GELD-Magazin, Oktober 2021
Von den Naturkatastrophenschäden waren zu Beginn der 1980er Jahre selbst in hochent- wickelten Industrieländern nur rund ein Viertel versichert, heute ist es immer noch weniger als die Hälfte. In Entwicklungs- und Schwellenländern ist dagegen die Situation seit Jahrzehnten unverändert und liegt weit unter zehn Prozent, oft bei nahe Null. Gegen Naturkatastrophen sind wenige versichert Quelle: Münchner Rück in Bio. Dollar 1.491 Versicherte 3.745 Unversicherte Gesamt 5.236 gen müssen, da diese von einer Risikoge- meinschaft im Rahmen einer Versicherung nicht geschultert werden kann“, so Svoboda weiter. Pflichtversicherung und Kapitalmarkt Nicht zuletzt hat das Hochwasser in Deutschland mit einem geschätzten Gesamt- schaden von 5,5 Milliarden Euro die Diskus- sion um eine Pflichtversicherung für Ele- mentarschäden wieder angeheizt. „Eine Pri- vatversicherung könnte den Versicherungs- schutz im Falle eines Hochwassers für alle erhöhen und mehr Versicherungsschutz bie- ten als bisher, und zwar auf leistbarem Ni- veau“, so Doris Wendler, Vorstandsdirekto- rin der Wiener Städtischen, die als Beispiel die Schweiz nennt, wo es eine solche Versi- cherungspflicht gegen Elementarschäden gibt. Aber nicht nur der Staat, sondern auch der Finanzmarkt wird verstärkt für die Risiko- überwälzung in Anspruch genommen. Und zwar vor allem durch die Rückversicherer, die sogenannte Katastrophenbonds (CAT- Bonds) emittieren. CAT-Bonds sind Anlei- hen deren Zahlungsverpflichtungen vom Eintritt bestimmter Katastrophenereignisse abhängig sind. So können die Risiken auf In- vestoren abgewälzt werden, die dafür im Gegenzug attraktive Zinsen erhalten. Tritt die Katastrophe, wie ein Erdbeben, Taifun oder Hurrikan ein, ist der Emittent befugt, auf das aufgenommene Kapital zurückzu- greifen. „Wir gehen davon aus, dass die Ka- pitalmärkte in den kommenden Jahren eine stärkere Rolle bei der Risikoabsorption spie- len werden, da die Klimaindikatoren auf häufigere und schwere wetterbedingte Er- eignisse hinweisen“, erklärt Kurt Svoboda. schutz, was zu Angst und Verunsicherung führt, wie Prof. Karel Van Hulle, Honorar- professor der Universität Frankfurt, aus- führt. Er fordert daher den Ausbau der Part- nerschaft zwischen Versicherungen und Staat, was auch im Einklang mit den Forde- rungen der Versicherungswirtschaft steht. „Wir müssen uns klar werden, dass wir bei mehr und mehr Themen an die Grenzen der Versicherbarkeit kommen“, erklärt Andreas Stürmer, CEO von Zurich Österreich. Tho- mas Neusiedler, CEO der Helvetia Österrei- ch, kritisiert diesbezüglich die Ausgestal- tung des österreichischen Katastrophen- fonds als eher wenig gelungen: „So ist eine Versicherungsleistung schädlich gegenüber einer Zahlung aus dem Katastrophenfonds.“ Vor allem staatliche Prämienunterstützun gen liegen derzeit weltweit im Trend. Solche wurden z.B. in den USA, China, Kanada, Russland, Indien, Türkei usw. ins Leben ge- rufen. In der Agrarversicherung, also bei ge- werblichen Betrieben, bewährt sich solch ein Private-Public-Partnership (PPP)-Modell auch in Österreich. Dabei liegt der staatliche Prämienzuschuss für alle versicherbaren Ri- siken, wie z.B. Hagel, Frost, Sturm, Über- schwemmungen, Dürren bei 55 Prozent. Die Vorteile gegenüber Ad-hoc-Zahlungen aus dem Katastrophenfonds sind, dass der Land- wirt einen Rechtsanspruch auf Entschädi- gung hat und andererseits der Staat sein öf- fentliches Budget kalkulieren kann, wie Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Ha- gelversicherung, erklärt. In PPPs sollte der Versicherer die Rolle des Experten für Risi- komanagement, Risikoprävention und Scha- densabwicklung spielen schlägt Kurt Svobo- da, Finanzvorstand der UNIQA, vor. „Den Großteil der finanziellen Risiken wird aller- dings weiterhin die öffentliche Hand auffan- „Eine Privatver sicherung könnte den Versicherungsschutz im Falle eines Hoch wassers für alle erhöhen und mehr Versicherungsschutz bieten als bisher, und zwar auf leistbarem Niveau.“ Doris Wendler, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Oktober 2021 – GELD-MAGAZIN . 73
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