GELD-Magazin, Oktober 2021

Firmenpleiten: Stark gesunken STEUERREFORM Verpasste Chance Dickes Ende droht. Laut ak- tueller Insolvenzstatistik für die ersten drei Quartale des Jahres 2021 ist die Zahl der Firmenpleiten in Österreich zum Vergleichszeitraum des Vorjahres um 28,4 Prozent auf 1.814 Fälle gesunken. Und das, obwohl bereits das vergangene Jahr von äußerst niedrigen Insolvenzzahlen geprägt war. Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insol- venz, erklärt: „Mit der von der Regierung einge- führten ‚Safety-Car-Phase‘, die Ende September geen- det hat, wurde den Unternehmen eine weitere Mög- lichkeit am Silbertablett serviert, die Rückzahlung ihrer Schulden bis ans Äußerste hinauszuzögern. Dadurch ist der Schuldenberg vielerorts weiter ange- wachsen, was häufig in einem wirtschaftlichen Fiasko enden wird, sobald die offenen Forderungen fällig sind.“ Heimische Industrie: Gang zugelegt Tempo erhöht. Nachdem sich der seit dem Frühjahr überschießende Auf- schwung in der österreichischen Industrie in den vergangenen Monaten etwas beruhigt hatte, erhöhte sich das Erholungstempo jetzt wieder. Der UniCredit Bank Austria EinkaufsManagerIndex ist im September auf 62,8 Punkte gestie- gen. Damit wurde die schrittweise Verlangsamung der Industriekonjunktur über den Sommer gestoppt. Das Wachstumstempo festigt sich auf einem über- durchschnittlich hohen Niveau und nimmt Kurs auf einen Produktionsanstieg im Gesamtjahr 2021 von etwa 8,5 Prozent. Im Jahr 2020 war die Produktion in der Sachgütererzeugung pandemiebedingt um 7,5 Prozent real eingebrochen. Auch die Jobsituation sieht nicht schlecht aus: Im September wurde die Anzahl der Arbeitsplätze in der Industrie wieder erhöht, wenn auch der leichte Rück- gang des Beschäftigtenindex auf 62,2 Punkte eine geringfügige Tempoverlang- samung beim Jobaufbau im Vergleich zum Vormonat anzeigt. UniCredit Bank Austria Einkaufs-Manager-Index Quelle: IHS Markit, UniCredit Research Credit: beigestellt Wenig Entlastung. Die neue Steuerreform kann die kalte Progression nicht wettmachen, jedenfalls nicht für Kinderlose. Sie werden bis 2024 durch die kalte Progression stärker be- lastet, als sie durch die Steuerreform entla- stet werden. Wer 3.500 Euro brutto im Monat verdient und keine Kinder hat, wird im Zeit- raum zwischen 2016 bis 2024 (wenn die Sen- kung der Tarifstufen abgeschlossen ist) netto um mehr als 1.000 Euro belastet. Bereinigt um die kalte Progression zeigt sich, dass vor allem Lohnsteuerzahler mit Kindern von der Steuer- senkung profitieren. Möglich wird das durch den Familienbonus, der die bis 2024 aufge- staute kalte Progression mehr als kompensiert, so die Agenda Austria. „Von einer wirklichen Steuerreform kann erst gesprochen werden, wenn die kalte Progression abgeschafft wurde“, so Agenda Austria-Direktor Franz Schellhorn. Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz WIRTSCHAFT . Kurzmeldungen DIE ZAHL DES MONATS 30 % Lohnkosten runter. 1.000 Unternehmen haben bei einer Umfrage von Öster- reichischer Hoteliervereinigung (ÖHV), Gewerbeverein, Handelsverband, Se- nat der Wirtschaft und „Lobby der Mitte“ standortpolitische Maßnahmen prio- risiert. Viele der gestellten Forderungen betreffen Kosten von Gehältern. Dafür, dass die Lohnebenkosten in der Steuerreformdebatte praktisch keine Rolle spie- len, fehlt der Präsidentin der ÖHV, Michaela Reitterer, jedes Verständnis: „Für 81 Prozent der befragten Unternehmen hat diese Maßnahme den höchsten Stel- lenwert, in der Hotellerie sogar für 91 Prozent.“ Das ist die logische Konsequenz aus hohen Arbeitskosten und der aktuellen Arbeitsmarktsituation: „Alle Bran- chen suchen Mitarbeiter, in der Hotellerie neun von zehn Betrieben.“ Die Lohn- nebenkostensenkung um 30 Prozent für 30 Mitarbeiter brächte echten Spiel- raum für Anstellungen und Gehaltserhöhungen, fordert Reitterer mit Nach- druck die Umsetzung des ewigen Wahlversprechens. „Das wäre der effektivste Hebel für höhere Löhne, mehr Investitionen und Arbeitsplätze.“ 16 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2021

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