GELD-Magazin, Oktober 2021
D as Heulen und Zähneklappern vor der deutschen Bundestagswahl war groß: Viel war von „Enteig- nungsfantasien“ oder einer „Linkswende“ zu hören und zu lesen. So ist es bekanntlich nicht gekommen. Offensichtlich wird die Auswirkung von Urnengängen, vor allem auf die Börse, überschätzt. Um nicht zu sa- gen: medial aufgebauscht. „Kurze Beine“ Marcus Hüttinger, Marktstratege beim Ver- mögensverwalter GANÉ, hatte hingegen schon vor dem 26. September ein bedachtes Kommentar verfasst: „Kapitalmärkte kehren nach dem Wahlergebnis meist schnell zu den vorher dominierenden Trends zurück.“ Diese Einschätzung hat sich bestätigt, das GELD-Magazin sprach einen Tag nach der Wahl mit dem Experten: „Politische Börsen haben kurze Beine. Die Reaktionen der Ka- pitalmärkte haben sich als bescheiden er- wiesen, so hat sich das Euro-Dollar-Verhält- nis nach feststehendem Wahlergebnis nicht bewegt. Auf der Aktienseite ist vielleicht eine gewisse Erleichterung erfolgt, weil ein signifikanter Linksruck jetzt als nicht realis- tisch erscheint.“ Zu globalen Störungen an den Börsen hätte aber auch ein anderer Wahlausgang nicht geführt, Hüttinger: „Hier stehen ganz andere Faktoren im Vor- dergrund, etwa die Inflationserwartungen, die Zinspolitik oder ein mögliches Tape- ring.“ Entscheidend für die langfristige Per- formance von Aktien ist laut dem Experten weniger die mögliche Überraschung eines Wahlergebnisses, sondern vielmehr, ob mit der Wahl ein Bruch oder eine Aufrechterhal- tung der langfristigen Kerntreiber einher- geht. Und ein solcher Bruch scheint in Deutschland nicht in Sicht. Hüttinger: „Ge- winner-Unternehmen können sich außer- dem auf neue politische Rahmenbedin- gungen einstellen. Sie werden auch nach der Bundestagswahl ihre Erfolgsgeschichte fortschreiben. Für GANÉ sind das Unterneh- men, die hohe Cash-Flows aufweisen und so für zukünftige Investitionen und Dividen- den gerüstet sind. Wichtig sind hohe Er- tragsmargen sowie eine Preissetzungsfähig- keit, um sich auf neue Begebenheiten schnell einstellen zu können.“ Überthema Klimaschutz Soviel zum Börsegeschehen, das aber natür- lich bis zu einem gewissen Grad die Ent- wicklung einer Volkswirtschaft widerspie- gelt. Welche Themen stehen nun nach der Ära Merkel auf der Agenda? Ganz weit oben ist sicherlich der Kampf gegen die Erder- wärmung anzusetzen. Wobei die Umwelt- schutz- und Entwicklungsorganisation Ger- BRENNPUNKT . Deutschland nach der Wahl Abgesagte Revolution Die hochgespielte Gefahr eines „Linksrutsches“ in Deutschland ist gebannt. Aber nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl. Was steht bei unserem Nachbarn jetzt auf der wirtschaftlichen und politischen Agenda? HARALD KOLERUS Credits: beigestellt; Westlight/stock.adobe.com Trotz dem vielbeschworenen Niedergang von „Volksparteien“, spielen Rot und vor allem Schwarz in Deutschland eine wichtige Rolle: CDU/CSU stellte überwiegend den Kanzler. In der jüngeren Geschichte die „Langzeitregenten“ Kohl und Merkel. So hat Deutschland seit 1990 gewählt Quelle: Bundeswahlleiter/Statista 0 10 20 30 40 50 Zweistimmenergebnisse der Parteien bei Bundestagswahlen in Deutschland (in %) *vorläufiges Ergebnis vom 27.09.2021 SPD 25,7% 1994 1998 2002 2005 2009 2013 2017 2021 1990 Union 24,1% Grüne 14,8% FDP 11,5% AfD 10,3% Linke 4,9% Sonstige 8,6% 10 . GELD-MAGAZIN – Oktober 2021
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