GELD-Magazin, Oktober 2021

Hat die Konjunkturerholung bereits ihr Top erreicht? Hat die laufende Konjunkturerholung be- reits ihr Top erreicht? Sowohl die Erholung als auch die Inflation sind ein zweistufiger Prozess. Der steile An- stieg der Konjunktur nach dem Corona- Crash ist in den meisten Ländern zum Groß- teil bereits vollendet, doch diese werden wie in einem typischen anziehenden Ge- schäftszyklus noch einige Jahre weiter wachsen. Anders ausgedrückt: Die Verände- rungsrate des realen Bruttoinlandspro- duktes (BIP) hat ihr Hoch bereits erreicht, doch das absolute Niveau der ökono- mischen Aktivitäten (also der Level des BIP) wird weiter zulegen - falls uns nicht eine neue, noch gefährlichere Coronavirus-Vari- ante heimsucht. Was die Inflation anbe- langt, so sollte man zwischen der Inflation als Begleiterscheinung der Wiederöffnung der Weltwirtschaft mit all ihren Anzeichen wie Gütermangel, Engpässe bei Vorpro- dukten, Lieferkettenproblemen etc. und der Teuerung als Folge des exzessiven Geld- mengenwachstums unterscheiden. Der erste Inflationstypus ist bereits voll entwi- ckelt, während der zweite gerade aufzutau- chen beginnt. Die aktuelle Inflation ist also keine tem- poräre Erscheinung? Wenn ich in meinen 50 Jahren in der Wirt- schaftsforschung etwas gelernt habe, dann ist es das: Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen, wie schon der US-Nobelpreisträger Milton Friedman be- merkte. Unter „Geld“ verstehe ich Geld in den Händen der Öffentlichkeit, also der ge- wöhnlich agierenden Wirtschaftssubjekte, und nicht das Geld, das in den Zentralban- ktresoren schlummert. Diese Unterschei- dung ist wichtig, weil die Resultate der Geldpolitik in der Pandemie große Unter- schiede zur monetären Stützung nach der letzten großen Finanzkrise 2008/09 auf- weisen. Denn im Anschluss an diese haben die Zentralbanken geldpolitische Maßnah- men ergriffen, die zum Großteil das Zen- tralbankgeld in den Bilanzen der Noten- banken ausweiteten, nicht aber das Geld in den Händen der Öffentlichkeit. Daher blieb die Inflation weiterhin niedrig. Während der Pandemie jedoch ist Letzteres deutlich Die Anzeichen mehren sich, dass die rasante Konjunkturerholung der globalenWirtschaft bereits ihren Höhepunkt überschritten haben könnte. Gleichzeitig steigt die Inflation ungebremst: eine explosive Mischung. WOLFGANG REGNER Credit: beigestellt/Archiv E ine heftige Diskussion zwischen No- tenbankern und Chefökonomen ist entbrannt: Ist die derzeit rasant steigende Inflation ein temporäres Phäno- men, oder doch eher ein struktureller Fak- tor, der sich länger bemerkbar machen wird? Invesco-Chefökonom John Green- wood meint, dass Veränderungen der Geld- menge außerhalb des Bankensystems wich- tiger für die Inflationsentwicklung sind als Zinssätze oder Bilanzen der Notenbanken. Höhere Zinsen seien nicht automatisch mit einer Kreditverknappung verbunden. Die Preise für knappe Waren werden viel schneller steigen als die Preise für leicht zu findende Waren. angestiegen - dank Anleihenkäufen und Krediten an die Geschäftsbanken mit der Auflage, diese auch als Kredite an Unter- nehmen in der realen Ökonomie weiterzu- reichen. Dadurch wurde ein viel größeres Inflationspotenzial ausgelöst. Wie lange wird die Inflation anhalten? Zwei Faktoren werden das überschüssige Geldmengenwachstum absorbieren: Das re- ale BIP-Wachstum (meist bei rund zwei Pro- zent, mit Ausnahme Chinas) und der Bedarf an Bargeld (meist in der Range von 1,7 bis 2,9 Prozent). Der große Rest wird jedoch in Form von Inflation auftauchen. Da letzterer Prozess rund zwei Jahre dauert, wird die In- flation im kommenden Jahr höher und nicht niedriger ausfallen als 2021. Die Infla- tion bleibt ein dauerhaftes und nicht ein temporäres Phänomen. Führt die Digitalisierung nicht zu Preis- druck? Auch die Digitalisierung ist ein Phänomen wie auch die Demografie. Die sinkenden Preise für technologische Güter sind eben- falls kein Fall einer Deflation, sondern nur einer relativen Preisverschiebung im Ver- gleich mit dem Dienstleistungsbereich. Und der Immobilienboom? Sehen wir hier eine Blase? Der starke Anstieg der Häuserpreise ist fast ausschließlich durch das Ausmaß des Geld- mengenwachstums bestimmt. Ein exzes- sives Geldmengenwachstum taucht zuerst in steigenden Asset-Preisen auf (Aktien, Im- mobilien, Anleihen, Gold und anderen Roh- 8 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2021 INTERVIEW . John Greenwood, Invesco

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