GELD-Magazin, November 2021

D er Begriff Stagflation bezeichnet die Kombination aus wirtschaft- licher Stagnation und gleichzeitig hoher Geldentwertung und wurde geprägt in den 1970er-Jahren. Aktuell liegt die In- flation im Euroraum mit 4,1 Prozent so hoch wie seit 1993 nicht mehr, die Energie- preise erreichen langjährige Höchstmarken. Die Verbindung mit coronabedingten Liefe- rengpässen bremst die wirtschaftliche Ent- wicklung empfindlich, erste Wirtschaftsfor- schungsinstitute haben ihre Konjunkturpro- gnosen deutlich nach unten korrigiert. Viele Investoren, vor allem in den USA, haben da- mit begonnen, ihre Portfolios hastig umzu- schichten. Denn in diesem Umfeld dürften die Gewinnmargen vieler Unternehmen und damit die realen Gewinne, also nach Abzug der Inflation, sinken. Konjunkturflaute droht Nach einer Serie schwacher Konjunkturda- ten hat die US-Notenbank von Atlanta auf Basis ihres Echtzeitmodells die Prognose für das Wachstum der US-Wirtschaft für das dritte Quartal auf annualisiert 1,3 Prozent eingedampft, Mitte August waren es noch 6,0 Prozent. Der annualisierte Wert wird er- rechnet, indem man die Veränderung ge- genüber dem Vorquartal mit vier multipli- ziert. Gleichzeitig steigende US-Zinsen (wenn auch bisher vor allem bei Anleihen und nicht bei den Geldmarktzinsen der US- Notenbank) drücken allerdings Growth-Ak- tien, gerade die Technologiewerte wie Apple, nach unten und belasten damit den Gesamtmarkt deutlich. Da die steigenden Zinsen diesmal keine Aufhellung der Per- spektiven für die Wirtschaft widerspiegeln, dürften auch Zykliker zusehends unter Druck kommen. Dabei handelt es sich um Unternehmen aus konjunkturabhängigen Sektoren wie Autos und Chemie. Die Inflati- on knabbert am Wachstum, welches in der Folge schrittweise sinkt. Hingegen dürften sich ausgewählte Aktien aus defensiven Sektoren, wie Nahrungsmittel und Basis- Konsumgüter, gegen die Schwäche am Ge- samtmarkt stemmen. Deren Geschäft sollte sich auch bei schwacher Konjunktur stabil entwickeln, während die Unternehmen die höheren Rohstoffpreise an die Kunden wei- tergeben können. Ein Paradebeispiel dafür ist Procter & Gamble. Der Konsumgüterher- steller will den Gewinn trotz steigender Ko- sten auch 2021/22 weiter erhöhen. Dem Burger-Brater McDonald’s kommt zugute, dass mit dem Abflauen der Pandemie im- mer mehr Filialen, gerade im Ausland, wie- der ihre Pforten öffnen. Zudem läuft das mobile Geschäft, während immer mehr Lä- den einen Lieferservice einführen. Die stei- genden Rohstoffkosten sollte die Firma an die Kunden weitergeben können, auch weil diese in einem Stagflationsumfeld statt in teure Restaurants eher zur Fast-Food-Kette BRENNPUNKT . Stagflation Sorgen am Finanzmarkt Ein Gespenst geht um in den Spalten der Börsenkommentare: Zu den seit einiger Zeit grassierenden Inflationssorgen tritt die Angst vor der Stagflation. Bloß ein Hirngespinst oder reale Gefahr für die Finanzmärkte? WOLFGANG REGNER Credits: beigestellt/Archiv Die lockere Geldpolitik und die großvolumigen Anleihekäufe der US-Notenbank Fed haben ihre Bilanz aufgebläht und die Weltbörsen angeheizt. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn- Verhältnis internationaler Qualitätsaktien ist stark angestiegen. Geldflut sorgt für hohe Aktienbewertungen Quelle: Bloomberg Bewertung globaler Qualitätsaktien (KGV) Fed-Bilanzsumme in Billionen US-Dollar 4 3 2 5 6 7 8 9 18 16 14 20 22 24 26 28 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021 8 . GELD-MAGAZIN – November 2021 „Die Engpässe in den Lieferketten sind hartnäckiger als erwartet, die Lieferzeiten werden länger.“ Peter De Coensel, Mitglied des Management Board bei DPAM „Ein Problem wäre es, wenn die Fed den Eindruck erweckt, die Unterstützung für die Wirtschaft genau zu dem Zeitpunkt zurückzuziehen, an dem diese schwächer wird.“ Nikolaj Schmidt, Chefökonom im Anleihebereich bei T. Rowe Price

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