GELD-Magazin, November 2021
E s hat in Österreich Tradition, dass jede Steuerreform als die „größte al- ler Zeiten“ verkauft wird. Inwiefern diesmal Wunsch und Realität übereinstim- men, hat das GELD-Magazin bei Wirt- schaftsforscherinnen nachgefragt. Entlastung bei Schwächeren So wird immer gefordert, untere Einkom- men zu entlasten: Jetzt kommt die gestaf- felte Senkung der Krankenversicherungsbei- träge um bis zu 1,7 Prozentpunkte für Ar- beitnehmer. Aber ist das nicht ein wenig dürftig? Dazu meint Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller: „Die Entlastung (bei der Krankenversicherung, Anm.) erreicht 2025 immerhin 1,2 Milliarden Euro, im Vergleich zur Einkommensteuersenkung, die eine Ent- lastung von 3,5 Milliarden ausmacht, ist das kein unbedeutendes Volumen. Die Beiträge werden von derzeit 3,87 Prozent auf bis zu 2,17 Prozent gesenkt, das ist für geringe Ein- kommen eine spürbare Reduktion. In künfti- gen Schritten könnten die Beiträge weiter reduziert werden, wobei darauf zu achten ist, dass der Einnahmenausfall aus dem Bud- get ausgeglichen wird. Auch der Eingangs- steuersatz in der Einkommensteuer könnte weiter gesenkt werden.“ Arbeitskosten senken Eine ewige Forderung ist ebenfalls die Sen- kung der Lohn-Nebenkosten: Was bringt die Steuerreform hier? Schratzenstaller: „Eine Senkung der hohen arbeitgeberseitigen Ab- gaben auf Arbeit ist nicht vorgesehen, sie sollte in künftigen Reformen jedenfalls Prio- rität haben, weil die Belastung der Unter- nehmen mit arbeitsbezogenen Abgaben auch im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Eine Reduktion würde die Arbeitsnach- WIRTSCHAFT . Steuerreform „Kein ganz großer Wurf“ Gut, aber nicht ideal. So könnte man die jüngste Steuerreform Österreichs zusammenfassen. Experten bemängeln unter anderem, dass nicht konsequent genug gegen die kalte Progression vorgegangen wird. HARALD KOLERUS FOTO: Parlamentsdirektion / Thomas Topf Österreich:Teure Arbeit Quelle: OECD Anteil der gesamten Steuern und Abgaben auf Arbeitskosten in Prozent 54 52 50 48 46 44 42 40 38 36 34 32 30 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 2020 Deutschland Österreich Schweden Dänemark OECD Im OECD-Durchschnitt liegt die Belastung durch Steuern und Abgaben deutlich unter dem Niveau Österreichs. Deshalb fordern Wirtschaftsexperten ein stärkeres Absenken der Lohn- Nebenkosten, die Gegenfinanzierung könnte durch Effizienzsteigerung erfolgen. Finanzmnister Blümel bei seiner Budgetrede am 13. Oktober 2021 im Parlament 16 . GELD-MAGAZIN – November 2021
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