien und China sind gut unterwegs, wenn es um die Umsetzung von ESG-Kriterien in Unternehmen geht. Darüber hinaus zeigt der Kontinent der Extreme dem Westen, wie Corona in den Griff zu bekommen ist. Herr Amstad, Sie leben seit 15 Jahren in Singa- pur. Wie funktioniert hier der Alltag? Wie gehen die Menschen hier mit Covid um? Singapur ist ein hochzivilisiertes Wirtschafts- und Fi- nanzzentrum. Die Menschen verhalten sich hier sehr diszipliniert. Maskentragen ist ein Standard, den nie- mand in Frage stellt. Ganz anders in den USA, wo die Individualität des Einzelnen geradezu zelebriert wird und vielfach zum Selbstzweck entartet, wie ich meine. Es stimmt natürlich, die meisten Länder in Asien, allen voran China, sind keine Demokratien. Doch auf der anderen Seite sind die Errungenschaf- ten der kommunistischen Partei in China nicht zu übersehen: Die Lebenserwartung der Menschen konnte in den letzten Jahrzehnten verdoppelt wer- den, was in gleicher Weise für das GDP gilt. Das klingt ja alles sehr positiv. Doch wie steht das im Einklang mit den wirtschaftlichen Re- striktionen, die im letzten Jahr in China spürbar geworden waren? China repräsentiert eine bedeutende Wirtschafts- macht, die nach marktwirtschaftlichen Gesichts- punkten funktioniert, doch darf man nicht verges- sen, dass politisch die kommunistische Partei das Sagen hat. Im Interesse des Staates stehen mittel- große Familien, die sich finanziell und bildungsmä- ßig im „Mittelfeld“ bewegen. In China muss nie- mand mehr verhungern, doch eine Schicht der Su- perreichen stellt ebenfalls kein politisches Wunsch- bild dar. Deshalb wurde der Bildungssektor zurück- gefahren, um mehr in Richtung „goldene Mitte“ ge- hen zu können. In gleicher Weise wird der Immobi- liensektor kontrolliert, um Marktüberhitzungen und die Bildung von Blasen zu verhindern. Im Bereich ESG nimmt abrdn seit Jahren eine führende Stellung speziell in Asien ein und grün- dete 2021 das APAC Institut zur Förderung des Nachhaltigkeitsgedankens. Wie kam es dazu? Das ist richtig. abrdn verfügt seit 1992 über ein Büro in Singapur. Asien im Ganzen gesehen, ist tra- ditionell ein Kontinent der Umweltsünder. Nirgends kann der Smog so dicht sein, wie in Shanghai oder in Peking. Gleichzeitig wächst jedoch das Bewusst- sein vieler Menschen, vor allem von Entscheidungs- trägern in Unternehmen, dafür, dass Verände- rungen notwendig sind. Aus diesem Grund haben wir das APAC Nachhaltigkeits-Institut gegründet, das René Bühlmann leitet. Ziel des Institutes ist es, nachhaltiges Investieren im asiatisch-pazifischen Raum voranzutreiben und proaktiv mit politischen Entscheidungsträgern zusammenzuarbeiten, um den ESG-Rechtsrahmen der Region mitzugestalten. Anleger sollen die Gewissheit haben, mit ihrem fi- nanziellen Engagement das Net Zero-Ziel zu unter- stützen, ESG-Aspekte in alle Investitionen zu inte- grieren und engagierte Eigentümeraktivitäten zu unterstützen. Eine Strategie, die abrdn beim Ma- nagement seiner Asienfonds seit langem bereits lebt und aktiv unterstützt, etwa durch regelmäßige Kon- takte mit Managern der Unternehmen. Werfen wir zum Abschluss kurz einen Blick auf die große Politik: Wie beurteilen Sie das Verhält- nis von China und den USA aktuell? Das Wort „unterkühlt“ trifft es wohl am besten. Chi- na reagierte so lange positiv auf die aktuelle US-Po- litik, bis Biden Taiwan zum Online-Demokratiegip- fel einlud. Xi Jinping ist überzeugt, dass das demo- kratische Taiwan auf lange Sicht wieder ein Teil Chinas werden solle und dass die USA sich aus die- sem Prozess heraushalten solle. Sollten die USA gar eine militärische Intervention planen, müssten sie mit einem massiven Gegenschlag Chinas mit ver- heerenden Folgen rechnen. Doch gehe ich auch da- von aus, dass die USA ihre Interessen langfristig zu- rücknehmen werden. www.abrdn.com/de Donald Amstad, Global Head of Client Growth, abrdn Jänner 2022 – GELD-MAGAZIN . 29 EXPERTSTALK . Donald Amstad, Asienexperte bei abrdn
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