GELD-Magazin, Oktober 2021

stoffen, und jetzt auch bei Kryptowäh- rungen). Doch die Zweitrundeneffekte die- ses Geldwachstums werden sich in den Ak- tivitäten der realen Wirtschaft zeigen. Schließlich und endlich werden danach auch die Preise für Güter und Services so- wie die Löhne und Gehälter steigen. Eine Blase entsteht daraus nur, wenn der Preisanstieg nicht durch eine überschüssige Geldmenge ausgelöst wird. Das ist bisher noch nicht der Fall. Wie verhält es sich mit den rasant stei- genden Staatsausgaben und deutlich hö- heren Budgetdefiziten der G20-Staaten? Viele Experten geben den Regierungen und ihren exzessiven Staatsausgaben die Schuld an steigender Inflation, doch dies stimmt nicht. Das sehen wir ebenfalls am Beispiel Japans. Wenn Budgetdefizite durch effek- tive Geldschöpfung finanziert werden, kann dies jedoch Auswirkungen auf die In- flation haben. Werden wir eine Stagflation im Stil der Siebziger Jahre erleben? Nein, das glaube ich nicht. Vielmehr wer- den wir eine Episode höherer Geldentwer- tung für zwei, drei Jahre sehen. Danach werden die meisten Länder zu den vor Co- rona bestehenden Mustern eines modera- ten Wachstums mit niedriger Inflation zu- rückkehren. Denn wenn die QE-Programme gestoppt werden, wird das Geldmengen- wachstum vorwiegend vom Volumen an neu vergebenen Bankkrediten abhängen, und dieses ist in den meisten Ländern nur sehr schwach ausgeprägt. Daher wird das Geldmengenwachstum auch 2022 und 2023 deutlich zurückgehen. Auch eine Lohn-Preis-Spirale ist nicht wahrscheinlich. Für die USA erwarte ich einen kumulierten Preisanstieg in der Periode 2021 bis 2023 von 15 Prozent. Die Löhne werden wohl zu- mindest im gleichen Ausmaß steigen. Doch nicht die steigenden Löhne bringen wach- senden Preisdruck, es ist das Geldmengen- wachstum. Und dieses wird - im Gegensatz zu den 1970ern - schon bald wieder sinken. Zu bedenken ist jedoch: In einer ersten Pha- se steigen die Preise für eher zufällig ausge- wählte Güter: Gebrauchtwagen, Flugtickets, Halbleiter und Energie. In einer zweiten Phase, wenn diese Preise in die Kosten- struktur der Unternehmen einfließen, wer- den wir einen generellen Preisanstieg sehen. Wie sollte die US-Notenbank reagieren? Es ist der FED gelungen, die Geldmenge um 33 Prozent über 18 Monate hinweg zu stei- gern. In absoluten Zahlen: Die US-Geld- menge ist um fünf Billionen Dollar gestie- gen: von 15 auf 20 Billionen. Die Noten- bank muss nun dieses Wachstum auf rund fünf Prozent zurückbringen. Weiter sollte sie nicht gehen, denn wenn sie etwa den Zuwachs der Geldmenge auf Null oder gar in den Minusbereich absinken lässt, riskiert sie eine veritable Rezession ab der zweiten Jahreshälfte in 2022. Welche Auswirkungen wird dies alles auf die Finanzmärkte haben? Aktien werden relativ stabil bleiben. Zwar werden die Gewinnmargen der Unterneh- men in einer ersten Phase sinken, doch die- se verfügen über ausreichend Preismacht, um die höheren Kosten an die Konsu- menten weiterzugeben. Und Letztere verfü- gen über genügend Liquidität, um sich die- se Preiserhöhungen auch leisten zu können. Das gilt auch für Unternehmenskunden. Das größte Risiko dagegen bergen nomi- nale Assets ohne Inflationsschutz, wie ge- wöhnliche Staatsanleihen, vor allem im lan- gen Laufzeitenspektrum. Immobilien wer- den trotz der starken Preisanstiege relativ resistent gegen den Preisdruck sein. Die Leistbarkeit von US-Wohnungen ist noch immer intakt. Erst bei deutlichen Anzei- chen für eine Rezession (z.B. stark sinkende Geldmenge) sollten Anleger verstärkt auf Nummer sicher und daher in Cash gehen. www.invesco.com ZUR PERSON John Greenwood ist als Cheföko- nom für Invesco Ltd. tätig. Er be- gann seine Karriere als wissen- schaftlicher Mitarbeiter bei der Bank of Japan. Seine Idee einer Currency Board-Regelung zur Sta- bilisierung des Hongkong-Dollar ist bis heute in Verwendung. Green- wood besitzt einen Master der Uni- versität von Edinburgh und wurde für seine Arbeit in Hongkong mit einem hohen Orden ausgezeichnet. Oktober 2021 – GELD-MAGAZIN . 9

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